"Hi Martina."
"Hallo Sören. Bist Du heute mein Schichtpartner?"
"Sieht so aus. Der RTW ist übrigens noch draußen, hab ich gerade gesehen. Das wird also ein schneller Wechsel nachher."
Martina zog die Stirn kraus. Schichtwechsel zwischen Tür und Angel mochte sie gar nicht. Ihr war es lieber, wenn vor Arbeitsbeginn genug Zeit war, den Wagen zu checken und Material aufzufüllen. Man wußte ja nie, was einen in der Schicht erwarten würde.
Sören stand bereits in den Dienstklamotten da und zündete sich eine Zigarette an. Er nahm einen Zug und sagte dann:
"Laß Dir Zeit, die Jungs sind noch nicht so lange weg."
Martina verschwand im Haus.
In der Umkleide schloß sie ihren Spind auf, wechselte schnell die Klamotten, verstaute ihren Personalausweis, die eigene Krankenkassenkarte und etwas Geld in einer Seitentasche der Hose und rüstete sich mit ihrem Gürtel, einem kleinen Stapel Karteikarten und Kugelschreibern aus. Das Handy kam in eine andere Seitentasche, ebenso die Kopfhörer. Dann schlüpfte sie in die bequemen Hauslatschen, die sie in der Wache immer trug. Die Jacke mit ihrem Namen in der einen Hand, die Sicherheitsschuhe in der anderen kam sie zum Aufenthaltsraum, stellte die Schuhe vorher ab und hängte die Jacke an einem der Haken auf.
Dann holte sie sich am Automaten einen Kaffee, gab Zucker und Milch dazu und ging mit der Tasse wieder raus zu Sören. Draußen war es wärmer als drinnen, ein typischer Sommertag eben.
Sören war mittlerweile mit seiner Zigarette fertig und nippte nun ebenfalls an seinem Kaffee. Martina und er hatten 12 Stunden Nachtschicht vor sich. Es war kurz vor 18 Uhr, die Dunkelheit der Nacht noch weit entfernt.
Martina trank den Kaffee aus und ging wieder ins Haus. Ihr war eingefallen, daß sie vergessen hatte, ihr Essen in den Kühlschrank zu stellen.
Sören zündete sich die nächste Zigarette an.
Ein paar Minuten später rollte der RTW auf den Hof. Sören schaute in Richtung Fahrzeug - in der Fahrerkabine saßen Dieter und Christoph. Christoph grinste - offenbar hatte einer die beiden gerade etwas Lustiges erzählt.
Dann schaute Christoph in Sörens Richtung und winkte, bevor Sören aus seinem Blickfeld verschwand.
Sören drückte den Zigarettenstummel mit dem Fuß aus und ging nun ebenfalls ins Haus.
Auf halber Strecke kam ihm Martina wieder entgegen.
"Sie sind da.", sagte Sören.
"Na, dann gehen wir wohl besser zur Garage.", meinte Martina.
Am Auto waren Christoph und Dieter damit beschäftigt, den Eintrag ins Fahrtenbuch zu machen und ihre Siebensachen einzupacken.
Als er die Kollegen sah, sprang Dieter vom Fahrersitz und begrüßte Martina überschwänglich.
"Da seid Ihr ja. Gott, ich bin froh, daß die Schicht herum ist. Wir hatten eine Menge zu tun. Und dann kam 20 Minuten vor Schichtende auch noch ein Schlaganfall rein. Zum Glück hier in der Nähe. Jetzt liegt die Patientin in Schwabing und wird aufgepäppelt."
Martina war bereits hinten eingestiegen und begann, den Rucksack zu kontrollieren. Christoph blieb an der Tür stehen. Sie sah ihn an.
"Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?"
"2 Verkehrsunfälle, eine Reanimation, mehrere Transporte, ein Kindernotfall."
"Wart Ihr wieder in Schwabing essen?"
Martina wußte, daß besonders Dieter auf seine Pausen Wert legte.
"Das ging sich leider nicht aus. Aber ich bin heute abend eh noch verabredet."
Christoph übergab Martina seinen Melder und verabschiedete sich.
"Falls wir uns gleich nicht mehr sehen: ich wünsche Euch eine ruhige Schicht."
"Danke."
Martina war mit dem Rucksack fertig und stellte ihn in das Fach zurück. Dann nahm sie sich die transportablen Geräte - EKG, Beatmung und Absaugung - vor, bevor sie die Sauerstoffvorräte und die Fächer checkte. Es sah alles ganz gut aus. Ein paar Infusionsbeutel mußten nachgelegt werden, auch Infusionssysteme, mittelgroße Viggos, Tupfer und Handschuhe.
Sören hatte bereits den Fahrersitz mit seinen Sachen ausgestattet und begonnen, das Übernahmeprotokoll auszufüllen. Martina schob ihm die Zettel mit den Werten der Sauerstoffflaschen und der Liste der zu ergänzenden Ausrüstung zu. Dann ging sie ihre eigenen Sachen holen. Das Auffüllen des Wagens war Sörens Sache, so hatten sie sich einmal geeinigt.
Kaum war sie am Aufenthaltsraum angekommen, ging der Melder. Schnell schlüpfte sie in die Jacke und eilte zum Fahrzeug. Hoffentlich war Sören mit dem Auffüllen fertig und hatte seinen Melder nicht vergessen, entgegenzunehmen.
Sören war tatsächlich schon bereit. Martina sprang ins Auto, dann fuhren sie mit Blaulicht los. Auf dem Weg vom Hof winkten sie ihrerseits Christoph und Dieter, die noch vor der Tür standen und bei einer Zigarette und Kaffee die Schicht rekapitulierten.
"Was haben wir?", fragte Martina.
"Bauchschmerzen", antwortete Dieter. Er tippte auf dem Navi herum und die Einsatzmeldung wurde sichtbar.
"Eine alte Dame mit unklarem Bauchtrauma also.", schlußfolgerte Martina. "Na, wenigstens ist es wieder nicht weit."
Vor der Tür stand am Zielort bereits ein Fahrzeug des Hausnotrufs, ansonsten war die ganze Straße zugeparkt. Sören blieb nichts anderes übrig, als mit Blinklicht in zweiter Reihe zu halten.
Der Hausnotruf-Mitarbeiter stand ebenfalls vor der Tür zum Grundstück.
"Guten Tag, ich habe angerufen, denn Frau Meier hat starke Schmerzen und ist inzwischen leicht bewußtlos."
"Ok." Martina schnappte sich den Rucksack, Sören das EKG und die Umhängetasche mit der kleinen Sauerstoffflasche.
Hintereinander betraten die drei das Haus und die Wohnung im Erdgeschoß, in der noch Licht brannte. Im Wohnzimmer saß eine alte Dame auf dem Sofa, etwas zusammengesunken, als würde sie schlafen.
"Frau Meier, guten Abend!" sagte Martina laut und nahm die Hand der alten Frau, nach dem Puls tastend und die Temperatur und Hautbeschaffenheit beurteilend.
Die alte Dame antwortete nicht. Martina wandte sich an den Hausnotruf-Mitarbeiter.
"War sie schon so, als Sie sie verlassen haben vorhin?"
"Nein. Etwas schläfrig, ja, aber nicht bewußtlos."
"Ok, packen Sie bitte mit an. Wir müssen sie auf den Boden legen. Sie gehen an den Oberkörper, ich nehme die Beine, Sie geben das Kommando. Auf 3!"
"Eins, zwei, drei!"
Und schon lag die erkrankte alte Dame auf dem dicken Wohnzimmerteppich und die Untersuchung ging weiter. Sören hatte inzwischen die Leitstelle verständigt, daß ein Notarzt benötigt werde, das EKG-Gerät eingeschaltet, legte den Meßfühler für die Sauerstoffsättigung des Blutes und die Blutdruckmanschette an. Ein paar Tastendrucke auf dem Gerät, dann pumpte die Manschette sich automatisch auf.
"Rachen ist frei, Atemgeräusch normal." Martina wandte sich wieder an den Hausnotruf-Mitarbeiter. "Haben Sie die Krankenkassenkarte, Arztbriefe der letzten Zeit und eine Medikamentenliste parat? War sie in den letzten Wochen im Krankenhaus?"
Der Mann vom Hausnotruf verschwand ins andere Zimmer.
"Puls unregelmäßig, Herzfrequenz tachykard, Sauerstoffsättigung bei 95 Prozent.", gab Sören bekannt und begann, ein Vierkanal-EKG anzulegen.
"Frau Meier, ich höre und taste jetzt einmal Ihren Bauch ab."
Bei den Berührungen ihres Bauches stöhnte die alte Dame laut und machte mit den Händen ungezielte Abwehrbewegungen. "Kein Wunder", sagte Martina mehr zu sich selbst als zu den anderen. Der Bauch ist unglaublich hart, Darmgeräusche höre ich kaum."
"Wann hat sie das letzte Mal gegessen, konnten Sie das vorhin noch fragen?"
"Sie hat wohl nachmittags ein Stück Kuchen gegessen, ansonsten war sie gerade dabei, sich das Abendbrot zu richten. In der Küche steht alles bereit."
"Die Arztbriefe und die Medikamentenliste?"
"Bitteschön. Einen Krankenhausaufenthalt gab es in den letzten Monaten nicht."
Martina schaute auf die Anzeige des EKGs, dann auf ihre Notizen und schließlich auf die Medikamentenliste. Ein Schilddrüsenhormon, einen Blutdrucksenker, ein leichtes Schmerzmittel, etwas gegen Übelkeit. Die Herzfrequenz war tatsächlich zu schnell, die Atmung zu flach. Der vorher gemessene Blutzucker war normal.
"Sören, ich brauch das Nidapad. Und hol bitte auch schon mal die Trage. Wann kommt denn unser Notarzt?"
"Der kommt aus Pasing, müßte aber jeden Moment hier sein."
"Frau Meier, ich muß Ihnen jetzt noch mal kurz wehtun! Aber dann bekommen Sie ein Schmerzmittel, wenn der Arzt da ist!"
Martina schob die Injektionsnadel in die Armvene der Patientin, steckte die vorbereitete Infusion an und ließ diese langsam einlaufen. Dann maß sie die Temperatur der Patientin, schaute dieser mit der Lampe in die Augen, untersuchte die Beine auf sichtbare Veränderungen und horchte noch einmal Lunge und Herz ab.
In diesem Moment kam Sören mit dem Pad und der Trage zurück, hinter ihm der Notarzt.
"Guten Tag, Kollegen, was habt ihr denn hier schönes?"
Offenbar war dieser Notarzt zu Scherzen aufgelegt. So sprach man nicht vor dem Patienten, selbst dann nicht, wenn der Patient bewußtlos war. Man wußte nie, woran sich Patienten später erinnern würden.
Wird fortgesetzt.
Disclaimer:
Jeder beruflich medizinisch Tätige ist an die Einhaltung von Datengeheimnissen gebunden.
Aus diesem Grund bin ich bestrebt, diese Romanteile so orts- und personenunabhängig zu halten wie möglich. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen lassen sich nie ganz vermeiden, sind aber im Einzelfall nicht beabsichtigt. Dies gilt für alle im Roman porträtierten Personen. Einen Bezug zu meinen Praktikumsberichten gibt es nicht.
Namen von Straßen, Kliniken und Orten öffentlicher Relevanz sind den Gegebenheiten in München entnommen, ebenso organisatorische Details des Rettungsdienstes (Alarmierungszeiten, Fahrzeug- und Klinikstandorte, Systematik ggf. auftretender Funkrufnamen, Ausstattung der Fahrzeuge). Die verwendeten Funkrufnamen sind fiktiv oder zumindest zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes nicht aktiv (Quelle).
Die Geschichten sind nicht als medizinische Handlungsanweisungen zu verstehen, sondern dienen ausschließlich der Unterhaltung. Daher sind die Behandlungen nicht in allen Details korrekt beschrieben, aber im Groben schon.
soso, jetzt bin ich also am abstellgeleis und kriege nie mehr meine reiche alte :(((
schön geschrieben, aber den titel versteh ich nicht?
wo wird denn hier die großstadt gerettet? und will man das überhaupt? sollte man die städte nicht zusperren - zurück zur natur??
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Nee, ich schreib schon beides weiter.
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Cool ! Hast Du gut geschrieben. Ich habe es mal resteemed und ein Upvote hast Du natürlich auch bekommen.
Bei der Passage:
"Es war kurz vor 18 Uhr, die Dunkelheit der Nacht noch weit entfernt."
Dachte ich: Ach wie wäre das schön - aktuell ist es um 18 Uhr schon stock dunkel...
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Danke.
Aktuell ist es sogar um kurz nach fünf schon fast stockdunkel.
Aber keine drei Wochen mehr, dann werden die Tage wieder länger.
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Du machst mir Hoffnung - vielen Dank !!!
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Gern geschehen. :)
Das ist wenigstens keine Spekulation. :)
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wiedermal eine sehr aufregende story.....
da kann man nicht anders,als lesen,lesen,lesen :-)
tolle geschrieben
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Guten Tag,
Mein Name ist GermanBot und du hast von mir ein Upvote erhalten. Als UpvoteBot möchte ich dich und dein sehr schönen Beitrag unterstützen. Jeden Tag erscheint ein Voting Report um 19 Uhr, in dem dein Beitrag mit aufgelistet wird. In dem Voting Report kannst du auch vieles von mir erfahren, auch werden meine Unterstützer mit erwähnt. Schau mal bei mir vorbei, hier die Votings Reports. Mach weiter so, denn ich schaue öfter bei dir vorbei.
Euer GermanBot
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Hallo ich bin Mikrobi,
dein Beitrag hat mir sehr gut gefallen und du bekommst von mir Upvote.
Ich bin ein Testbot, wenn ich alles richtig gemacht habe, findest du deinen Beitrag in meinem Report wieder.
LG
Mikrobi
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