Sollen Frauen kinderlos bleiben dürfen oder nicht?

Das Thema ist so alt wie die Politik alt ist. In vermutlich jeder Gesellschaft hat es Frauen gegeben, die ohne Nachwuchs alt geworden sind. Seit dem 19. Jahrhundert leben diese Frauen ein bißchen offener. Und ausgerechnet im Bergland Albaniens sind Frauen, die keine Familien gründen, Teil einer Gesellschaft, deren Regeln anmuten, als hätte das Mittelalter nie geendet.

Nun hat das Thema also auch Steemit erreicht. Das ist angesichts der immer mal wieder aufkommenden Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien keine Überraschung.
Überraschend wird es dann, wenn der entsprechende Artikel den Frauen die Kompetenz abspricht, sich für oder ein Kind entscheiden zu können mit dem Argument, sie hätten nur die eigene Karriere im Sinn. Ich nenne das eine gefährliche Vereinfachung.

Es gibt seit jeher Männer, die keine Familie gründen. Das trägt diesen Männern keiner nach. Wohingegen jeder Zeitungsartikel zum Thema Kinderlosigkeit bei Frauen mehr oder weniger schnell in die Rechtfertigungsecke abdriftet.

Wir leben immer noch in einer Gesellschaft, in der weitreichende Entscheidungen von Männern getroffen werden. Männer entscheiden als Chefs über Arbeitszeiten von (nicht nur) weiblichen Angestellten. Männer sind in der Politik in der Mehrzahl und wenn sich doch mal eine Frau in ein verantwortungsvolles Amt vorwagt, wird sie geschaßt - von Männern und Frauen gleichzeitig. (Wer meint, das stimme nicht, denke bitte jetzt über seine Meinung zu Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Hillary Clinton, Claudia Roth, Greta Thunberg und Luisa Neubauer nach.) Männer stehen vor gynäkologischen Praxen und Beratungsstellen wie Pro Familia, um angebliche Kindsmörderinnen zu identifizieren. Männer denunzieren Ärztinnen, die über Schwangerschaftsabbrüche informieren, als unlauter Werbende, obwohl eigentlich allen klar ist, daß es gar keine Werbung ist. Hier wird Ohnmacht zur Macht. Und wer sind die Leidtragenden? Die Kinder, die nicht geboren werden? Oder doch eher die Kinder, die aus Zwang geboren werden, denen aber die Mütter nicht gerecht werden können? Ws ist mit Kindern, die aus verschiedenen Gründen institutionalisiert werden? Diese Praxis ist noch nicht so lange her!

Es gibt in Deutschland laut offiziellen Zahlen fast 3 Millionen Kinder und Jugendliche, die als arm eingestuft werden. Man ist schnell mit Vorwürfen bei der Hand, die Eltern dieser Kinder würden ja gar nicht arbeiten gehen wollen. Sicher gibt es das auch, aber ich halte es für eine Randerscheinung. Eben wegen der gesellschaftlichen Ablehnung. Kinder, die doch in solchen Haushalten - oder mit chronisch kranken Eltern - aufwachsen, sind oft selbständiger und durchsetzungsstärker, haben aber auch eine höhere Prävalenz, selbst auf die schiefe Bahn zu geraten, weil ihnen die Verantwortung über den Kopf wächst. Und wo kommen eigentlich die ganzen obdachlosen Kinder, Familien und jungen Leute her?

Zurück zu dem Vorwurf, Frauen, die keine Kinder haben, würden nur an ihre Karriere denken. Nun, eigentlich sind es leider immer noch die Männer, die z.B. als Chefärzte darüber bestimmen, ob die junge intelligente Kollegin Oberärztin für Unfallchirurgie oder Neurologie werden darf. Die Frage zu stellen, wann frau denn schwanger werden wolle, ist nach wie vor Praxis in Bewerbungsgesprächen, gesetzliche Unzulässigkeit hin oder her. Einer sitzt immer am längeren Hebel.

Wollen wir zurück in eine Gesellschaft, in der es keine biografische Freiheit für Mann und Frau gab? Wer sowas als junge Frau fordert, sollte sich meines Erachtens dann auch wirklich von jeglicher Erwerbstätigkeit verabschieden. Oder zumindest solange, bis beiden Partnern klar ist, daß dieses Einkommensmodell nicht funktioniert. Weil Frauen eben wegen ihrer Erziehung auch die resoluteren, resilienteren, effizienteren Arbeiter sind. Die Familienmanagerinnen. Die rastloseren. Die schon jetzt in eine neue gesellschaftliche Rolle hineingewachsen sind, auch wenn es keiner wahrhaben will.

Die Zeit läßt sich nicht zurückdrehen. Der Vatertyp, der alleiniger Ernährer war, kommt nicht zurück. Weil die Wirtschaft der 50er- und 60er-Jahre nicht zurückkommt. Und die Männer der damaligen Zeit auch nicht. Was nicht nur Nachteile hat.
Kinder genießen heute mehr Schutzrechte als jemals zuvor. Dabei kommt ihnen auch die Betreuungsinfrastruktur durch Kindergärten und anderes zugute.

Es sind nicht nur und auch nicht immer die akademisch gebildeten Frauen, die sich gegen Kinder entscheiden. Und ein Kind zu bekommen, nur weil man es technisch kann, ist für Mutter und Kind sicherlich die schlechteste Option. Auf den organisatorischen Aufwand kann einen keiner vorbereiten, weil der sich eh ständig ändert. Man kann als Angehöriger eines Elternpaares höchstens unterstützen. Sich darauf zu verlassen, halte ich ehrlich gesagt für übergriffig. Klar, Eltern finden Enkel toll. Aber auch für sie ist die Erziehungsarbeit anstrengend.

Ich bin selbst kinderlos, weil Mr. Perfect mir erst nicht begegnet ist, ich mir dann eingestehen mußte, daß ich nicht für diese Nähe geschaffen bin, und schließlich gegen Ende meiner eigenen 30er-Jahre selbst wirtschaftliche Sorgen hatte, die jetzt noch anhalten. In dieser Zeit ist mir der Eine, der es vielleicht hätte werden können, begegnet und hat sich nicht entscheiden können. Mir lagen wahrlich genug Leute in den letzten Jahren in den Ohren mit der Frage, was denn nun ist. Ländliches Bayern halt. Warum ich Versprechungen machen sollte, die ich nicht halten kann, sagt mir aber niemand.

Es ist nicht nötig, alle Frauen, die kinderlos sind, über einen Kamm zu scheren, dazu sind die einzelnen Biografien einfach zu vielfältig. Und Männer, die sich bewußt gegen eine Beziehung oder sogar gegen Kinder entscheiden, gibt es, wie gesagt, auch zuhauf. Mir fallen aus meinem Bekanntenkreis nur zwei kinderlose Frauen, aber fünf alleinstehende Männer ohne Nachwuchs ein. Karriere gemacht hat von den Männern übrigens nur einer, eine der beiden Frauen ist wie ich chronisch krank.