Aus der Reihe „Aufklärung durch Weltliteratur“: Voltaire – „Nationalökonomisches / Was ist Reichtum?“

in deutsch •  6 years ago 

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Werte Steemis,

aus der Reihe „Aufklärung durch Weltliteratur“, möchte ich euch heute ein weiteres phantastisches Werk Voltaires vorstellen: „Nationalökonomisches / Was ist Reichtum?“


Kritik:
Voltaire gehört sicher zu den bedeutendsten Philosophen und zählt zu den Aufklärungsvätern. Seine Werke sind in klarster sprachlicher Eleganz formuliert und ein wahres Vergnügen zu lesen.

Voltaire:
Francois Marie Arouet - frz. Schriftsteller und Philosoph 1694; † 1778 – wurde wegen satirischer Schriften verfolgt, festgesetzt und später verbannt. Die Verbannung trieb ihn u. a. von 1750 – 53 in die Hände von König Friedrich II. (Alte Fritz). Volaire vertrat die Vernunftgläubigkeit und eine kirchenfeindliche Toleranz. Seine Schriften trugen u. a. zur frz. Revolution von 1789 bis 1799 bei.


Merke: „Gute Bücher und Schriften sind wie Austern, will man an die Perlen gelangen, muss man tief tauchen, Miesmuscheln hingegen, liest man am Strand auf“.


Aufklärung durch Weltliteratur

Voltaire

Nationalökonomisches / Was ist Reichtum?


Was heißen Sie reich sein?

Viel Geld haben.

Da täuschen Sie sich. Die Südamerikaner hatten früher viel mehr Geld, als Sie jemals besitzen werden; aber da sie keine Industrie hatten, so fehlte ihnen alles, was man sich mit Geld verschaffen kann; sie lebten wirklich erbärmlich und elend.

Ich verstehe; nach Ihnen besteht der Reichtum im Besitz fruchtbaren Landes.

O nein! Die Tataren in der Ukraine haben eines der schönsten Länder Europas und es fehlt ihnen doch an allem.

Mit dem Wohlstand eines Staates verhält es sich wie mit den Talenten, die auch von der Natur und von der Kultur abhängen. So gründet sich der Reichtum auf Boden und Arbeit. Das reichste und glücklichste Volk ist das, welches den besten Boden bebaut, und das schönste Geschenk Gottes an den Menschen ist die Notwendigkeit, zu arbeiten.

Der wahre Reichtum eines Staats besteht nicht in Silber und Gold, sondern in der Fülle der Lebensgüter, er besteht in Industrie und Arbeit. Noch gar nicht so lange konnte man am La-Plata-Fluß ein spanisches Regiment sehen, dessen Offiziere alle goldene Degen trugen, aber keine Hemden und kein Brot hatten. Nicht weil das Geld, sondern weil die Industrie ums hundertfache gewachsen ist, sind wir, wie ich behaupte, hundertmal reicher als zur Zeit Hugo Capets. Reich sein heißt genießen. Nun genieße ich ein besser gelüftetes, besser gebautes, besser angelegtes Haus als das war, das Hugo Capet hatte. Man pflegt die Weinberge besser, und ich trinke besseren Wein; wir haben jetzt gute Fabriken; so sind die Stoffe besser, mit denen ich mich bekleide; dank den Fortschritten der Kochkunst ist meine Speisekarte erlesener als die aller königlichen Festschmäuse Hugo Capets. Er ließ sich in einem Karren von einem seiner Häuser zum anderen führen; ich in einem komfortablen feinen Gefährt, in dem ich etwas sehe ohne vom Wind belästigt zu werden. Also – nicht das Geld macht einen Staat reich, sondern der Geist, ich meine den Geist, der die Arbeit leitet.


ENDE


Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/kleine-philosophische-aufsatze-2437/28


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