Innenminister(ium) und das Problem mit der Wahrheit

in deutsch •  7 years ago 

Es ist kein Geheimnis, dass ich von unserem Innenminister De Maizière wie auch seiner Vorgänger-Misere nicht viel halte. Das liegt vor allem an seiner Ignoranz für alles, das nicht seiner Auffassung entspricht. Sein Vorgänger Schäuble war da auch nicht anders, das scheint Berufsvoraussetzung zu sein.

(Dies ist ein repost von meinem Hauptaccount. Ich werde ab jetzt Sprachengetrennte Accounts haben. Diesen hier für deutsche Texte, @lennstar für englische. Ein paar Artikel werde ich - wie diesen - doppelt posten damit es jeder mitbekommt. Folgt also diesem oder beiden accounts.)

Eines der letzten Themen, mit dem sich der Innenminister profilieren wollte, waren die sogenannten „Fake News“, die er als eine Bedrohung der Demokratie hinstellte.


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Doch wie ernst soll man einen Innenminister nehmen, der selbst „Fake News“ in die Welt setzt?
(Und wie ernst den #Qualitätsjournalismus der das nicht zum ersten Mal ungeprüft weitergibt und dem das erst später durch „nicht vertrauenswürdige Blogger“ auffällt?)


Twitter: kernpanik

Wir erinnern uns, dass der Innenminister vor wenigen Tagen voller Stolz verkündet hat, ein gefährliches Zentrum für extremistische Gewalt geschlossen zu haben. Nein, nicht die NSU-Terrorzelle 2, deren Akten werden noch geschreddert.

Viel gefährlicher, es handelte sich um eine linke Webseite, auf der sich Linksextreme zu „Besetzungen, Anschläge, Debatten oder Lohnkämpfe“ (linksunten Selbstbeschreibung lt. SPON) verabreden.

Wie viel Sinn es aus strafverfolgerischer Sicht macht, diese Webseite zu schließen statt sie zu nutzen um Täter auf frischer Tat zu ertappen, möchte ich hier nicht diskutieren.

Der springende Punkt ist die Fake-News – altdeutsch: Lüge – die der Bundesinnenminister danach in die Welt gesetzt hat: Dass bei den Organisatoren der Website (die als „Verein“ verboten wurde, weil mehr als eine Person daran arbeitet) diverse Waffen gefunden wurden: Sprühdosen, Handschuhe, Schlagstöcke, Böller, vier Messer, vier Zwillen und ein Elektroschockgerät.

Problematisch: Der Besitz keines einzigen dieser Gegenstände dürfte illegal sein.
Noch problematischer: Anders als vom Innenministerium gelogen wurden diese (teilweise) Waffen nicht bei den Betreibern von linksunten gefunden, sondern in einem öffentlich zugänglichen Gebäude, in dem sich die linksunten-Leute lediglich oftmals getroffen haben.

Da es aber nicht mal illegal ist, sich in einer Panzerfabrik zu treffen, dürfte das kaum für eine ernsthafte Anklage ausreichen. Hier wurde folglich absichtlich vom Innenministerium eine „Gewaltbereitschaft“ der Webseitenbetreiber durch Vorspielung falscher Tatsachen herbeigeredet, um die Hausdurchsuchungen bei den Betreibern, die ja auch (offenbar ohne gewünschtes Ergebnis) stattgefunden haben, zu legitimieren.

Aber warum sollte die Webseite eigentlich weg?

Wieder Zitat SPON:

Und Bekennerschreiben finden sich zuhauf auf "linksunten.indymedia", es geht darin um angezündete Autos von Polizisten, Diplomaten, Sicherheitsfirmen und Pegida-Anhängern. Um Anschläge mit Farbbeuteln, Brandsätzen, um Reizgas-Attacken auf Burschenschaftler und Prügeleien mit Rechtsextremisten

Mit anderen Worten, auf der Webseite gibt es Berichte über Straftaten. Wie in einer Zeitung, nur deutlich weniger neutral. Aber ist das illegal? Wohl kaum, es gibt ja auch Leute, die eine Menge Geld damit verdient haben, die Geständnisse von Mafia-Bossen in Büchern zu verarbeiten und die laufen immer noch frei herum.

Es kann sich also nur um den Versuch handeln, die Täter ausfindig zu machen, indem Daten der Plattform ausgewertet werden. Jedoch (SPON wieder):

Auf der Seite kann jeder Nutzer eigene Beiträge veröffentlichen, ein Team von Moderatoren sichtet die Artikel dann nach festgelegten Kriterien, zensiert Passagen oder entfernt Texte vollständig wieder aus dem Netz - Anonymität ist dabei das höchste Gebot der virtuellen Zusammenarbeit.

Die Webseitenbetreiber (und deren Logs, falls sie unerwartet welche haben sollten), wissen also selber nicht, wer die Verfasser der Texte sind.

Das ist übrigens recht normal für die übergeordnete Plattform Indymedia. Zur Erinnerung: Sie wurde ins Leben gerufen, um durch Augenzeugenberichte die Wahrheit über den G8-Gipfel in Genua zu verbreiten, da die Medien ungeprüft die Aussagen der italienischen Polizei (der u.a. wegen Indymedia inzwischen mehrfache Folter nachgewiesen wurde) über die Kämpfe übernahmen.

Mitarbeiter von linksunten De-Akkreditiert


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Besonders brisant wird der Fall durch seinen Zusammenhang mit den Ereignissen beim G20 in Hamburg:
Dort war einer ganzen Anzahl von Journalisten ohne Begründung die Akkreditierung nachträglich entzogen wurden.

Zumindest zum Teil hat da auch die Türkei ihre Finger im Spiel gehabt, einige dieser Reporter hatten sich zuvor nicht sehr freundlich über die Allmachtsfantasien des Pasches vom Bosporus geäußert.
Bei anderen ist schlichtweg unerklärlich, wieso dieser Akkreditierungsentzug erfolgte, sofern man nicht unterstellt, die Verantwortlichen beim BKA wären entweder totale Idioten oder täten absichtlich illegales.

Mit unter diesen Journalisten waren zwei, die offenbar bei linksunten mitarbeiteten, vielleicht als die oben benannten Moderatoren, und die sich sicherlich nicht lobend über die Staatsorgane bei diesem Gipfel geäußert haben.

Der Verdacht liegt also nahe, es hier entweder mit einer Retourkutsche bzw. einem „deutlichen Zeichen“ gegen unbequeme Leute aus dem linken Spektrum zu tun zu haben, oder mit einem Wahlkampfmanöver.


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Ich denke, die Motivation liegt für den Minister hauptsächlich beim Wahlkampfmanöver. Wahrscheinlich soll es ein Angebot an AfD-Sympathisanten sein, ein Zeichen, dass man auch in den schwarzen Parteien gegen die Linksextremen vorgeht.

In Sachsen-Anhalt hat die AfD mit teilweise Stimmen der CDU in dieser Woche eine Enquete-Kommission im Landtag durchgebracht, die den Linksextremismus untersuchen soll – insbesondere Verbindungen zur Zivilgesellschaft und Einrichtungen, die vom Staat (mit)finanziert werden. So ist zum Beispiel explizit genannt die Landeszentrale für politische Bildung, die für AfD-Augen wahrscheinlich zu viel über Rechtsextremismus informiert hat.
Ach ja: Die vierfach zahlreicheren Rechtsextremen soll diese Enquete-Kommission nicht ansehen, das wäre nach Ansicht der AfD Verschwendung.

Vor diesem Hintergrund erscheint mir ein Wahlkampfmanöver sehr wahrscheinlich.

Quelle: netzpolitik.org

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