Überraschung: Kritiker verstehen die Schwächen des Fiatgeldes nicht.
Spätestens seit dem vergangenen Jahr ist Bitcoin in aller Munde. Nachdem es 2017 noch mit einem Preis unter 1.000€ begonnen hatte, stieg der Wert über 2.000€ (Mitte Mai) auf gut 4.000€ (Ende August), und daraufhin immer rasanter bis auf fast 17.000€ kurz vor Weihnachten. Auch wenn sich der Preis seitdem gut halbiert hat, haben viele Marktbeobachter diese Rallye zum Anlass genommen, sich etwas genauer mit Bitcoin und der dahinter stehenden Blockchain-Technologie zu befassen. Im Zuge dessen nahmen die publizistischen Kommentare erwartungsgemäß zu und zur grenzenlosen Euphorie der frühen Investoren gesellten sich eine Reihe kritischer Stimmen, die von der Idee des dezentralen, staatenlosen und nicht-inflationierbaren Geldes nicht überzeugt werden konnten. Ziel dieses Artikels ist es, die Argumente Letzterer wiederzugeben und zu widerlegen.
Bitcoins inhärenter Wert ist gleich null
Dieses Argument erklärt sich mehr oder weniger von selbst. Bitcoin sei lediglich eine Abfolge von Einsen und Nullen in einem Computer, es stehe für nichts, verbürge nichts und habe daher auch keinen Wert. Wenn Sie in einer Diskussion mit diesen Argumenten konfrontiert werden, können Sie sich sicher sein, einen Menschen vor sich zu haben, der unser Geldsystem noch nicht einmal im Ansatz verstanden hat.
All diese Kritikpunkte ließen sich eins-zu-eins auf den Euro, den Dollar und jedes andere staatliche Zwangsgeld im Jahr 2018 übertragen. Keine staatliche Währung ist mehr gold- oder silbergedeckt, keine Währung verbürgt mehr den Besitz eines Edelmetalls im Speicher einer Bank. Das einzige, was beispielsweise dem Euro einen Wert verleiht, ist die Tatsache, dass die Staaten der Eurozone ihre Bürger zwingen, Steuern in dieser Währung abzuführen. Fiele diese Stütze weg, würden sich die geschröpften Untertanen sehr schnell solchen Tauschmitteln zuwenden, die nicht Jahr für Jahr an Wert verlören.
Die Menschen denken noch immer in Fiatwährungen
Ein anderes beliebtes Argument ist, dass sich Bitcoin nicht durchsetzen wird, weil die Menschen noch immer in jenen Währungen denken, die sie aktuell gebrauchen. Dass sie das tun, stimmt zwar, jedoch verkennt es den Prozess, in dem eine Währung (auf dem freien Markt) entsteht. Das Ausmaß, in dem sie von den Menschen angenommen und benutzt wird, wächst graduell und würde, sollte es je zu einem weltweit akzeptierten Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel werden, demnach auch Stück für Stück zu der Einheit werden, in der die Menschen finanzielle Werte bemessen würden.
Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Menschen, die Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptieren, weil sie planen damit in der Zukunft andere Güter und Dienstleistungen zu erwerben. Dass es in dem Markt auch viele Spekulanten gibt, die lediglich an den kurzfristigen Kursentwicklungen interessiert sind, ändert daran nichts – Im Gegenteil: Gerade sie sind es, die die Marktkapitalisierung von Bitcoin in die Höhe treiben und damit Anreize für Händler schaffen, die Währung als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Wir sehen also einen sich selbst antreibenden Positivkreislauf, der zwar mit einer gehörigen Portion Volatilität daherkommt, Bitcoin aber am Ende des Tages nur nützt.
Bitcoin ist ein Schneeballsystem
Wenn man einmal die oberflächlisten Einwände beiseite gewischt hat, wird in Diskussion rasch der Name Bernie Madoff aus dem Hut gezaubert. Wie sein Fonds, der dessen Anlegern in den Jahren vor der Finanzkrise zweistellige Renditen versprach, sei auch Bitcoin ein Kartenhaus, ein System, welches lediglich dadurch funktioniere, dass seine Anleger immer auf einen ominösen Käufer wetten würden, dem sie am Ende des Tages ihre Anteile zu einem noch höheren Preis verkaufen könnten.
Auch diese Kritik lässt sich auf Fiatwährungen übertragen. Nehmen wir einmal das Beispiels eines Jugendlichen, der den Rasen seines Nachbarn für 20€ mäht. Er tut offensichtlich nur, weil er eine Vorstellung davon hat, was er sich für diesen Betrag wird leisten können. Diese Güter bewertet er höher als die Zeit, die er zum Rasenmähen aufwenden muss. In anderen Worten: Er wettet darauf, dass er am Ende des Tages jemanden findet, der ihm für den Betrag mehr zurückgibt, als er dafür eingetauscht hat.
Durch Bitcoin nimmt die Privatsphäre nicht zu
Ein anderer Einwand ist der, dass das Bitcoin-Netzwerk die getätigten Transaktionen im Gegensatz zu anderen Finanzdienstleistern veröffentliche und somit keinen Zuwachs an Privatsphäre verspreche. Richtig ist: Bitcoin hat eine andere Herangehensweise an diese Frage. Normalerweise werden Transaktionsdetails nur an Absender, Empfänger und den Mittelmann (die Finanzinstitutionen, die die Transaktion durchführen, einschließlich deren Mitarbeiter) gesendet. Bitcoin dreht dies um: Die Transaktionsdetails sind öffentlich und das Konto ist (aus der Sicht von Außenstehenden) anonym.
Wenngleich beide Ansätze etwas für sich haben, ist es durch Bitcoin möglich geworden, die Bedeutung einer Überweisung zu verschleiern. Abgesehen von Käufer und Verkäufer, die offensichtlich wissen, warum sie die jeweilige Seite des Handels eingenommen haben, hat niemand auf der Welt einen Schimmer, wer hier Geld an wen gesendet hat – und warum. Im gewöhnlichen Bankgeschäft hingegen gibt es immer diese dritte Partei, die Absender und Empfänger einsehen kann und somit in der Lage ist, jede Überweisung in einem Kontext zu sehen. Potenziell trifft das auch auf den jeweiligen Gesetzgeber zu, der sich Zugang zu diesen Daten beschaffen kann.
Mit Bitcoin käme die Deflation – und damit der wirtschaftliche Stillstand
Anhängern der österreichischen Schule der Nationalökonomie wird dieses Argument nur zu vertraut sein. Wann immer man einen Verteidiger der Hauptstrom-Ökonomie mit der asozialen Natur der Inflation konfrontiert, ist dies deren letzter Zufluchtsort: Geldentwertung sei zwar nicht ideal und natürlich treffe es überproportional die Armen, was bedauerlich sei, aber ein Szenario, in dem ein Tauschmittel über die Jahre an Wert hinzugewinne (Deflation), sei doch ein noch größeres Problem.
Dazu etwas ökonomische Theorie: Legt man einen langen Zeithorizont zugrunde, hat die Geldmenge keine Auswirkungen auf die Variablen einer Volkswirtschaft (Arbeitslosigkeit, Investitionsquote usw.). Wenn sich das Vermögen aller Menschen in jener Wirtschaft über Nacht verdoppeln würde, würde das auf lange Sicht nur zu einer Verdopplung der Löhne und der Preise führen. Der Lebensstandard wäre nach wie vor auf demselben Niveau.
Dieses Gedankenspiel ist intuitiv und leicht nachzuvollziehen. Das gleiche gilt, wenn die Geldmenge über Nacht halbiert wird. Auf lange Sicht würden sich auch hier die Löhne und Preise anpassen, nur eben in die andere Richtung.
Nur was passiert kurzfristig? Was würde passieren, wenn in einer hoch verschuldeten Volkswirtschaft plötzlich die Preise fielen und die Schulden dadurch real an Wert gewönnen? Wäre nicht eine Negativspirale aus sinkendem Konsum, sinkenden Löhnen und stetig steigender Arbeitslosigkeit die Folge? Nein – zumindest nicht, wenn jene Preissenkungen vorhersagbar sind.
Die Anzahl der sich im Umlauf befindlichen Bitcoins kann auf Jahrzehnte im Voraus vorhergesagt werden. Wenn man also über diese Daten verfügt und weiß, wie stark das Preisniveau in den kommenden Jahren fallen wird, werden die Preise auf den Kapitalmärkten dies selbstverständlich auch widerspiegeln (Denjenigen, die sich besonders für diese Frage interessieren, sei hier die Lektüre von Guido Hülsmanns “Krise der Inflationskultur“ empfohlen).
Über Bitcoin schwebt das Damoklesschwert der staatlichen Repression
Kommen wir zu dem letzten Argument: Bitcoin erscheine aktuell nur so attraktiv, weil es sich noch immer die Anarchie des Marktes zunutzen machen könne. Sobald die ersten Gesetze auf den Weg kämen, würde sich dies rasch ändern. Darüber hinaus hätten Staaten die Möglichkeit, eine Extrasteuer auf Bitcoin-Gewinne zu erlassen, die so hoch wäre, dass sie noch jeden Gewinn auffräße.
Letzteres ist richtig und auf lange Sicht sicher die größte Gefahr für Bitcoin. Die kurzfristig orientierten Spekulanten verließen in einem solchen Szenario augenblicklich den Markt, die Marktkapitalisierung nähme stark ab und der Weg hin zu einem allgemein akzeptierten Zahlungsmittel schiene zunächst einmal versperrt zu sein – Die zuvor genannte Positivspirale würde zu einem Teufelskreis. Verbleiben würden lediglich jene Anleger, die Bitcoin aus ideologischen Gründen gekauft hätten.
Hierbei gilt es zu betonen, dass eine solche Maßnahme schon global durchgeführt werden müsste, um ihr Ziel zu erreichen. Solange es weiter Schlupflöcher gibt (und allem Anschein nach wird es die zumindest in Asien noch lange geben), werden Menschen, die von den monetären Experimenten ihrer Zentralbanken die Nase gestrichen voll haben, Fluchtwege für ihre Ersparnisse suchen. Dass das Überschreiten nationaler Grenzen dabei kein Novum darstellt, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es beim Kauf von physischen Edelmetallen schon heute gang und gäbe ist, diese nicht in den USA oder Deutschland zu lagern, sondern in Hongkong, Singapur oder der Schweiz.
Was in diesem Interregnum zwischen libertärer Innovation und staatlicher Unterdrückung also bleibt, ist Spannung. Werden Kryptowährungen auch weiterhin immer zwei Schritte vor den Staaten dieser Welt sein? Wie autoritär werden die Mittel sein, mit denen Letztere versuchen werden, den Gini zurück in seine Flasche zu stecken? Und ist der Bitcoin-Boom der Funke, der die Flamme der Freiheit auch unter „Millenials“ entzünden wird? Ohne Zweifel: Die kommenden Monate und Jahre werden diese Fragen beantworten.
(Dieser Artikel wird zeitnah auf ef-magazin.de erscheinen.)
Sehr guter Artikel.
Allerdings wird meiner Auffassung nach in Sachen Schneeballsystem und (angeblich) nicht vorhandenem intrinsischen Wert die Kritik NICHT widerlegt, indem ein Vergleich zu Fiat Money angestrengt wird.
Hier zählt für mich nur der Vergleich mit echtem Geld.
Wie schneidet der Bitcoin denn Deiner Meinung nach in diesem direkten Vergleich ab?
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Mit echtem Geld meinst du vermutlich Gold.
Da muss man selbst als BTC-Enthusiast zugeben, dass Gold dort die Nase vorn hat. Es lässt sich als Schmuck nutzen und wird von der Industrie nachgefragt - wenn auch, im Vergleich zu Silber, in geringen Mengen.
Mein positives Szenario für BTC ist daher auch, dass es Gold im Bereich der Wertaufbewahrung und der Absicherung vor Finanzcrashs Konkurrenz macht. (Der aktuelle Goldmarkt umfasst 7 Billionen Dollar, wir müssen nur auf 10% davon kommen und wären bei einem BTC-Preis von gut 50K.)
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Ja, genau das habe ich gemeint! ;-)
Es gibt ja den Ausspruch: Nur Au und Ag sind Geld, alles andere ist Kredit.
Aber seit es dem Bitcoin gibt, könnte dieser Satz eventuell auch nicht mehr ganz richtig sein. Es ist eben ein neuer "Player" auf dem Feld! ;-)
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Wettbewerb belebt das Geschäft ;)
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Schneeballsystem? Bei einem Schneeballsystem / Pyramidensystem gibt es immer einen oder eine Gruppe, der / die an der Spitze steht und kassiert. Und das System ist auch von Anfang an so gedacht und angelegt. Diese These ist zwar populär, aber totaler Bullshit.
Den Vergleich mit echtem Geld braucht Bitcoin nicht zu scheuen. Die ergänzen sich prima, und fur beide gilt: Ihre größte Stärke ist gleichzeitig ihre größte Schwäche. Es kommt immer nur auf die Umstände an.
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Du hast meine Argumentation offensichtlich falsch aufgefasst. :-)
Ich habe NICHT behauptet, Bitcoin sei ein Schnellballsystem. In Sachen Ergänzung gebe ich dir völlig Recht.
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Ausgewogen und informativ, danke!
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Bitte ;)
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