Kryptokolumne: Kann die Blockchain Google & Co. entmachten?

in deutsch •  6 years ago 

In den vergangenen Kolumnen haben wir uns vor allem mit der Blockchain zur Dezentralisierung von Zahlungen befasst. Doch die Technologie kann noch viel mehr: Nicht wenige Krypto-Enthusiasten sind der Meinung, blockchainbasierte Unternehmen könnten Internetriesen wie Google, Facebook oder Amazon den Rang ablaufen. Glaubt man etwa der Vision des Unternehmers Matteo Gianpietro Zago, der Blockchain-Start-ups fördert, wird die dezentrale Datenbank das Internet wieder zurück in die Hände der Menschen geben, indem sie alle relevanten Internetanwendungen dezentralisieren wird.

Eine Schlüsselrolle dürfte dabei die in der Kolumne in NEXUS 78 erwähnte Ethereum-Blockchain spielen, die das Programmieren von dApps, also dezentralen blockchainbasierten Apps, erlaubt. Doch auch andere Projekte wie EOS, Neo, Cardano oder das aus Aachen stammende Lisk realisieren mittlerweile ähnliche Ideen wie Ethereum. Die Vision der dezentralen Programme scheint um sich zu greifen, daher möchte ich in dieser Kolumne einige Bereiche vorstellen, in denen den Branchenriesen wie Amazon oder Google bereits heute dezentrale Konkurrenz heranwächst.

Messaging-Apps
Der klassische Weg einer WhatsApp-Nachricht geht durch ein Datencenter. Wenn Sie beispielsweise „Wie geht es Dir?“ an einen Freund schreiben, speichert ein Serverzentrum die Nachricht und leitet sie dann weiter. Der Haken ist natürlich, dass auf diese Weise Ihre gesamte Kommunikation nachverfolgt werden kann und dort auch gespeichert wird. Eine Alternative bietet etwa der auf der Ethereum-Blockchain basierende Status-Messenger. Er nutzt für die Verarbeitung Ihrer Nachricht nicht eine zentrale Serverfarm, sondern, wie bei der Blockchain üblich, ein ganzes Netzwerk von Computern. Das Wort „Wie“ wird dabei möglicherweise über einen russischen Computer weitergeleitet, das Wort „geht“ läuft über einen skandinavischen Netzwerkteilnehmer, das „es“ wird über die USA gesendet und so weiter. Auf diese Weise hat kein Netzwerkteilnehmer Ihre gesamte Kommunikation gespeichert, sondern nur einzelne Fragmente, mit denen alleine nichts anzufangen ist. Erst auf dem Handy Ihres Gegenübers setzt sich die Nachricht wieder zusammen. Der Grundgedanke ist wieder, dass die Daten nur in den eigenen Händen liegen und Drittparteien ausgeschlossen werden.

Datenspeicherung
Datenspeicherung soll, ähnlich wie bei der Messaging-App, von einigen zentralen Servern auf viele Computer verteilt werden. Die Daten werden dabei ebenfalls fragmentiert, sodass niemand außer dem Endnutzer auf die kompletten Dateien zugreifen kann. Beim Speichern von Bildern mag das noch nicht viel Sinn machen, aber beim Hosten von Homepages oder Großprojekten von Firmen, die möglichst günstig über möglichst viel Speicherplatz verfügen wollen, sieht das schon anders aus.

Diese Vorstellung steht natürlich im Gegensatz zur Zentralisierung der Daten auf großen Serverfarmen, wie etwa Amazon sie betreibt. Denn bei dieser Art der Datenspeicherung ist letztlich Amazon und nicht Sie Herr über die gesicherten Daten. Das Modell ist insbesondere deswegen interessant, weil es Wirtschaftlichkeit mit Datensicherheit und Dezentralisierung verbindet. Serverfarmen zu betreiben ist zweifellos teuer, wenn jedoch viele private Computer überschüssigen Speicherplatz zur Verfügung stellen, entstehen keine neuen Kosten, stattdessen aber mehr Privatsphäre. Zudem kann es für Privatnutzer auch finanziell interessant sein, ungenutzten Speicherplatz zu vermieten.

Stellvertretend hierfür stehen Unternehmen wie Storj. Hier können Sie selbst Datenspeicher freigeben und an das Netzwerk „vermieten“. Bezahlt werden Sie dafür in der unternehmenseigenen Kryptowährung „Storjcoin“ – auch ich habe auf diese Art schon den ein oder anderen Storjcoin dazuverdient.

Soziale Netzwerke
Was einmal auf der Blockchain ist, bleibt auch auf der Blockchain und kann von keiner dritten Partei mehr gelöscht oder verändert werden. Während auf üblichen sozialen Netzwerken unbequeme Nutzer oder Inhalte gesperrt werden können, ist dies auf einer blockchainbasierten Plattform nicht möglich. Werbung für Kryptowährungen zum Beispiel sind mittlerweile auf Facebook verboten. Auf dezentralen Plattformen wie etwa Steemit wäre eine derartige Zensur unmöglich – durch Nutzung der Blockchain schützt die Plattform vor übergeordneten Eingriffen. Auch Zugangsdaten werden auf der Blockchain gespeichert. Sollten Sie bei Steemit also Ihr Passwort verlieren, gibt es keine Drittpartei mehr, die es wiederherstellen könnte. Ein Vor- wie auch Nachteil liegt also in der Eigenverantwortung. Mit Aktivität auf Steemit lässt sich ebenfalls Ihr Geldbeutel füllen. Gezahlt wird für Beiträge oder Kommentare und Likes in Steem-Dollar, der plattformeigenen Digitalwährung. Anonymität scheint bei Steemit allerdings keine große Rolle zu spielen. Schon beim Registrieren ist es nötig, die Telefonnummer anzugeben und zu bestätigen.

Auch das NEXUS-Magazin nutzt mittlerweile Steemit. Sollten Sie die Plattform auch ausprobieren wollen, finden Sie uns unter https://steemit.com/@nexusmagazin.

Video-Streaming
Das, was für soziale Netzwerke gilt, kann auch auf Videostrea­ming-Plattformen angewendet werden. Durch die Natur der Blockchain können hochgeladene Videos auf Plattformen wie etwa D-Tube nicht mehr gelöscht werden. Auch hier soll der Willkür von Zensur vorgebeugt werden.

Dezentrale Handelsbörsen für Kryptowährungen
2013 gab es einen großen Hackerangriff auf Mt.Gox, damals eine der weltweit größten Handelsbörsen für Kryptowährungen. Jeder, der seine Digitalwährungen bei dieser Börse gelagert hatte, hat damals sein Geld verloren. Etwa 850.000 Bitcoins wurden erbeutet, der Bitcoin-Kurs brach von über 1.000 US-Dollar auf etwa 250 US-Dollar ein. Dies war ein Schock für die Kryptowelt, von dem sich sowohl die Szene selbst als auch der Bitcoin-Kurs nicht so schnell erholen sollten.

Der Coup gelang, weil alle Digitalwährungen – entgegen der ursprünglichen Idee – an einer zentralen Stelle abgelegt waren. Es gab damals ebenfalls Theorien, laut denen die Betreiber der Börse einfach selbst mit den Bitcoins verschwunden seien. Zumindest ist seitdem klar, dass auch Handelsbörsen für Kryptowährungen dezentralisiert sein sollten. Die Daten würden dann nicht auf zentralen Servern liegen und jeder User würde im alleinigen Besitz seiner Zugangscodes sein. Auch die dezentralen Handelsbörsen können also keine Passwörter wiederherstellen. Die Nutzer handeln direkt miteinander, ohne Mittelsmann. Hierfür entstehen immer mehr dezentrale Börsen wie etwa OpenBazaar, bei denen man auch keine Kundendaten angeben muss.

Wird dank der Blockchain alles gut?
Vieles davon hört sich zu schön an, um wahr zu sein. Der angesprochene Visionär Matteo sieht durch die Blockchain eine schöne neue Zeit des Internets auf uns zukommen, bei der die Macht von wenigen finanziellen Zentren auf viele Menschen verteilt wird.

Doch wie das Internet selbst ist auch die Blockchain ein zweischneidiges Schwert, was keineswegs verschwiegen werden darf. Sie eignet sich beispielsweise hervorragend als Überwachungsinstrument. Man stelle sich vor, sensible persönliche Daten oder Aktivitäten wären in einer Blockchain gespeichert. Ob die längst geänderte, aber früher online breitgetretene politische Meinung oder die peinliche Auseinandersetzung in sozialen Netzwerken: Die Blockchain vergisst nie, verzeiht also auch keine Fehler.

Außerdem findet die Technologie dort ihre Grenzen, wo einzelne Computer überwacht werden. Es mag sein, dass der genaue Verlauf von Finanztransaktionen oder die einzelnen Fragmente einer WhatsApp-Nachricht durch die Blockchain nicht mehr rückverfolgt werden können. Spätestens auf dem eigenen Computer oder Handy kommen die Daten aber wieder im Gesamtpaket an. Wenn eine zentrale Institution also Zugriff auf das Empfängergerät hat, spielt es keine Rolle mehr, wie gut der Weg dorthin verschlüsselt werden kann – es kann trotzdem alles mitgelesen werden.

Aufgrund der Vielzahl ihrer Einsatzmöglichkeiten ist ein Hype um die Blockchain entstanden. Gerade im Jahr 2017 wirkte es, als ob die Lösung jedes technischen oder gesellschaftlichen Problems darin bestünde, irgendein Programm auf eine Blockchain zu packen – die dezentrale Datenbank machte jedes Projekt hip und in, egal wie viel Sinn deren Einsatz im Einzelfall tatsächlich machte. Allzu leicht lassen sich Blockchain-Fans davon blenden und sehen eine goldene Zeit der Dezentralität auf uns zukommen. Wo die Blockchain aber wirklich effektiv und auch im Sinne der Menschen eingesetzt werden kann, wird erst die Zeit zeigen – man wird nicht umhinkommen, bei jedem Einzelfall genauer hinzuschauen.

Ihr Kryptokosmonaut,

Max

Mehr unter https://www.nexus-magazin.de/ Kryptokolumne.jpg

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Die Blockchain könnte natürlich den Markt komplett umwälzen und tut es aktuell ja auch schon. Leider sind die beteiligten Protagonisten die, denen Fiat-Money zur Verfügung steht. Eine Blockchain oder auch nur eine App dafür zu programmieren kostet Ressourcen, und wer diese hat, wird auch im Zeitalter der Blockchain das Sagen haben. Es wird sich einiges Ändern, aber ich habe es schon oft kommentiert: Weder der Cryptomarkt, noch die Blockchain sind unabhängig von Geldgebern und damit können die anvisierten Ziele (die Gründe, warum überhaupt die Blockchain-Technologie entstand) nie erreicht werden. Gab.ai war ein gutes Beispiel. Wenn den Mächtigen etwas ein Dorn im Auge ist, werden sie es plattmachen und die Blockchain hat keine eigenständige Power dagegenzuhalten, noch nicht.

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