Natürlich gibt es viele Argumente, wirkungsvolle und wirkungslose, um einen interventionistischen Krieg zu rechtfertigen, bzw. zu starten. Jede politische Anschauung hat ihre eigenen Argumente, die letztlich auf eine Kombination von Nutzen für uns und Nutzen für die Angegriffenen hinauslaufen, wobei letzteres meistens als moralischer verstanden wird. Diese beiden Bereiche werden unterschiedlich gewichtet, sodass totalitäre Systeme die Gewichtung auf Nutzen für uns und demokratische Systeme auf Nutzen für die Angegriffenen legen. Doch trotz aller Unterschiede finden sich immer beide Elemente in der interventionsbefürwortenden Rhetorik. Dies gilt auch dann, wenn ein Libertärer für eine Intervention eintritt. Wer nun denkt, dass dies nicht vorkommt, sollte an Gary Johnson und #kony2012 zurückdenken. Tatsächlich hat die Zeitschrift Reason in ihren Anfängen immer wieder libertären Kriegsbefürwortern eine Stimme gegeben.
Und hier möchte ich noch etwas tiefer gehen: Nicht nur unter Minarchisten findet sich der ein oder andere, der Argumente für einen Angriff finden kann. Sogar unter Anarchisten kommt dies manchmal vor. Wenn wir in die 80er Jahre zurückschauen, finden wir den Aufsatz „The Moral Basis of National Defense“ des Anarcho-Randianers Erick Mack. Wie kommt er nun darauf, den Krieg als moralische Möglichkeit gelten zu lassen?
Zunächst einmal geht er davon aus, dass der Staat aufgelöst werden müsste und alle seine Funktionen privatisiert werden müssten. Daher würde das Militär in einer staatenlosen Gesellschaft auch durch private Verteidigungsunternehmen ersetzt werden. Wenn nun ein Verteidigungsunternehmen auf verbrecherische Weise gegen jemanden vorgeht, kann ein anderes Verteidigungsunternehmen angeworben werden. Der erste Fehler den Mack nun begeht besteht darin, dass er dem Staat das gleiche Recht zuspricht, dies zu machen. Dabei blendet er zwei wesentliche Punkte aus.
- Wenn ein Staat einem anderen Staat den Krieg erklärt, überträgt sich dieser Kriegszustand auf alle Bürger beider Staaten. Ein Krieg zwischen zwei Verteidigungsunternehmen beschränkt sich nur auf die Mitglieder dieser Unternehmen. (Alles andere wäre selbst kriminell) Der Staat verletzt also die Rechte der Bürger eines anderen Staates, indem er ihr Leben und ihr Eigentum bedroht.
- Die Mittel die der Staat zum Krieg verwendet, hat er nicht auf legale Weise erworben, sondern durch Diebstahl. Die Menschen, die er im Krieg einsetzt, sind häufig nicht angeworben, sondern eingezogen worden. Die Waffen die der Staat verwendet sind nicht freiwillig finanziert worden, sondern mit Steuergeldern. Der Staat verletzt also auch die Rechte seiner eigenen Bürger, indem er ihr Leben und Eigentum bedroht.
Des Weiteren gibt es noch einen Fehler bei Mack. Die Grundlage hierfür bildet ein Problem, dass aus der Philosophie Rands resultiert, auch wenn sie es immer abgestritten hat. Selbsteigentum ist bei ihr weniger naturrechtlich begründet, als kontextuell. Wenn zwei Menschen am Ertrinken sind und nur eine Planke zu greifen ist, darf der eine den anderen ermorden, um sich selbst zu retten. Wenn das Militär eines Staates sich hinter seiner Zivilbevölkerung versteckt, darf ein anderer Staat diese Zivilbevölkerung töten, falls der Krieg zu seinem Nutzen nötig ist. Naturrechtlich gesehen muss man hier natürlich sagen: Das stimmt nicht. Mord ist nie gerechtfertigt, auch wenn er als Selbstverteidigung daherkommt. (Echte Selbstverteidigung, also dass ich wirklich nur den Aggressor ausschalte, ist natürlich naturrechtlich erlaubt)