Schönen Tag liebe Steemer!
Heute möchte ich etwas über die Herrschaftsform des Mittelalters erzählen. Fragen und Kritik einfach in die Kommentarleiste, danke!
Ansonsten viel Interesse beim Lesen!
Das Gottesgnadentum
„In nomine sanctae et individuae trinitate. Heinricus divina favente clementia Romanorum imperator augustus“ – Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Heinrich, durch Gottes wohlwollende Güte, erhabener Kaiser der Römer.
(Juni 1022)
Man sollte nicht meinen, das Gottesgnadentum wäre etwas gewesen, was bestimmten Personen bloß eine Berechtigung zum Regieren verschaffen hätte sollen. Nein, Gottesgnadentum geht in seiner Bedeutung und in seinem Anspruch weit darüber hinaus.
Das Urbild des alten Gottesgnadentums des Mittelalters bildet das Alttestamentarische Priesterkönigtum wie es in Salomon oder David zum Vorschein kommt. Gut zu erkennen ist das gesagte, am Beispiel der römisch-deutschen Kaiserkrone.
Zu sehen: die Reichskrone, 10. und 11. Jahrhundert. Im Bild zu sehen ist Christus auf dem Thron, flankiert von Erzengeln. Über ihm die Inschrift auf Latein: „Per me reges regnant.“- Durch mich herrschen die Könige.
Auf den anderen drei Bildplatten sind die Könige David, Salomo und Hiskija, sowie der Prophet Jesaja, abgebildet. Auch diese Darstellungen haben eine Bedeutung. David steht für Gerechtigkeit, Salomo für Weisheit, Hiskija und Jesaja für Frömmigkeit und Gottvertrauen.
Von den Tagen Konstantins an galt der Kaiser, als vicarius Christi – als Stellvertreter Christi auf Erden (gemeint ist Konstantin der Große, um 280- 337). Dem Gegenüber verstanden sich die Päpste bis ins 13. Jahrhundert als vicarius Petri – als Stellvertreter des Hl. Petrus.
Bei Konstantin und den römischen Kaisern die auf ihn folgten war der Anspruch jedoch noch überwiegend weltlich geprägt. Dabei war der Anspruch der, sowohl weltliches als auch geistliches Oberhaupt zu sein, eben ein Stellvertreter Christi. Man könnte für diese Zeit auch von einem Staatskirchensystem sprechen. Fachlich nennt man sowas auch einen Cäsaro-Papismus. Man siehe die Entwicklung der ökumenischen Konzilien. Dieser Anspruch war noch aus der antiken Tradition übernommen wonach ja die heidnischen Kaiser zugleich auch oberste Priester des Staates waren.
Quelle
Vision des Konstantin vor der Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312.
Im Frühmittelalter entspannt sich die Situation dann wieder, und das eigentliche Gottesgnadentum entsteht.
Zwar blieben die Herrscher weiterhin für alles weltliche zuständig, auch für die weltlichen Angelegenheiten der Kirche, doch dogmatische Entscheidungen wurden nicht mehr erzwungen wie das noch bei den Römern der Fall war. Doch außerhalb dieser Sphäre wurde durch die Weltlichkeit entschieden.
Der mittelalterliche Herrscher hatte bis ins Hochmittelalter hinein den Anspruch quasi „im Auftrag Gottes“ zu herrschen. Mit den Investiturstreitereien im 11. und 12. Jahrhundert zerbrach dieser religiöse Anspruch größtenteils. Den Todesstoß bekam das Gottesgnadentum im 13.Jahrhundert als sich die Päpste anschickten, für rund ein 3/4 Jahrhundert die Herren Europas zu geben. Hier wurde der religiöse Aspekt endgültig in die zweite Reihe verbannt.
Daher auch der spätere Verfall der Monarchie in einen Absolutismus. Bei ihnen blieb nur die Titulatur erhalten, ohne dass sie einen besonderen Anspruch untermauert hätten. Von nun an begannen die Herrscher, ihre Herrschaftsbefugnisse immer mehr aus rein weltlichen Quellen zu legitimieren. Daher auch die Verehrung Roms und seiner Kaiser. Den für neuzeitliche Herrscher war die Herrschaftsidee der Antike maßgebend!
Sehr schön wird ersichtlich was gemeint ist, wenn man die Auffassung von Staat im Mittelalter mit der Auffassung von Staat in der Neuzeit vergleicht. Das Mittelalter kennt, ursprünglich, keine innere Trennung von Staat und Kirche.
Und das hatte eine geschichtliche Ursache.
Quelle
St. Rupert erreicht das verfallene Iuvavum, das heutige Salzburg.
Als die antike Welt implodierte, war es die Kirche die die Menschen rettete, den andere Autoritäten gab es schlicht nicht mehr! Man muss sich das ja mal vorstellen wie das auch heute noch wäre. Kein Staat würde bedeuten, keine Polizei, keine Gerichte, keine Armee. Anarchismus würde nicht entstehen sondern Chaos.
Da es auch kein Recht mehr gab, denn, Staaten gab es auch nicht mehr, musste ein anderer Bezugspunkt gefunden werden, welcher so viel Anziehungskraft besaß, dass er die Menschen zu binden verstand. Und das war ausschließlich die Religion. Daher auch die enge Verbindung von Staat und Kirche, obwohl den Zeitgenossen sehr wohl klar war, dass es zwei Paar Schuhe sind. Denn Kirche ist, zuallererst, nicht eine Ansammlung von Ämtern, so wie man das heute irrtümlicherweise wahrnimmt. Sondern, Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen, aller Gläubigen. Diese Gemeinschaft verband den Herrscher mit dem Bettelmann, auf dieser Ebene sind sie alle gleich. Daher der Anspruch des Herrschers für seine Untertanen zu sorgen und sie zu schützen. Feudalstaaten haben einen ausgesprochenen Familiencharakter, wenn man so will.
Das steht im klaren Gegensatz zur Neuzeit. Den ab dem Hochmittelalter wurde den Herrschern auch klar, dass die Kontrolle über das moralische Walten der Untertanen ihnen deutlich mehr Macht einräumen konnte. Und die Moderne hat das noch einmal getoppt.
Macht korrumpiert eben immer!
Politisches Handeln im Mittelalter war immer zuerst auf die christliche Religion bezogen. Was der Herrscher tut, tut er eben nicht aus Machtvollkommenheit, weil es ihm gerade so einfällt oder weil er seine Einkünfte steigern will, sondern weil er sich als oberster Vertreter seines Staates fühlt.
Exkurs:
Hierzu ein paar Gedanken hinsichtlich des Themas Handlungen und Gesten.
In dieser Zeit sind Gesten extrem wichtig. Gesten und Handlungen, gerade von Hochgestellten, haben immer eine Bedeutung! Der Unterschied zu heute ist, dass uns das nicht mehr klar ist.
So ist z.B. jemanden zu begnadigen, nicht einfach nur ein Akt der Gnade in einem rein rechtlichen Sinn. Das ist es auch. Es drückt allerdings auch Barmherzigkeit, göttliche Gnade und Milde im Sinn von Tugenden aus. Dadurch wird der Hochgestellte zum Vorbild für seine Untertanen. Hier liegt auch der Grund für Zeremonien.
Er herrscht, weil er tugendhaft ist. In der Neuzeit herrscht er dann, weil es sein Recht ist.
Ich finde wir sollten mehr darauf achten WARUM jemand tut was er tut. Und zwar warum ER es tut, nicht was wir hineininterpretieren.
Einzig Gott verpflichtet. Aber auch seinen Gesetzen unterworfen. Daher ist auch die christliche Moral der Maßstab seines Handelns. Absolute Gewalt steht ihm nicht zu! Und an diesen Geboten musste er sich auch messen lassen, und konnte auch gemessen werden.
Nur so ist verständlich warum jede Herrschaft in dieser Zeit die Aura des Heiligen umgibt. Und warum Herrscher nicht einfach nur Herrscher sind, sondern weit mehr.
Erst das Hochmittelalter wird mit der Trennung von Kirche und Staat beginnen. Denn, wie heißt es schon im Alten Testament; „Alles hat seine Zeit“.
Als „libertas ecclesiae“, als Freiheit der Kirche und Investiturstreit ist diese Bewegung in die Geschichte eingegangen.
Doch dazu ein andermal mehr.
Vielen Dank für euer Interesse!
Parzifal