Deutsche Begriffe und Sprichwörter 003 - Der Musterschüler

in deutsch •  7 years ago  (edited)

06. Januar 2017

Unter dieser seit ziemlich langer Zeit ruhenden Rubrik möchte ich endlich wieder einmal einen Begriff vorstellen, der gerade im deutschen Sprachraum bekannt ist. Nämlich der des Musterschülers.

In anderen mir halbwegs oder besser bekannten Sprachen gibt es den Ausdruck auch, jeweils in direkter Übersetzung. In englisch gibt es den model/exemplary student und französisch den élève/étudiant modèle. Es gibt auch noch den Ausdruck des Primus, wobei primus in der lateinischen Sprache ein Adjektiv ist, das vorderst oder erstbest oder vornehmst bedeutet. In den romanischen Sprachen werden die Entsprechungen

Das Wort Muster ist auch nicht wirklich ein urdeutsches, sondern stammt aus der italienischen Sprache [1]. Das Substantiv mostra bedeutet Ausstellung oder Schau und stammt vom lateinischen Verb monstrare, welches zeigen oder weisen bedeutet. Synonyme für Muster sind Beispiel, Paradigma oder Probe.

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Das strahlende Musterbeispiel einer lächelnden Sonnenblume.
Eigene Aufnahme.

Als Minderjähriger hat man meist keine echte Wahl, wo man zur Schule geht, bei welchen Lehrern man welchen Unterricht geniesst, sondern man geht hin, konsumiert den Unterricht und schaut mal, wie die Arbeiten bei den Lehrpersonen ankommen. Im Erwachsenenalter wird die Auswahl grösser. Man wird mobiler, zieht möglicherweise von den Eltern weg, um in der Ferne bei einer prestigeträchtigen Firma eine Lehre zu absolvieren oder an einem Institut der Wahl zu studieren. Dasselbe gilt für weiterführende Ausbildungen, nachdem man seinen Beruf erlernt oder ein Fach studiert hat. Da kommt mehr Freiwilligkeit ins Spiel und es empfiehlt sich, sich Lehrer gezielt auszuwählen, so dass es einem auf dem weiteren Weg wirklich weiterbringt. Ich war vor allem in meiner Zeit als Schüler bis in die Oberstufe so etwas wie ein Musterschüler, allerdings zu einem gewissen Preis. Richtig arbeiten musste ich in der Schule kaum und es gab keinen wirklichen Antrieb sich herauszufordern und wenig Konkurrenz um ein hohes Level, das mir meine Zeit an der Universität doch um einiges hätte erleichtern können. Dort habe ich mich eigentlich gar nie wirklich zurechtgefunden, da ich einerseits stets sehr hohe Ansprüche an mich selbst stellte, alles schön machen wollte, aber es nur in lausiger Weise fertiggebracht habe, den Bewertungsraster des Instituts zu verinnerlichen.

Worauf ich jetzt noch hinaus will, ist etwas anderes, das in gewisser Weise auch zur Rubrik Persönlichkeitsentwicklung gehört. Auch wenn das Wort Musterschüler unmittelbar Beispielhaftigkeit, vobildliches Verhalten und Ehrgeiz suggeriert, so muss man feststellen, dass das Schülerdasein die Existenz von Lehrern bedingt. Lehrer sind die Personen, die Unterricht erteilen und die Arbeiten bewerten. Ein Musterschüler ist also nicht nur jemand, der fähig ist, qualitativ hochstehendes Beispielmaterial zu erstellen, sondern auch, Lehrern zu gefallen. Dass das ein kritischer Punkt ist, sollte sich von selbst verstehen. Denn, nicht jeder Lehrer ist eine sakrosankte Persönlichkeit, die sich nirgendwo irrt, völlig integer ist und gegen jede ideologische oder monetäre Korruption immun. Bei einem schlechten Lehrer Musterschüler zu sein, ist also keine echte Auszeichnung. Man kann Lehrern teilweise auch durch blinden Gehorsam gefallen, was einem im späteren Leben als Erwachsener in einer individualisierten Gesellschaft garantiert keine Hilfe ist.

Mir ist der Begriff Musterschüler schon öfter im politischen Kontext begegnet. Deutschland wurde in jüngerer Vergangenheit als Klima-Musterschüler bezeichnet [2]. Die Lehrer, die Klimawandeltheoretiker, teilweise hochdekorierte Physiker, sehe ich vor allem in einer Sache sehr skeptisch, weil sie den Plan verfolgen, sich ihre Massnahmen bequem über den Hebel von Gesetzen und mithilfe planwirtschaftlicher Massnahmen finanzieren zu lassen. Jemand, der es ehrlich meinte, würde sich das Geld auf dem freien Markt erarbeiten und eigeninitiativ Investoren zu gewinnen versuchen. Zu diesem Thema habe ich in meinem Blog auch einem Gegner der Klimawandelszene, den Atmosphärenphysiker Professor Richard Lindzen, einen Zitate-Artikel gewidmet [3].

Ein zweites Thema ist die soziale Absicherung. Während in vielen armen Ländern keine angesparten Reserven vorhanden sind, weil noch nicht da oder durch schlechte Finanzpolitik weginflationiert lasse ich mal dahingestellt, gibt es solche Reserven in vielen westlichen Ländern noch immer. Da ist es möglich, für eine gewisse Zeit auch über die Verhältnisse zu leben und von der Substanz zu zehren. Das ist der Grund, warum man im Westen ziemlich viel Sozialismus einführen kann, ohne dass es direkt zur Verarmung der Menschen und dem Zerfall der Infrastruktur kommt. In anderen Ländern ohne vorhandene Polster verhält sich das anders und die Konsequenzen sind viel rascher spürbar. Der Absturz des Staates Simbabwe unter dem seit kurzem von der Macht entfernten Diktator Robert Mugabe, ist ein einigermassen aktuelles Anschauungsbeispiel [4].

Im letzten Jahr ist mir auch ein Artikel zur Familienpolitik in der EU begegnet [5]. Der Titel lautete: Auch Musterschüler Deutschland hat noch Nachholbedarf. Nicht dass mir bekannt gewesen wäre, dass in Deutschland eine familienfreundliche Politik vorherrscht, bei derart hohen Steuersätzen ist das nahezu gar nicht möglich. Trotzdem wurde auf der Ebene der europäischen Union über ein Recht diskutiert, dass es den Bewohnern der Union ermöglichen soll, wenn sie Kinder haben, bis zu deren 12. Altersjahr in Teilzeitpensen arbeiten zu dürfen. Eine klassisch-sozialistische Idee, mindestens aus meiner Sicht. Man formuliert ein Gesetz oder gibt Menschen ein Recht, das ihnen möglicherweise gar nichts bringt. Denn, wenn die Massnahme nicht finanzierbar ist oder die Menschen in Teilzeitarbeit ihr Leben nicht finanzieren können, ist die ganze Massnahme sinnfrei. Bei derartigen Projekten und generell in zweifelhaften Dingen kann ich also gerne auf ein Dasein als Musterschüler verzichten.

In der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen steht im Artikel 26 geschrieben, dass jeder Mensch ein Recht auf Bildung habe. Das Problem ist, dass Bildung nur dann etwas Wert ist, wenn ihre Qualität einen gewissen Stand hat und sie einem danach im Alltag, Beruf und der Lebensgestaltung hilft. Einklagbar kann dieses Recht ohnehin nicht sein, da man keinen Lehrer dazu zwingen kann, einem entschädigungsfrei seine Zeit zur Verfügung zu stellen. Dass die Bildung auch im Westen längst nicht gut sein muss, zeigt die Tatsache, dass viele junge Menschen, ich gehöre da teilweise noch immer dazu, Schwierigkeiten haben, ihre Rolle als Erwachsene zu finden und ihr Leben eigenständig zu finanzieren, auch nach mehr als 10 Jahren Schule, Lehre, Studium usw. Ärmere Länder können ihren Nachwuchs teilweise nur eine handvoll Jahre unterrichten und dann müssen die jungen Menschen klarkommen. Ergänzend will ich sagen, dass ich jedem Menschen die bestmögliche Bildung wünsche.

In der Menschenrechtsdiskussion fände ich es stattdessen interessanter, würde man ein Menschenrecht zur Ablehnung schlechter Angebote einführen. Dass so etwas nicht in ganz jedem Fall umsetzbar ist, ist mir auch klar, das ist aber gerade im zuvor von mir genannten Fall auch nicht möglich. Wenn Länder wie die Sowjetunion, das frühe kommunistische China oder auch das Dritte Reich vor allem Gewalt, Unterdrückung, Hungersnot, schlechte Verwaltung bis hin zu Straflagern und Ermordung anzubieten hatte, hätte ein Grundrecht auf Ablehnung schlechter Angebote möglicherweise spannende Auswirkungen gezeigt.


[1] https://de.wiktionary.org/wiki/Muster
[2] Klimapalaver Faktencheck - Ist Deutschland Musterschüler beim Klimaschutz? Bayerischer Rundfunk br.de, 20. November 2015 http://www.br.de/klimawandel/klimagipfel-klimawandel-faktencheck-deutschland-musterschueler-100.html
[3] Zitate 021 - Richard Lindzen und die Wissenschaft. @saamychristen, 13. April 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/zitate-021-richard-lindzen-und-die-wissenschaft
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Simbabwe
[5] Auch Musterschüler Deutschland hat noch Nachholbedarf. Welt.de, 27. April 2017, von Sabine Menkens https://www.welt.de/politik/deutschland/article164079658/Auch-Musterschueler-Deutschland-hat-noch-Nachholbedarf.html
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte


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Ein Musterschüler in Deutschland ist auf jeden Fall etwas anderes als ein Musterschüler in China. :D

Danke für den Kommentar!
Eigentlich weiss ich das gar nicht so ganz. Wenn man den Prozentsatz ermittelt, zu dem man ein ideologisch geprägtes Weltbild vermittelt bekommt, ist es vielleicht gar nicht so verschieden... ;-)
Ich habe bisher nicht wirklich viel mit Chinesen zu tun gehabt, aber mitbekommen, dass man dort von Schwächen sehr wenig hält. Programme wie 'kein Kind zurücklassen' kennen die wohl eher im gegenteiliger Richtung. Aber gesellschaftlich haben es die Chinesen nicht ganz einfach, da sie Männerüberschuss haben [1].

Die Chinesen, die ich während des Studiums getroffen habe, die waren allesamt etwas eigen, würde ich sagen. Sie waren schon fleissig, aber wirklich kreativ waren sie nicht, eher Typ Auswendiglerner. In der Chemie ist das teilweise ziemlich hilfreich, etwa in der organischen Chemie, wo man sich mit Vorteil ein grosses Lexikon an Syntheseverfahren in den Kopf reindrückt. Ich hatte auch zwei chinesisch-deutsche im gleichen Studiengang, zwei Riesentalente, die kulturell aber ziemlich verwestlicht waren.

Ich gehe vielmehr in die Richtung vernetztes Denken. Dass ich mir einzelne Wissenspools anlege, nicht nur im Kopf, sondern auch schriftlich, dann versuche, mir das grössere Bild klarzumachen und dann an den Verbindungen arbeite. Da sehe ich aktuell noch einen Vorteil beim Menschen gegenüber Maschinen.


[1] Folgen der Ein-Kind-Politik : In China gibt es 34 Millionen Männer zu viel. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06. Oktober 2015, von Hendrik Ankenbrand http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/agenda/in-china-gibt-es-34-millionen-maenner-zu-viel-13841191.html

Denke auch, dass es wahrscheinlich unter der Ein-Kind-Politik so war, dass das eine Kind das man hatte, die Eltern repräsentiert hat. Mir hat mal jemand gesagt: Egal wie gut du etwas kannst, es gibt immer einen Asiaten der es besser kann als du. Wahrscheinlich ist es auch so, dass der Männerüberschuss zu Konkurrenz führt und damit zur Leistungssteigerung.

Interessanter Zeitungsartikel!

Die beiden Argumente, warum es ziemlich wahrscheinlich Asiaten gibt, die auch das besser können, was man gut kann, sind die folgenden:

  1. sie sind viele (1,4 Mia. Chinesen, 1,3 Mia. Inder, 125 Mio. Japaner, 75 Mio. Koreaner usw.)
  2. ist der durchschnittliche IQ gerade bei den Ostasiaten hoch. Man sagt, dass Ashkenasim-Juden den höchsten haben mit im Schnitt von ca. 115, dann kommen die Ostasiaten mit etwa 102-110 (Inder tiefer), die westlichen Länder 95-105, ich gehe davon aus, dass du solche Statistiken bereits kennst. Ich habe sie auch in einem Buch des nicht ganz unumstrittenen englischen Psychologen Richard Lynn gefunden.

Dass sie wirklich Druck haben, vorwärts zu kommen, ist ein wichtiges Argument, das aber beim Wohlbefinden auch Probleme auslösen kann. Auch das Argument mit dem Bezug zu den Eltern ist wichtig. In meiner Umgebung habe ich das Phänomen der Familiendynastien eigentlich sehr selten beobachtet. Also dass der Nachwuchs dasselbe lernt wie die Eltern und man so auch über Generationen hinweg etwas aufbaut. Bei Unternehmern vielleicht noch am ehesten, aber auch dort wird in der Regel nach der Lehre noch studiert. Bei Bauern ist es auch noch verbreitet, auch wenn der Trend zu grösseren Betrieben weiter anhält. Auch wenn der technologische Fortschritt bisweilen einiges an Änderungen bringt, so sehe ich in der Kontinuität auch einen Wert.