Finanzpolitik 006 - Daniel Stelter über das «reiche» Land Deutschland 3/4

in deutsch •  6 years ago  (edited)

03. Oktober 2018

Nachdem letzte Woche die Veröffentlichung der Transkription des zweiten Teils des Gesprächs mit Daniel Stelter [1] in die Zeit der Einschränkungen bei Steemit fiel, entschied ich mich mit der Veröffentlichung der beiden weiteren Teile zu warten. Das Video des Gesprächs [5]:


Teil 3 - Bildung, deutsche Wirtschaft, Migration

(20:17) - Andreas Franik

Ein paar Dinge, die Sie jetzt gerade schon mehrfach skizziert haben, sind durchaus als populistisch zu bezeichnen. Übrigens ist das eine Begrifflichkeit, die sehr gern auch für die Opposition, auch die ausserparlamentarische, in Deutschland verwendet wird. Wo kostet dieser Populismus der Bundesregierung Geld und vor allem, wer bezahlt das ganze, Herr Stelter?

(20:36) - Daniel Stelter
Einige Beispiele habe ich gebracht. Die Mütterrente und die Rente mit 63 Jahren, das ist alles Populismus. Da geht es um Wählerstimmen. Wir wissen einfach, dass die über 65-jährigen eine an Stärke zunehmende Wählergruppe darstellen. Das heisst, dort werden im Prinzip Geschenke verteilt, um zukünftige Wahlen zu beeinflussen. Das Kreuz soll an der richtigen Stelle gemacht werden. Ich finde auch die Art und Weise wie die Energiewende gemacht wurde kritikwürdig, denken Sie zurück. Da kam es in Fukushima (Japan, ab 11. März 2011 - Anm.) zu einem Drama [27]. Es gab ein Erdbeben und einen Tsunami, die dazu führten, dass in einem Kernkraftwerk ein furchtbarer Unfall passierte.

Unsere Kernkraftwerke liegen nicht in von Erdbeben gefährdeten Gebieten und Tsunamis sind dort, wo sie sich befinden, ausgesprochen unwahrscheinlich. Meine japanischen Freunde lachen darüber und betreiben ihre Kernkraftwerke weiter. Die sagen, bei uns gibt es einen Tsunami und dann schaltet nur ihr Deutschen ab. Es wurde gemacht, wir wissen alle warum, es war wegen der Wahl in Baden-Württemberg (27. März 2011 - Anm.) [28]. Frau Merkel wollte noch einige Stimmen für die CDU mobilisieren. Geklappt hat das nicht, aber wir alle bezahlen dafür.

Ich will damit nicht sagen, dass es richtig ist, Kernkraftwerke bis in alle Ewigkeiten zu verwenden, ich kritisiere den überstürzten Entscheid. Das Ergebnis ist, dass wir heute in Europa die höchsten Strompreise bezahlen. Im Schnitt kann man davon ausgehen, dass die Energiewende jeden Deutschen bis jetzt etwa 6'600 Euro gekostet hat. Diese ist nicht ausgegoren. Es gibt keine ausreichend vorbereiteten Stromnetze, um den Strom vom Norden in den Süden zu transportieren. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass wir das CO2 Emissionsziel nicht mehr erreichen. Das bedeutet, dass über alles gleichzeitig gesprochen wird. Ausstieg aus Nukleartechnik und Kohleverstromung, die Energiewende und so weiter. All das führt zu enormen Kosten und ist dazu nicht durchdacht. Gemach wurde es einfach nur aus Angst vor dem Wähler.

Ein anderes Beispiel war die 'Rettung' Griechenlands (Beantragung 3-jähriges Hilfspaket am 23. April 2010 - Anm.) [29]. Anstatt das systematisch vorzubereiten, wurde gewartet bis die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vorbei war (09. Mai 2010 - Anm.) [30]. Dann wurde in einer Nachtsitzung irgendetwas beschlossen, was im Ergebnis dazu geführt hat, dass die Deutschen den Grossteil der 'Griechenland-Rettung' tragen mussten. Wissen Sie, wen 'wir' da gerettet haben? Überwiegend französische Banken. Das muss man auch einmal sagen, wenn wir zuvor schon über Banken gesprochen haben. Deutsche Steuergelder haben also französische Banken gerettet, während die deutschen Banken im Wettbewerb eigentlich immer weiter verloren haben.

(22:37) - Andreas Franik

Wir haben jetzt schon viele Punkte angesprochen. Ich will einmal ein Zwischenfazit ziehen. Ihre Meinung dazu interessiert mich einmal mehr. Wir haben Energieversorger platt gemacht, teilweise kämpfen sie noch. Einstmals stolze, milliardenschwere Konzerne, mit Uniper SE [31] und Innogy SE [32] (beide 2016 gegründet - Anm.) haben wir jetzt quasi die Derivate davon.

(22:57) - Daniel Stelter
Es sind sozusagen die Endkämpfe der Verlierer, das ist ganz klar.

(22:59) - Andreas Franik

Dann haben wir die Banken, mit der überbordenden Regulierung, über die Marktkapitalisierungen haben wir bereits gesprochen. Wir haben die Automobilbranche mit Dieselgate [33]. Auch da lachen sich andere Staaten kaputt darüber, wie wir mit unseren deutschen Automobilkonzernen, unseren Leuchttürmen weltweit nach wie vor, umgehen. Dann haben wir noch etwas, ich gebe zu, jetzt wirklich vieles in einen Topf zu werfen. Nämlich haben wird den Flughafen Berlin Brandenburg [35]. Wir sind hier in Berlin und das ist ein Trauerspiel ohne Zweifel. Werden wir gerade Zeuge davon, wie sich die deutsche Wirtschaft peu à peu selbst ins Abseits stellt, beziehungsweise von der Politik ins Abseits gestellt wird?

(23:34) - Daniel Stelter
Ja, definitiv. Wir haben über das Thema Bildung gesprochen und erkannt, dass dieses Thema die Voraussetzung für eine gedeihliche Wirtschaft darstellt. Die Automobilindustrie ist ein sehr schönes Beispiel. Wir haben eine Automobilindustrie, die weltweit einmalig gut ist. Man kann wirklich sagen, dass sie technisch überlegen ist und das alte Produkt Verbrennungsmotor bis zur Spitze geführt hat. Mit allem drum und dran, den besten Getriebelösungen, so dass man sagen muss, herausragend.

Es gibt mit dem Elektrofahrzeug und dem Elektromobil einen technologischen Wandel. In der Technologie sind wir weit abgeschlagen. Die zugehörigen Patente liegen in China, Japan und den USA. Genau so verhält es sich auch mit dem selbstfahrenden Auto, auch dort sind wir, was die Patente betrifft, weit abgeschlagen. Das bedeutet, wir haben eine Industrie, die von einem erheblichen strukturellen Wandel steht und enorm gefordert werden wird. In diesen Wandel hinein dringt jetzt die politische Kampagne mit dem Diesel.

Ich muss ganz ausdrücklich dazu sagen, dass Betrug nicht geht. Es kam zu Bruch von Gesetzen, was gebüsst und hart bestraft werden muss. Den Betrug zu begehen war selten dämlich von der Industrie. Damit hat sie sich angreifbar gemacht. International wird das mit Freude aufgegriffen. Wenn die anderen Länder alle unsere Diesel kaufen, ist die Welt auch nicht gerettet, dann fahren sie einfach woanders herum, gerade auch die, die gerade hier aussortiert werden. Da muss man sich schon fragen. Bei uns werden die Luftqualitätismessungen direkt an der Strasse vorgenommen, in Griechenland irgendwo im Hinterhof. Das heisst, dass andere Länder mit der Sache ganz anders umgehen.

Ich betone, dass ich nicht behaupte, dass man die Umwelt bewusst schädigen soll, aber wir müssen schon aufpassen. Denn wenn wir jetzt auf unsere Kernindustrien derart einprügeln, dann schwächen wir einen ganz entscheidenden Faktor für den Standort Deutschland (und in der Folge gibt es für alles weniger Ressourcen, insbesondere für den Staat! Dies an die vielen Liebhaber des deutschen Rundumversorgungsstaates - Anm.). Das ist ein erhebliches Problem. Eigentlich sollten wir einmal einen Schritt zurückgehen und uns ernsthaft fragen, ob wir uns das leisten können. Ertragen wir es, wenn wir unsere Schlüsselindustrien noch einmal und damit zusätzlich schwächen zu diesem Zeitpunkt? Können wir gleichzeitig so viele Versprechen finanzieller Art für die Zukunft ausgeben? Können wir gleichzeitig in die Zukunft nicht investieren, wie wir es gerade tun?

Eigentlich zünden wir unsere Kerze gerade von allen Enden an, welche unseren Wohlstand repräsentiert. Es geht augenscheinlich darum, diesen zu reduzieren. Das ist ein Problem.

(25:37) - Andreas Franik

Dann haben wir noch das Thema Migration. Auch dieses Thema spielt in Ihrem Buch [6] eine Rolle. Dieser Tage wird das Thema sehr von der Tagespolitik getrieben. Ich möchte mit Ihnen, wenn wir schon immer wieder den ökonomischen Blick auf die Themen wagen in unseren Gesprächen, einen langfristig angelegten Blick auf das Thema tätigen. Oft wurde der Blick auf die Flüchtlinge und den Flüchtlingsstrom im Hinblick auf die alternde Gesellschaft durchaus als Glücksfall tituliert, wenn ich mich richtig erinnere. Auch in den Medien. Sie machen die Gegenrechnung auf. Wie sieht diese aus?

(26:06) - Daniel Stelter
Fangen wir an mit der Migration. Wenn Sie sagen, dass Migration eine Lösung für unsere Probleme sei.

(26:14) - Andreas Franik

Das sage ich nicht, ich habe Medien zitiert.

(20:00) - Daniel Stelter
Die Politiker sagen folgendes. Sie sagen, dass wir eine alternde Gesellschaft haben, die nicht ausreichend vorgesorgt hat. Wir haben nicht irgendwo einen Geldspeicher wie Dagobert Duck, mit dem für die Renten vorgesorgt wird, sondern die zukünftigen Renten gehen immer zulasten zukünftiger Steuer- und Beitragszahler, ganz einfach. Wir haben nicht vorgesorgt.

Die Politik hat darauf zwei Antworten. Die erste ist die, dass wir den Euro brauchen, um den Exportmarkt abzusichern. Deswegen brauchen wir diese Währung um jeden Preis. Wir haben das schon diskutiert, der Preis ist ein sehr hoher, wir bezahlen letztlich selbst dafür. Die zweite Antwort ist die, dass wir Zuwanderung bräuchten, um auf diesem Weg die Sozialsysteme weiterhin finanzierbar zu halten.

Nehmen wir an, dass wir das wirklich tun wollen. Welche Art von Zuwanderung muss dann erfolgen? Das ist ganz einfach. Die Zuwanderung muss im Schnitt dem entsprechen, was schon da ist. Die neu hinzukommenden Menschen müssen im Schnitt genau so viel wie die heute schon hier Lebenden verdienen. Wir brauchen die gleiche Anzahl Erwerbsbeteiligung, genau so viele dieser Leute müssen arbeiten und sie müssen im Durchschnitt so viel verdienen wie die bereits hier lebende Bevölkerung. Nehmen wir an, dass uns gelingen würde, das zu machen, dann müssen wir eines im Hinterkopf haben. Auch Migranten werden alt. Sie müssen sagen, wir werden bis in alle Ewigkeit immer unsere demographische Lücke schliessen, indem wir Menschen anlocken, die im Durchschnitt so viel verdienen wie die bereits hier Lebenden. Dann geht es ökonomisch auf.

Das Problem an der ganzen Sache ist nun, dass wir nicht die einzigen sind, die altern. Die Schweizer altern, Neuseeländer, Australier und Amerikaner auch. Das bedeutet, dass es global einen Wettbewerb um diese Leute gibt. Alle wollen möglichst die Leute bekommen, die mindestens so viel verdienen wie sie selbst, wie ich gerade dargelegt habe. Das heisst, dass es mathematisch nicht aufgeht. Die Japaner gehen einen anderen Weg, sie erlauben kaum Migration und setzen auf Automatisierung. Da setzen sie sich an die Spitze, weil sie darum wissen. Das Problem, welches Japan jetzt hat, hat in wenigen Jahren fast die ganze Welt. Das bedeutet, dass das Problem über Migration nicht lösbar ist.

Aber nehmen wir an, dass wir weiter den Weg über Migration gehen wollen. Dann bräuchten wir Migranten, die im Schnitt so produktiv sind wie die hier schon Lebenden. Ich wiederhole mich. Schauen wir uns jetzt an, welche Art von Migration wir tatsächlich haben. Da muss man feststellen, dass Deutschland schon seit Jahrzehnten, schon vor der 'Flüchtlingskrise', nie die richtigen Migranten angelockt hat. Wir haben einen überproportional hohen Anteil an Migranten, die weniger verdienen als es der Durchschnitt der hiesigen Bevölkerung tut. Andere Länder sind diesbezüglich besser. Denken Sie an die Schweiz oder die USA und an Länder, die wirklich in der Lage sind, Top-Talente aus der Welt anzulocken. Das gelingt uns nicht. Ein Top-Talent aus Indien oder der Türkei geht nicht nach Deutschland, sondern in die USA, gründet möglicherweise Firmen im Silicon Valley und geht dort seinen Weg.

Schon seit Jahren haben wir das Problem, dass wir die falschen Zuwanderer anlocken. Im Schnitt sind Zuwanderer bei uns ein Zuschussgeschäft. Das sind sie lange schon gewesen, schon vor der 'Flüchtlingskrise'. Da gab es Rechnungen von der Bertelsmann-Stiftung, die ganz klar gezeigt haben, dass das Finanzierungsdefizit bei einem Ausländer, wenn man es sich gesamtstaatlich ansieht, nicht nur die Sozialbeiträge, sondern auch zukünftige Rentenleistungen, zusätzliche Infrastruktur wie Schulen, Strassen, Polizei, alles miteingerechnet, deutlich höher ist als bei einem Deutschen.

Wir wissen auch folgendes, wenn man sich die Migranten im Kern ansieht, nach Migrationsgruppen aufgeteilt, dass beispielsweise Zuwanderer aus der Europäischen Union im Schnitt so viel verdienen wie Deutsche oder noch mehr, weil das überwiegend qualifizierte Zuwanderer sind. Die Zuwanderer von ausserhalb der EU liegen aber deutlich darunter. Besonders schlecht ist die Produktivität von Zuwanderern aus dem muslimischen Raum. Das muss man ganz offen so anschauen. Schauen Sie sich die Türkei an, fast 40 Prozent der Türken die hier bei uns leben sind armutsgefährdet. Bei Zuwanderern aus anderen muslimischen Ländern ist das noch stärker ausgeprägt. Diese bilden Bevölkerungsschichten mit einer deutlich geringeren Erwerbsbeteiligung und einem deutlich geringeren Einkommen. Im Prinzip sind diese Menschen ein lebenslanges Zuschussgeschäft und damit nicht in der Lage, das Problem zu lösen, welches wir eigentlich lösen wollen. Zul lösen ist die langfristige Finanzierung der Sozialkassen und diese Leute vergrössern das Problem.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Stelter
[5] Dr. Daniel Stelter: „Das Märchen vom reichen Land: Wie die Politik uns ruiniert“. Privatinvestor TV YouTube Kanal, 23. September 2018
[6] Das Märchen vom reichen Land: Wie die Politik uns ruiniert. Daniel Stelter, FinanzBuch Verlag, 2018 https://www.amazon.de/dp/3959721536/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_N0DQBb7AK056Q
[27] https://de.wikipedia.org/wiki/Nuklearkatastrophe_von_Fukushima
https://en.wikipedia.org/wiki/Fukushima_Daiichi_nuclear_disaster
[28] https://de.wikipedia.org/wiki/Landtagswahl_in_Baden-Württemberg_2011
[29] https://de.wikipedia.org/wiki/Griechische_Staatsschuldenkrise
https://en.wikipedia.org/wiki/Greek_government-debt_crisis
[30] https://de.wikipedia.org/wiki/Landtagswahl_in_Nordrhein-Westfalen_2010
[31] https://de.wikipedia.org/wiki/Uniper
https://en.wikipedia.org/wiki/Uniper
[32] https://de.wikipedia.org/wiki/Innogy
https://en.wikipedia.org/wiki/Innogy
[33] https://de.wikipedia.org/wiki/Abgasskandal
https://en.wikipedia.org/wiki/Volkswagen_emissions_scandal
[34] https://de.wikipedia.org/wiki/Flughafen_Berlin_Brandenburg
https://en.wikipedia.org/wiki/Berlin_Brandenburg_Airport


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