In meinem neuesten Aufsatz im Themengebiet Ideologien soll es um die Toleranz gehen. Ich bin als Naturwissenschafter auf dem Gebiet der Gesellschaftsforschung ein Laie, nehme mir aber trotzdem das Recht zur Veröffentlichung meiner Erkenntnisse heraus.
Toleranz ist ein Begriff, der im Kontext gesellschaftlicher Diskussionen sehr oft anzutreffen ist. Ich persönlich empfinde die Verwendung dieses Begriffes oft so, als möchten diejenigen, die ihn verwenden, die Toleranz als einen ganz besonderen Wert präsentieren oder hochhalten.
Die Herkunft des Wortes Toleranz liegt im Lateinischen, im Verb tolerare, respektive im Adjektiv tolerans. Auf Deutsch übersetzt bedeutet das Verb ertragen, dulden oder aushalten. Es spricht also unmittelbar die Leidensfähigkeit der Menschen an. In der westlichen und insbesondere der christlichen Kultur hat die Leidensfähigkeit eine grosse Tradition.
Im Christentum gelten Märtyrer, Menschen, die grösster Armut oder besonders widrigen Bedingungen getrotzt haben und trotz dieser Schwierigkeiten gläubig und im Vertrauen auf Gott ihren Weg gegangen sind, als Vorbilder und Heldenfiguren. Ich selber halte eine gewisse Fähigkeit, Ungerechtigkeiten oder Widrigkeiten zu ertragen, für essentiell. Jedoch sollen nicht die Leiden in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern die Möglichkeiten, die zur Verbesserung der schlechten Situationen verfügbar sind. Nicht das Perpetuieren des Leidens, sondern dessen Überwindung soll das Ziel sein. Herrscht nicht diese Haltung vor, kann es zu einer krankhaften Überhöhung des Leidens kommen und man könnte von einem Leidens- oder (Selbst-)Mitleidskult sprechen. Eine Neidkultur verorte ich im selben Schema, da meist nicht unbedingt die angeblich so vortreffliche Lage des beneideten angehimmelt wird, sondern viel eher die eigene wohl nicht besonders vorteilhafte Lage moniert oder sogar bejammert.
Nun aber zurück zum Begriff der Toleranz. Aus meiner Sicht ist die **Toleranz ** mitnichten ein Wert, sondern ein Resultat aus zwei möglichen Haltungen.
(1.) Man ist selber in seinen in seinen Überzeugungen gefestigt. Konkret bedeutet das, dass man die eigenen Werte, die man selber vertritt, nicht durch Zufall, sondern bewusst ausgewählt und für zutreffend befunden hat. Herauszufinden, was moralisch vertretbar, gut oder einfach nur wahr ist, ist einer der ganz zentralen Punkte, an denen ich bei der Entwicklung meiner eigenen Persönlichkeit gezielt arbeite. Religiöse Lehren oder institutionalisierte Glaubensrichtungen können in dieser Hinsicht einen ersten groben Rahmen abstecken. Sie entbinden einen aber nicht von der Verantwortung, die jeder einzelne Mensch für sein Handeln zu übernehmen hat. Ich möchte damit die Entwicklung von einem kindlichen Glauben an Dogmen hin zu einem erwachsenen Umgang damit beschreiben. Aus der Stärke einer gefestigten Persönlichkeit resultiert eine Sicherheit und einer innere Ruhe, die einem den missionarischen Eifer zur Bekehrung Anderdenkender oder -empfindender abschwächt. Man spricht sicher gerne über seine eigenen Beobachtungen und Erfahreungen und teilt sein wissen gerne mit anderen. Da man selber eine fundierte, starke Position einnimmt, ist die Existenz von Andersdenkenden keine unmittelbare Bedrohung, kann also ausgehalten werden. Eine Bedrohung von aussen oder ein Angriff muss also eine gewisse Intensität haben, um einen aus der Ruhe bringen zu können. Die Toleranz oder die Fähigkeit, andere Wertvorstellungen oder Prinzipien auszuhalten, resultiert also aus dem Bewusstsein, selber für positive Werte zu stehen respektive stehen zu wollen, da dies in Perfektion wohl keinem Menschen gelingt.
(2.) Man ist in seinen Überzeugungen nicht wirklich gefestigt, sondern hat - so wie es heute in westlichen Bildungseinrichtungen gepflegt wird - Toleranz als einen Wert vermittelt bekommen. Für mich ist das Verklären der Toleranz ein typisches Mittel des Herrschaftsinstruments politische Korrektheit. Dazu gehört auch ein egalitäres, kollektivistisches Menschenbild, welches aus seiner Natur heraus nie auf die optimale individuelle Entfaltung setzen kann. Die Toleranz gehört deswegen mit in die politische Korrektheit hinein, weil der Einzelne selber nicht wirklich selber darüber entscheiden kann oder darf, gegenüber welchen Dingen er Toleranz entgegenbringen soll und bei welchen er das besser lassen sollte. Über die politische Korrektheit als Herrschaftsinstrument habe ich schon Video-Abhandlungen veröffentlicht [1, 2]. In dieser Hinsicht wird der Einzelne, wenn er "tolerant" sein möchte, von externen Informationen abhängig gemacht. Die Richtung dieses Informationsflusses ist wie bei der politischen Korrektheit eindeutig definiert, er läuft von oben, der Herrschaft gebildet aus Regierung, Ministerien, Denkfabriken, Universitäten usw., nach unten zum Fussvolk. Dies bedeutet, dass die Sammlung aus Dingen, denen gegenüber die Menschen tolerant sein sollen, ziemlich rasch geändert oder modifiziert werden kann. Das passende Bild, das ein objektiver Betrachter dieses Mechanismus wohl verwenden würde, dürfte ein Marionettenspiel sein. Um in diesem Spiel freiwillig mitzumachen, ist ein nicht sehr ausgeprägtes Vertrauen in die eigenen Wertvorstellungen nötig. Um es mit anderen Worten auszudrücken, je mehr Gleichgültigkeit bezüglich eigener Prinzipien und Wertvorstellungen in einem Menschen vorhanden ist, desto weniger wird er die Fähigkeit besitzen, solche Mechanismen durchschauen zu können und eine Entfremdung von seiner ursprünglichen Prägung zu erkennen. Sollte einem Menschen nie erklärt oder klar geworden sein, dass es Dinge wie eine objektive Wahrheit oder ein universelles Naturrecht gibt, besteht die Möglichkeit, dass eine ursprüngliche Prägung kaum, in Fragmenten oder gar nicht existiert.
Aktuell ist mir bekannt geworden, dass es in einer Schweizer Stadt ein Kunstprojekt gegeben hat namens Ship of Tolerance [3], bei dem offenbar Kinder Stoffplakate zum Thema Toleranz gemalt haben. Einige dieser Plakate wurden in der Stadt aufgehängt. Andere bildeten das Segel eines Holzschiffs, das in seiner Gestaltung wohl kindlichen Vorstellungen des Bildes von Noah's Arche nahekommt. Kinder wachsen heute in Mitteleuropa, insbesondere in den Städten nicht monokulturell auf. Für die positive Interaktion untereinander ist es unabdingbar, dass dafür auch Regeln gelten, die alle unabhängig von ihrer elterlichen Prägung akzeptieren und einhalten. Mir ist nicht bekannt, wie in genanntem Kulturprojekt den Kindern der Begriff Toleranz vermittelt wurde, auch nicht wie man es sonst aktuell tut.
In meiner Schulzeit war es so, dass vor allem auf den Abbau sogenannter Vorurteile gezielt wurde. Wobei damals wohl die wenigsten die Essenz daraus wirklich verstanden haben. Die Essenz daraus ist nämlich, dass jeder Mensch als Individuum auf die Welt kommt und seine innersten Empfindungen wohl wirklich individuell sind, ansonsten aber sehr viel anerzogen wird, was man unter dem Begriff kulturelle Prägung zusammenfassen kann. Sehr viel von dem, was Menschen denken, entspricht also nicht unbedingt einer "menschlichen Natur", sondern ist anerzogen. Da menschliche Ideen wie der jeweilige Zeitgeist in der Erziehung weder perfekt noch umfassend sind, dürfen sämtliche anerzogenen Dinge auch hinterfragt werden.
Die Verklärung der Toleranz als einen Wert habe ich persönlich auch schon erlebt.
Ich habe kein grösseres Problem mehr damit, meine Ablehnung gegenüber Dingen, die ich persönlich für falsch oder moralisch verwerflich halte, öffentlich kundzutun. Ich wurde im Zuge solcher Aussagen schon mehr als einmal zurechtgewiesen, im Stile von: "Wenn du dies wirklich vertrittst, bis du überhaupt nicht mehr tolerant!"
Eine solche Aussage kümmert mich ehrlich gesagt wenig, soll aber den seltsamen Umgang in der Gesellschaft mit der Toleranz verdeutlichen. Wenn ich den Aufwand betreibe, meine Stimme zu erheben und etwas, was ich ablehne, für verwerflich halte oder eventuell nicht verstehen kann als solches bezeichne, tue ich das nicht aus der Absicht heraus, möglichst "tolerant" sein zu wollen, sondern aus dem Antrieb, meine eigenen Empfindungen und Gedanken zu äussern. Wie andere diese aufnehmen oder was sie damit oder daraus machen, ist mir zunächst einmal egal. Wobei es mir wichtig ist, meine Gegenüber zu einem gewissen Grad spüren zu können, um zu merken, was die eventuell interessiert oder was sie überhaupt nicht hören wollen. Werde ich angegriffen, müssen die Angreifer sich aber auf ungeschönte Aussagen von meiner Seite einstellen.
Anmerken kann ich dazu nur, dass ich selber nur sehr widerwillig Menschen harsch kritisiere. Kraftausdrücke, Beleidigungen und persönliche Angriffe liegen mir überhaupt nicht. Ich halte aber meine eigenen Beobachtungen durchaus für sinn- und wertvoll, teile die gerne mit anderen und freue mich über positiven Austausch. Mit der Tatsache, dass einige Menschen mich und meine Art nicht verstehen, muss ich, wie alle anderen Menschen auch, leben können. Ich weiss, dass ich mit meiner Art, meinen Aussagen und Taten bei anderen negative Gefühle bis hin zur Wut auslösen kann. Gleichzeitig behaupte ich aber, selber die geistige Reife und Offenheit zu besitzen, Widersprüche auszuhalten und mich in solchen Situationen auch nicht gezwungen fühle, Beleidigungen zu äussern oder in unkontrollierter Wut auszubrechen.
Abschliessend sei ein Beispiel erwähnt. Es geht um eine Szene aus einem Video (genaue Zeitangabe wird noch nachgeliefert). Der englische Journalist Graham Philips, der mit seinen Berichten von den ostukrainischen Separatisten bekannt geworten ist, war in München unterwegs [4]. Dort hat er verschiedene Menschen in seinem sehr gebrochenen Deutsch zur Politik von Angela Merkel befragen wollen. Unter anderem hat er eine Frau aus einer Gruppe Muslimas ansprechen wollen, die ihm sofort geantwortet hat: "My husband ist going to kill me", also "mein Ehemann wird mich umbringen". Sie hat nur diese Worte gesagt, nichts erklärt, weshalb sie sich offenbar in Todesgefahr befindet. Einerseits ist mir durchaus bewusst, dass in der muslimischen Welt die Frauen vorwiegend für das Innere des Hauses zuständig sind, für alles was nach aussen geht aber die Männer. Es könnte also sein, dass betreffende Dame einen Ehemann hat, der ihr jegliche Interaktion mir fremden Männern verbietet.
Aus meiner westlichen Sicht ergibt sich unmittelbar folgende Reaktion: "Was? Diese Frau geht eine Ehe mit einem Mann ein, der sie töten will, wenn sie mit einem Fremden ein Wort gesprochen hat? Das ist völlig absurd, idiotisch, dumm und hierzulande weder nötig noch akzeptiert! Sofort aufhören mit diesem Müll, weg mit dieser Sklaverei und hinaus in die Freiheit!"
Wenn sie diese Unterwerfung freiwillig wählt, erlaube ich ihr dies natürlich. Jeder darf sich freiwillig in den Zustand eines Sklaven begeben, sollte sich aber nicht wundern, wenn ihm dieser Zustand dereinst nicht mehr besonders gefällt. Über eine Aufhebung dieses Zustands muss aber in jedem Fall mit der gewählten Obrigkeit verhandelt werden, die auf eine derartige Absicht zur Befreiung auch negativ und mit Härte reagieren kann. Wäre die Entscheidung zur Ehe wirklich freiwillig gefallen, würde sie wohl nicht angsterfüllt wie eine Unterdrückte sagen, dass sie getötet würde, wenn sie sich auf den Dialog einlässt, sondern dass sie einfach nicht mit fremden Männern spricht. Sie könnte auch selbstbewusst sagen, dass dies ihrer Überzeugung entspricht. Eindeutig handelt es sich dei dem verlinkten Video um ein spontan gefilmtes, nicht um ein einstudiertes. Sehr viel in diese kurze Aussage hineinzuinterpretieren dürfte deswegen auch nicht gerechtfertigt sein. Werde ich spontan auf etwas angesprochen, antworte ich auch meist anders, als wenn ich vorher darüber nachgedacht habe.
In der westlichen Welt werden, noch nicht seit langer Zeit, Partnerschaften und Ehen vornehmlich freiwillig eingegangen. Da ich ein eindeutiger Befürworter der Gleichstellung der Geschlechter bin, halte ich die freiwillige Partnerschaft oder Ehe für einen positiven Wert. Ich kann mir eine erfüllende Partnerschaft auch nur vorstellen, wenn die Interaktion auf gleicher Augenhöhe abläuft. Beide Partner sollen zu gegebener Zeit führen dürfen, respektive sich auch einmal führen lassen. Es fällt mir deswegen eindeutig schwer, erzwungenen Ehen oder dem Lamentieren von in erzwungenen Ehen unterdrückten Frauen oder auch Männern etwas abzugewinnen, gerade auch im Rahmen einer erwarteten Toleranz.
[1]
[2]
"Nach meinem Empfinden hat die AfD sich nie rassistisch geäussert, also rassenideologisch Menschen fremder Ethnien beschimpft." saamychristen
.....und der Planet Erde ist eine Scheibe.
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