06. November 2017
Über die vergangenen Jahre scheinen sich Terroranschläge und Amokläufe nach der 'Flaute' in den späten 1980er bis gegen Ende 1990er wieder zu häufen. Es vergehen öfters nur wenige Tage von einer Schreckensnachricht zur anderen. Manchmal sind es durchgeknallte, wahnsinnige Einzeltäter. Manchmal Leute, die sich mit einem teuflischen Plan an der Menschheit rächen wollen, die ihnen vielleicht tatsächlich grosses Leid angetan hat. Mal sind es Gruppen, die sich auf eine Ideologie berufen und deswegen Jagd auf Menschen machen, gezielt auf ausgesuchte Menschen oder scheinbar wahllos. All das ist schon vorgekommen. Unter Terroranschlag verstehe ich persönlich alles, was dazu geeignet ist, Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung zu verbreiten. Das Wort Terror stammt aus der lateinischen Sprache und bedeutet Furcht und Schrecken.
Die jüngsten grösseren Anschläge, die auch im Westen beachtet und wild diskutiert wurden, waren die beiden Anschläge in den USA, in Las Vegas NV am 01. Oktober 2017 [1] und in Sutherland Springs TX [2] am 05. November. Wer sich global umsieht, wird erkennen, dass seit mindestens 15 Jahren mit Abstand die meisten Terroranschläge in den notorisch krisengeschüttelten Länder im Nahen Osten stattfinden, namentlich Afghanistan, Irak und Syrien [3]. In diesen drei genannten Ländern ereignen sich solche Gewalttaten seitdem der Niedergang oder der letzte Krieg begann - teilweise leider unter tatkräftiger Hilfe aus dem Westen - in wöchentlicher oder gar täglicher Regelmässigkeit statt. Für eine Zivilgesellschaft ist das sicherlich kaum zu ertragen.
Bei vielen Anschlägen wird in verschiedene Richtungen herumtheoretisiert und spekuliert, was wohl dazu geführt hat, inwiefern der oder die Täter gestört waren, wie sie ihre Hilfsmittel erwerben konnten usw. Auch zum Thema Waffen wird immer wieder viel geschrieben und gesprochen, was nicht gerade von Kompetenz erfüllt ist. Da es in nahezu jedem grösseren Land 100'000e Menschen gibt, die entweder Militär- oder Polizeidienst geleistet haben, auch im Westen, sollte es normalerweise nicht schwierig sein, Sachverständige aufzutreiben. Trotzdem werden gerne Mythen und auch falsche Tatsachen verbreitet. In diesem Post möchte ich deswegen mal das darlegen, was ich als Laie, der 10 Monate Militärdienst in der Schweizer Armee vorweisen kann, über das Thema Anschläge und Waffen weiss. Wenn es um Naturwissenschaften geht, ist bei vielen Medienerzeugnissen die Wissensbasis auch nicht grösser, auch wenn man sich heute nur schon mit den Inhalten bei Wikipedia englisch und deutsch in kurzer Zeit auf ein einigermassen annehmbares Level bringen kann.
Ich bin sehr dafür, dass man die Wahnsinnstaten auf dieser Erde auch spekulativ und breit diskutiert, allerdings sollte man nicht den Blick für die wesentlichen Dinge verlieren. Ganz wichtig sind die Gründe, wie überhaupt jemand dazu kommt, einen Anschlag, ein Attentat oder einen Amoklauf zu begehen. Eine solche Tat ist aussergewöhnlich und kann daher kaum im Affekt begangen werden. Dafür braucht es Vorbereitungen. Dass man gerade als Mann, insbesondere als Jugendlicher, wenn man keinen Zugang zu Erfolgserlebnissen hat, auch anfällig auf Gewaltphantasien ist, will ich in keiner Weise bestreiten, sondern anerkenne ich als Realität. Auch dann, wenn man ein gutes Gespür für Gerechtigkeit hat, stösst man beim Erwachsenwerden immer wieder an seine Grenzen. Ansätze, um grassierenden Egoismus, Narzissmus und weitere Persönlichkeitsstörungen zu heilen, sehe ich in der Aussenwelt und Massengesellschaft kaum, eher sehe ich die Förderung dieser Krankheiten.
Aus der Sicht der Politik können Anschläge nicht nur Hypothek und Herausforderung sein. Terror kann auch zur Einschüchterung der Bevölkerung und deren Spaltung genutzt werden. In der Geschichte wurden schon sehr viele Völker von den eigenen Herrschern brutal unterdrückt. Der amerikanische Historiker Rudolph Joseph Rummel hat nur die Opfer des 20. Jahrhunderts durch Demozid auf mehr als 260 Millionen Menschen summiert [4]. Wer sich wie ich gerne etwa mit der Russischen Geschichte beschäftigt, dem kommt immer wieder das nackte Grauen, wie krass eine nicht lernwillige, nicht evolutiv denkende, oft gar ideologiegetriebene politische Führung sein kann. Dass sich politische Führung längst nicht immer an moralisch wertvollen Grundsätzen orientieren ist eine Tatsache. Das heisst aber mitnichten, dass hinter jedem Überfall oder hinter jeder Wahnsinnstat politische Absichten stecken müssen. Ob dem so ist, muss in jedem einzelnen Fall bewiesen werden.
Zum Thema Attentat in der Kirche von Sutherland hat der bekannte Autor und Videomacher aus dem alternativen Bereich, Tilman Knechtel, ein Video veröffentlicht [5], in dem er sich mindestens aus meiner Sicht eher in Abenteuerlichkeiten verirrt. Allerdings hat er gesagt, dass er auf seinem zweiten Kanal eher mal eher wenig aufgearbeitete Videos veröffentlichen möchte, um wieder mehr mit seinem Publikum in Kontakt sein zu können. Ich habe dazu kommentiert und möchte diesen Kommentar in verbesserter Leserlichkeit hier veröffentlichen:
Lieber Tilman
Ich kann nur auf meine Erfahrung auf 10 Monate Soldatendasein im Dienst bei der Schweizer Armee zurückgreifen. Echte Einsätze gab es nur im Bereich des Objektschutzes unter Kommando der Polizei, bei dem die Waffe zwar stets inklusive einem vollen Magazin dabei war, aber nie zum Einsatz kam. Ich werde das schreiben, was ich von Waffen weiss, etwas neues oder Geheimnisse werden sich darin nicht befinden, es ist alles unbedenkliche Information, die man auch beim Schauen von Filmen wie etwa dem Scharfschützen-Klassiker Shooter mitbekommt. Aber es kann nützlich sein, um ein paar Mythen der weit verbreiteten Sorte auszuräumen. Was ich noch vorausschicken will, ist die Tatsache, dass ich selber bei weitem kein Waffenfreak bin und auch kein Fanatiker, sondern freiheitlich denkend und von christlicher Ethik überzeugt. Das einzige, was mich vielleicht ein bisschen "geschädigt" hat, ist das Zocken von Taktik-Shooter-Games.
Um mit einer Waffe in kurzer Zeit viel Schaden anzurichten, ist wichtig, dass sie einigermassen grosse Magazine hat, die einfach zu wechseln sind, am besten ohne aus der Aktionsposition herausgehen zu müssen und dass die Waffe automatisch nachlädt, also halbautomatisch funktioniert. Dass man nicht wie bei einem Jagdgewehr oder einer Schrotflinte im Pumpgun-Stil selber repetieren muss. Einmal abdrücken gleich ein Schuss und das in hoher Frequenz. Dazu sollte das Kaliber nicht zu klein sein, wenn die Wirkung tödlich sein soll. Je nach Einsatzdistanz verwendet man bekanntlich unterschiedliche Munition. Mit der Einstellung Seriefeuer kann man in der Regel nicht vernünftig operieren. Die Streuung wird bei wenig geübten Schützen in der Regel so gross, dass man damit höchstens dann Erfolg hat, wenn man wie ein komplett Durchgeknallter in eine Menschenmenge hineinfeuert. Auch geübte Schützen, man kann sich dazu vielleicht NavySeals-Videos auf YouTube [6] anschauen, benutzen Seriefeuer in Kombination mit Nebel und dergleichen vor allem beim schnellen Rückzug oder wenn es richtig heiss zu und hergeht und man etwa ein kleines MG (z.B. M-60 oder M-249) für den Feuerschutz verwendet.
Also, um gezielt zu schiessen, nimmt man Einzelschuss. Gerade mit modifizierten Zielvorrichtungen wie etwa einem Rotpunktvisier, wie es auf dem Bild im Video wohl zu sehen ist, kann damit sehr schnell werden. Allerdings müssen solche Modifizierungen jeweils im Vorfeld eingeschossen werden. Kaufen und loslegen geht nicht. Für einen Sachverständigen, z.B. einen ehemaligen Soldaten, stellt das aber kein Problem dar, wenn er einen Schiessplatz dafür hat. Ob der Schaft modifiziert war, weiss ich nicht. Die Waffe war gemäss den Angaben eine modifizierte SR-556 [7], eine der zahllosen Abwandlungen der AR-15. Als Munition kommt dabei die klassische NATO-Sturmgewehrmunition 5,56 x 45 mm zum Einsatz. Deren Durchschlagskraft wurde im offenen Kampf etwa gegenüber der der AK-47 7,62 x 39 mm oft bemängelt, gerade auf kurze Distanzen und gegenüber Wehrlosen sollte das Zeug aber sehr tödlich sein. Aufgrund des kleineren Kalibers sind die Waffen auch einfacher zu schiessen, die Rückmeldung in Form des Rückstosses fällt spürbar geringer aus. Die Geschosse kommen bei den Gewehren im Gegensatz zu Pistolen mit viel höherer Geschwindigkeit aus den Mündungen und verfügen deswegen auch über eine viel höhere Energie. Das beim Sutherland Springs Texas Anschlag zum Einsatz gebrachte SR-556 Modell ist auch mit dem grösserem Sturmgewehrkaliber erhältlich, als SR-762.
Vor einigen Wochen habe ich anlässlich eines Videos von Alexander Benesch [8] mal Beispiele zur Geschossenergie errechnet. Hier möchte ich meine Rechnung als Tabelle darstellen. Alle Daten sind nur ungefähr richtig, Abweichungen um 10-20 % dürften im Bereich des Möglichen liegen. Die Daten habe ich aus den Wikipedia-Seiten [9-13]. Die Geschossenergie errechnet man folgendermassen, einfache Physik:
Typ Munition | mGeschoss [g] | vMündung [m/s, km/h] | EGeschoss [J] |
---|---|---|---|
9 x 19 mm | 7 | 350, 1'260 | 430 |
11,4 x 33 mm (.45 Colt) | 15 | 300, 1'080 | 675 |
5,56 x 45 mm (.223 Remington) | 4 | 900, 3'240 | 1'620 |
7,62 x 51 mm (.308 Winchester) | 10,5 | 800, 2'880 | 3'360 |
8,6 x 70 mm (.338 Lapua Magnum) | 16 | 900, 3'240 | 6'480 |
Aus der Tabelle lässt sich leicht erkennen, dass die Geschossenergien und damit die Zerstörungskraft und Reichweite vor allem bei den Gewehren richtig gross werden. Mit Pistolen kann man vor allem über kurze Distanzen effektiv und zielgerichtet agieren. Gewehre taugen über grössere Distanzen, aber kaum für zielgerichtete Aktionen in einer Menschenmenge, da die Projektile in der Regel Menschen, aber auch Bäume und andere nicht besonders starke Materialien durchdringen können. Noch grössere Kalibern werden bei der Grosswildjagd oder bei Scharfschützengewehren verwendet. Das letzte Beispiel ist ein modernes Sniper-Kaliber, mit entsprechend vorbereiteten Patronen kann man damit auf Distanzen bis zu 1'500 Meter stationäre Ziele treffen. Der Schütze erfährt beim Abfeuern einer solchen Waffe wesentlich mehr Rückmeldung an der Schulter, als es bei einem Sturmgewehr der Fall ist. Schrotflintenmunition habe ich in der Tabelle nicht erwähnt. Diese gibt es in einer riesigen Vielfalt.
Die Ausführung des Anschlags ist eine andere Sache. Mir sind bisher noch nicht viele Kirchensäle begegnet, die sich für so etwas wirklich eignen würden. Sowohl kleine, als auch grosse Kapellen. Es gibt da durchaus auch Auflagen zu Fluchtwegen und Notausgängen, die einzuhalten sind. Generell kann ich mir kaum vorstellen, dass jemand einen Anschlag an einem Ort durchzieht, den er nicht zu nahezu 100 % kennt. Wie die angegriffen reagieren ist dann auch noch so eine Sache, die wohl kaum jeder für sich beantworten kann. Denn, die meisten Menschen kennen diese Extremsituation nicht, ich auch nicht und ich bin nicht unglücklich darüber. Natürlich wird man etwa beim Militär dahingehend geschult, einen Gefahrenherd zu neutralisieren, ob das einem in einem solchen Fall gelingen würde, Panik einer Menge von Unbewaffneten in der Kirche, ist höchst fraglich. Die Wahrscheinlichkeit, Schussverletzungen zu überleben, dürfte auch mit zunehmender Zahl Verletzter abnehmen, da es nicht unbegrenzt möglich ist, diese genügend Rasch mit der nötigen Hilfe zu versorgen. Je abgelegener der Ort, umso schwieriger wird es.
Mit freundlichem Gruss.
Herzliche Grüsse auch an alle Leser hier, für einmal mit einem wirklich grenzwertigen Thema.
[1] https://en.wikipedia.org/wiki/2017_Las_Vegas_shooting
https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_Las_Vegas_2017
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_in_Sutherland_Springs_2017
https://en.wikipedia.org/wiki/Sutherland_Springs_church_shooting
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_terrorist_incidents
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_terrorist_incidents_in_October_2017
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_terrorist_incidents_in_November_2017
[4] Frieden 001 - Opfer im 20. Jahrhundert! @saamychristen, August 2016 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/frieden-001-opfer-im-20-jahrhundert
[5] Massaker in Texas: Ist diese Opferzahl überhaupt möglich? TrauKeinemPromi2, 05. November 2017
[6] https://www.youtube.com/results?search_query=navy+seals+engage
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Ruger_SR-556
[8] Warum Waffenverbote auch nach Vegas nichts bringen. Alexander Benesch YouTube Kanal, 07. Oktober 2017
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/9_%C3%97_19_mm
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/.45_Colt
[11] https://de.wikipedia.org/wiki/5,56_%C3%97_45_mm_NATO
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/7,62_%C3%97_51_mm_NATO
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/.338_Lapua_Magnum
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