05. Mai 2017
Gestern habe ich einen Vortrag kommentiert [1], der von einem Menschen gehalten wurde, den ich für äusserst intelligent und kompetent halte, Rahim Taghizadegan. Einerseits ist es schön, wenn sich jemand wie er nicht einer riesigen Beliebtheit erfreut, so ist er Angehöriger einer Nische und entsprechend zugänglicher für ähnlich gesinnte. Andererseits könnte ich geradezu weinen, wenn ich immer wieder sehe, welche bornierten Gestalten sich anstelle davon grosser Popularität erfreuen. In meinem heutigen Text will ich mich deutlich mit der von Taghizadegan sehr eindrucksvoll präsentierten Fähigkeit zur klaren, nüchteren Analyse und der geistigen Offenheit auseinandersetzen. Warum? Weil genau in dieser Hinsicht bei vielen angeblich angesehenen Menschen sehr wenig davon vorhanden ist.
Echte geistige Offenheit sehe ich aktuell in der mainstream-medialen und politischen Öffentlichkeit vor allem bei Leuten, die sich über Jahrzehnte einen Namen in Sachen Freiheitlichkeit erworben haben, niemandem mehr etwas beweisen müssen und wegen vorhandener Beliebtheit nicht einfach angreifbar sind. Dazu gehören auch Unternehmer, ich habe neulich zweimal über den Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz geschrieben. Ansonsten sehe ich die Spezies derjenigen, die nach unten treten, aber nach oben buckeln eindeutig in der Mehrheit, was für eine eigentlich oder ursprünglich offene Gesellschaft in Gänze negativ zu sehen ist.
Fast überall, insbesondere im Fernsehen, beobachte ich Menschen, die mit den meisten aktuell stattfindenden Ereignissen überfordert sind und kaum dazu fähig zu sein scheinen, wertvolle Aussagen zu tätigen und mir wichtig und richtig erscheinende Inhalte zu liefern. Zum Glück habe ich mir mittlerweile eine ganze Reihe von Namen von Menschen und Blättern gemerkt und notiert, die mir genau das bieten. Eine enge Filterblase lasse ich mir definitiv von keinem andichten, der noch nie über ein Paar Wochen mit einer bohrenden, kognitiven Dissonanz konfrontiert war.
Auch bezüglich der prophetischer Ausblicke dominieren in Medien, Politik und Wissenschaft negative bis apokalyptische Einschätzungen, die angesichts der meiner Generation verordneten, unfassbar grossen Zahlungsverpflichtungen wohl auch nicht besonders angenehm werden dürfte. Allerdings weitgehend nicht durch Klimawandel und Umweltzerstörung, sondern durch ideologische Verbohrtheit in der Politik, Absicherungswahn ohne die geringste Weitsicht und Konsumverliebtheit. Dazu ist beeindruckend, wie nahezu flächendeckend Menschen fertiggemacht werden, die einen Wandel des Systems herbeiführen wollen, insbesondere wenn dieser freiheitlich und nicht sozialistisch geprägt sein soll und die Nichtbezahlung alter Schulden beinhaltet, was angesichts der Wahlfreiheit jeder Generation absolut legitim ist. Um mich tiefer zu verpflichten, hätte man mir einen Generationenvertrag schon ausformuliert zur Unterschrift vorlegen müssen.
Für sehr beeindruckend halte ich die Tatsache, dass heute in Stelleninseraten oft mit guten, erstklassigen und reichen Sozialleistungen Werbung gemacht wird, was eigentlich nur heisst, dass mehr Geld als nötig in erzwungene Sozialsysteme gesteckt und in rechte-Hand-linke-Hand-Spielchen wie Staatsanleihen investiert werden, zu Ungunsten der Freiheit und des privaten Vermögens des Einzelnen. Wer ein bisschen freier denkt, kann in Sachen mehrfacher Vorsorge - Rente, BVG und dritte Säule, respektive Riester Rente - auch einen geschickten Plan der Staaten vermuten, stets eine einigermassen definierte, hohe Neuverschuldung gegenüber den eigenen Bürgern eingehen zu können, die dann wiederum zwangsläufig zu niedrigen, staatlich gedrückten Zinsen bei Schuldenhöchstständen und Anpassungen nach unten bei Pensionen für spätere Pensionäre führen müssen. Wer das damals vor und bei der Einführung nicht abschätzen konnte oder wollte, ist für mich ein Heuchler oder einer, der keine Lust hat, Dinge zu durchschauen.
Wer sich ein besonders schlimmes Beispiel an Unfähigkeit von Intellektuellen ansehen möchte, die praktisch alle nur schon daran scheitern, die Verhandlungstechnik und die taktischen Spielchen eines Donald Trump einigermassen nachvollziehen zu können, der kann sich die Sendung Maischberger vom Mittwoch 03. Mai 2017 [2] ansehen, die ich nicht bis zum Ende angesehen habe. Nicht dass ich ein Verehrer oder grosser Fan Trumps wäre, bin ich nicht, aber ich habe seit mehr als einem Jahr seine Wahlchancen hoch eingeschätzt. Seine Prinzipien und Strategien hat er mehrfach in Büchern dargelegt und er geht auch - seitdem er Präsident ist - in dieser Weise vor. Er ist keiner, der von Anfang an den Kompromiss sucht, sondern einer, der aufs Ganze gehen will und dann abwartet, ob er damit durchkommt oder wieviel er tatsächlich herausholt. Dass er damit Leute empört und ausgebremst wird ist also völlig normal. Welche Taktik, aufs Ganze zu gehen und Grenzen auszuloten einerseits oder andererseits sich von Anfang an kompromissbereit zu zeigen, final ein besseres Ergebnis ergibt, ist im Vorfeld alles andere als klar. Ich bin selber meistens zurückhaltend und diskret. Aber ich kann kaum aufzählen, wie oft ich schon Leute forsch bis frech auftreten sehen habe, die trotz empörter Reaktionen 100 % herausholen konnten.
Dass es Intellektuelle lieber sehen, wenn wie bei Hillary Clinton auf von vornherein unerreichbare Perfektion geschliffen wird, die sie nicht im geringsten liefern konnte, leuchtet mir irgendwie ein. Es sieht organisiert, professionell und fokussiert aus. Nur, ist das so schwer zu verstehen, dass das gegen einen auf vielen "Schlachtfeldern" gleichzeitig agierenden und sehr angriffslustigen, lebendigen Gegner kaum ausreichen kann? Insbesondere im Sport habe ich schon oft Aussenseitersiege gesehen, wenn sich der angeblich überlegene, übermächtige Einzelsportler oder Mannschaften augenscheinlich wenig mit ihrem Gegner beschäftigt haben und deswegen überrumpelt werden. Nichts dem Zufall zu überlassen, heisst so gut und flexibel zu sein, dass man sein Ding erstklassig umsetzt und mit allem Unvorhergesehenen rasch und noch überzeugend umgehen kann. Es heisst nicht, in seinem eigenen Stil Perfektion anzustreben zu wollen, weil gerade darin eine grosse Gefahr besteht, dass man bei der Arbeit an der Perfektion zu viel Zeit verliert und die Vitalität verloren geht [3]. Für Menschen, die sich das Denken in dynamischen Mechanismen gewohnt sind, ist das alles andere als überraschend.
Genau diese Menschen, wie sie in verlinkter Talkshow auftreten, sind für mich dafür mitverantwortlich, dass die europäischen Gesellschaften in naher Zukunft wohl unkontrollierbaren Zentrifugalkräften ausgesetzt sein werden, weil keine Einigung und kein Entgegenkommen in Aussicht gestellt wird. Dazu sind in Sachen Einwanderung die Fronten jetzt schon verhärtet, mit meines Erachtens fast unbegrenztem Eskalationspotential, welches ich ausdrücklich nicht befördern möchte. Es wird gespalten und ausgegrenzt, Freiheiten abgebaut und ohne je eine vernünftige, zukunftsfähige Vision propagiert zu haben, immer gleich wenig vorausschauend weiter gemacht und dies noch als qualitativ hochstehend verkauft. Als ob das nicht genug wäre, wird dann auch noch behauptet, man wäre grossartig tolerant. Fragt sich nur gegenüber wem und worin der Wert von Toleranz besteht, wenn man selber eigentlich nur damit beschäftigt ist, nichts positives aufzubauen und bestehende Werte zu zerstören.
Das angesichts des, wie ich finde, fast überall galoppierenden Wahnsinns als Kommentar am besten geeignete Zitat eines meiner Chemieprofessoren, dessen Identität ich hier nicht preisgebe, mag ich noch heute ganz besonders, weil es absolut zutrifft:
"Was auf diesem Planeten ganz eindeutig exponentiell zunimmt, ist der Schwachsinn! Nicht das Wissen!"
Mit Menschen, die mich in Schemata drücken woll(t)en hatte ich kaum je viele Gemeinsamkeiten, auch wenn ich nie ein extremer Aussenseiter war. Es war eher so, dass sich Konformität für mich, mindestens in meiner Analyse kaum je positiv auf meine Stellung oder meine Akzeptanz ausgewirkt hat. Deswegen sehe ich in ihr auch keinen Wert, den sehe ich vielmehr in der Eigenständigkeit. Ich komme privat mit vielen Menschen besser aus, seitdem ich mir in vielen Dingen ein geschärftes Profil zugelegt habe. Da ich mich nicht für einen Aktivisten oder Agitator, geschweige denn für einen naiven Fanboy halte, habe ich in letzter Zeit erleben dürfen, dass ich mit einer ziemlich nüchtern-analytischen, aber klaren Sprache zwar mehr polarisiere, aber auch mehr Sympathien ernte, gerade weil ich meine Ansichten meistens unaufgeregt darlege.
Meine Arbeiten aktuell, insbesondere auch die im Internet zielen vor allem darauf ab, meine Konkurrenzfähigkeit und Kompetenzen weiter zu vergrössern. Es ist bekanntlich nicht so, dass ich über perfekte Deutsch- und Englischkenntnisse und geniale Fachkenntnisse in den Bereichen, über die ich schreibe, verfüge. Die Reaktionen hier auf Steemit und Google+ auf meinen Schreibstil und meine Textinhalte waren bisher in einem Masse ohne Herumkritteln und -mäkeln ausgekommen und zuallermeist sehr positiv, wie ich es nicht gewohnt bin. Ich bin darüber ausgesprochen positiv überrascht.
[1] https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/ideologie-028-rahim-taghizadegan-ueber-oesterreichische-schule-und-neoliberalismus
[2] Maischberger - Trump, Le Pen & Co: Sind die Nationalisten entzaubert? Das Erste. 03. Mai 2017
Sandra Maischberger, Thomas Roth, John Kornblum, Markus Feldenkirchen, Roger Köppel, Anja Kohl, Gregor Gysi.
[3] Der Totalschaden - Hillary Clinton wurde nicht amerikanische Präsidentin. Warum? Ein neues Buch gibt Antworten. Sie sind nicht lustig. bazonline.ch, 29. April 2017, von Markus Somm, Chefredakteur