Politik 045 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 2

in deutsch •  7 years ago  (edited)

09. Oktober 2017

Am Ende des ersten Teils [1] dieses Artikels war die Dresdner Frauenkirche zu sehen. Aus gutem Grund, denn in der Fortsetzung soll die Rolle der Kirche, vor allem der Amtskirche, im politischen Diskurs etwas näher betrachtet werden. Einleitend kann ich sagen, dass ich Mitglied einer Freikirche bin, die in Deutschland ihre Wurzeln hat und sich aus meiner Sicht glücklicherweise nicht am politischen Diskurs beteiligt. Ich halte mich persönlich in keiner Weise für einen Dogmatiker, habe aber das Bedürfnis, immer wieder eigene Erkenntnisse auch in kontrovers diskutierten Themenbereichen zu veröffentlichen.

Für mich ist die Kirche vor allem eine Organisation, die auf die Glaubensinhalte und Langfristigkeit ausgelegt ist. Sofern es ein lebendiges Gemeindeleben gibt, ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich dort Menschen aller Altersgruppen versammeln und deswegen auch ganz unterschiedliche Bedürfnisse präsent sind. Aus diesem Grund sollte eine Kirche nicht jeden kurzzeitigen Ausdruck des Zeitgeistes mitmachen, sondern auf Evolution bedacht sein. Dinge, die sich im Alltag bewähren, sollte man auf jeden Fall prüfen und, wenn sie nach reiflicher Überlegung für gut befunden worden sind, auch innerhalb der Kirche gelebt. Auf diese Art und Weise bremst man diejenigen, denen die «Modernisierung» nicht schnell genug gehen kann, zwar ein, kann aber den Konservativen und Vorsichtigen auch eine Heimat bieten. In gemeinschaftlicher Hinsicht, möchte ich sagen, kann man in einer Kirche einiges lernen, weil man bei den meisten Projekten darauf schauen muss, verschiedenen Altersgruppen und Interessen irgendwie gerecht zu werden, ausser natürlich wenn die Zielgruppe im Voraus abgegrenzt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob man mit Religion etwas anfangen kann oder nicht. Ich habe dazu am Ende des Artikels noch eine Handvoll Bibelstellen angegeben, sollte sich jemand dafür interessieren.

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Turm des Ulmer Münsters [13], mit 161 Metern Höhe noch immer der höchste Kirchturm weltweit. In diesem Jahr habe ich den Turm bestiegen, was den Aufwand von 768 Stufen in zumeist engen Wendeltreppen nötig macht. In der vollen Ansicht lässt sich die weit oben gelegene Galerie auf 143 Metern Höhe erkennen. Eigene Aufnahme.


Ausserhalb der Kirche, in der ich Mitglied bin, sehe ich die grosse Kirchen, die je nach Land auch nicht völlig vom Staat getrennt sind und sich, vielleicht deswegen oder weil es traditionell so ist, politisch nahe an Regierungsansichten orientieren. Wenn ich die Sache richtig beobachte, geht es in dieser Hinsicht weniger um die einzelnen Gemeinden, als vielmehr um die Ausrichtung der Kirchenleitung, der Kirchenräte oder wie immer das heisst. Mir persönlich gefällt das nicht, aber ich bin das auch nicht gewohnt. Dasselbe gilt für die ausgeprägte Nähe von Kirche zur Sozialdemokratie und sogar der Sympathie zum Sozialismus. Es ist kein Mythos, sondern eine erwiesene Tatsache, dass die Kirchen im real existierenden Sozialismus wenig zu lachen hatten und Christen verfolgt und unterdrückt wurden [2]. Die meisten sozialistischen Bewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts begriffen sich als eindeutig nicht- bis anti-christlich. Wie man trotzdem dazu kam, in diese Richtung zu tendieren, ist für mich nicht nachzuvollziehen. In den sehr religiös, römisch-katholisch gebliebenen osteuropäischen Ländern Polen, Slowakei und Kroatien dominiert deswegen auch nicht die sogenannt moderne Ausrichtung der Kirche, sondern eine ausgeprägt konservative. Diese Menschen wurden im Sozialismus bestenfall geduldet, eher unterdrückt und gegängelt, das heisst sie haben Leid und Ungerechtigkeit ertragen müssen, haben sich in ihrem Glauben zurückgezogen und nach dem Ende der Unterdrückung das weitergelebt, was sie vorher verstecken mussten. Das ist mir zwar auch zu sehr rückwärtsgewandt, was auch für nahezu alle mir bekannten Evangelikalen in den USA gilt, wobei ich in dieser Hinsicht beileibe kein Sachverständiger bin.

Aus dieser Vorrede sollte ich nun zum Punkt kommen, denn man kann diesen politischen Konflikt auch in den mitteleuropäischen Ländern beobachten. Insbesondere mit dem Aufkommen von neuen, rechtsgerichteten politischen Bewegungen bekommt er neuen Schwung. Für mich ist auch klar, dass mit der Erweiterung der Europäischen Union um ehemalige Mitgliedsländer des Warschauer Paktes und der Sowjetunion der Begriff der europäischen Integration [3] nicht mehr nur für die Gründungsmitglieder gilt, sondern auch für die später hinzugekommenen. Deren Interessen und Bedürfnissen muss auch Rechnung getragen werden, auch wenn im Westen vielleicht geglaubt wird, dass man via eine stattliche Menge an Hilfsgeldern in die östlich gelegenen Länder deren Zustimmung im politischen Prozess bereits gekauft habe. Ich habe zum Zweck des besseren Verstehens auch ein Buch eines erzkonservativen slowakischen Christen, Mathematikers und Politikers gelesen, welches unter dem Titel Die Löwen kommen auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Geschrieben wurde es von Vladimír Palko [4]. In diesem Sommer kam ich auf einer Bahnfahrt mit einer Slowakin in meinem Alter ins Gespräch. Sie stammte aus der Hauptstadt Bratislava, dem nur wenige Kilometer von Wien entfernten Zentrum der Slowakei. Sie meinte, dass man sich in ihrem Umfeld durchaus über den überzogenen Konservatismus von Leuten wie Palko lustig mache und es ihr durchaus etwas mafiös vorkommt, wenn antikommunistische Ikonen wie ein Jan Carnogurski [5] aktuell aus Enttäuschung von den Christdemokraten im Westen oder was von ihnen übrig ist, eine Kehrtwende in Richtung Moskau vollziehen. In diesem Jahr wurde bei Arte eine Dokumentation über neue rechte Bewegungen in Osteuropa gesendet und deren seltsam anmutende Nähe zu Russland. Ich habe Ende März darüber berichtet [6]. Über den ökumenischen Weltkirchenrat und dessen politische Ausrichtung gibt es einen Aufsatz eines Nico Breuer aus dem Jahr 2012, der unter dem Titel «Der revolutionäre Weltkirchenrat - Ökumenismus oder Ökommunismus?» erschienen ist [7].

Für mich geht aus meinen Recherchen in den letzten Jahren eindeutig hervor, dass die Christenheit im Moment alles andere als eine Einheit darstellt, sondern sehr heterogen ist. Das verhielt sich wohl die meiste Zeit so, seit das Christentum überhaupt existiert gab es Differenzen. Was mir allerdings zu denken gibt, ist die Art, wie aktuell untereinander gekämpft wird. Es wird viel mit Ausgrenzung, Diffamierung, Unterstellungen und Schlagworten gearbeitet, eigentlich wie in der Politik. Dazu kommt, dass es einige sich christlich nennende Glaubensgemeinschaften und Gläubige gibt, die sich wie ich finde blindlings weg von ihren etwas konservativeren Mitgläubigen bewegen und sich dem Islam andienen, der nachweislich andere Ziele verfolgt, als das Christentum, auch wenn es in seiner hauptsächlichen, der sunnitischen Prägung keine ähnliche hierarchische Organisation gibt, wie in der römisch-katholischen Kirche. Das Wort «Islam» bedeutet wie vielerorts fälschlicherweise nicht Frieden, sondern Hingabe im Sine von Unterwerfung. Natürlich kann man auch mittels der Unterwerfung einen temporären Frieden generieren, meiner Erwartung und Vorstellung von Frieden entspricht das einerseits nicht, andererseits hat es sich schon oft gezeigt, dass ein Frieden besonders dann brüchig ist, wenn eine Partei bei dessen Herstellung massiv benachteiligt wurde.

Zum Thema Christentum in Deutschland werde ich noch einen dritten Teil benötigen. Durch den Aufstieg der AfD hat sich da einiges an Unruhe breitgemacht, zu der ich einige Zeilen veröffentlichen möchte. Eigentlich wollte ich nur das veröffentlichen. Die Arbeit am Text hat allerdings gezeigt, dass ich wohl eher etwas ausholen sollte.

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Weitere Impressionen aus dem Ulmer Münster [13]. In jeglicher Hinsicht ein beeindruckender Bau, besonders in Sachen Grösse und Höhe, auch im Innenraum. Eigene Aufnahmen.


Aus meiner Sicht kann man aus der christlichen Lehre ein Paar politische Aussagen ableiten, auch wenn ich den Glauben in erster Linie für eine sehr persönliche Angelegenheit jedes einzelnen Menschen halte. Wer selbst keinen Glauben erlebt hat, wird durch Missionierung kaum im ganzen Wesen glücklich werden, wer es erlebt hat, ist möglicherweise froh, wenn er auch Teil einer Gemeinschaft in diesem Glauben sein kann. Die Aussagen, die ich hier teilen möchte, sind vor allem freiheitlicher Natur, die in der damaligen Zeit ein Novum darstellten, die mich auch besonders prägen. Es sind auch Aussagen, in denen auch die freiwillige Aktivität eine Rolle spielt. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich primär in einer Gemeinschaft wohlfühlen, sondern kann sehr gut alleine Dinge vorantreiben, forsche gerne selber nach und spüre auch das Bedürfnis, mir Dinge selber klarzumachen und meine Schlussfolgerungen zur Diskussion zu stellen, auch wenn sie nicht unbedingt weit gereift sind. Alle Bibelstellen sind der Schlachter Übersetzung 2000 und der King James Version entnommen. Es ist mir bewusst, dass das Herausnehmen isolierter Stellen aus der Bibel nicht überall gut ankommt, aber die genannten Stellen stehen aus meiner Sicht gut für sich selber. Auf keinen Fall möchte ich das als religiöse Missionierung verstanden wissen, ich lasse allen Lesern die Freiheit, meine Artikel nicht zu lesen, ihren Inhalt nicht gutzuheissen oder auch mir einen Widerspruch hierzulassen. Ich nehme ausnahmslos Stellen aus dem Neuen Testament, da dieses für die christliche Lehre die ganz entscheidende Relevanz aufweist.

2. Korinther 3, 17 [2], eine Absage an die Herrschaft des Zwanges und der Einengung:

«Der Herr aber ist der Geist; und wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.»

«Now the Lord is that Spirit: and where the Spirit of the Lord is, there is liberty.»

Matthäus 18, 19-20 [3], Zusage für positive Auswirkungen der Gemeinschaft untereinander:

«Weiter sage ich euch: Wenn zwei von euch auf Erden übereinkommen über irgendeine Sache, für die sie bitten wollen, so soll sie ihnen zuteilwerden von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte.»

«Again I say unto you, That if two of you shall agree on earth as touching any thing that they shall ask, it shall be done for them of my Father which is in heaven. For where two or three are gathered together in my name, there am I in the midst of them. »

Galater 6, 9-10 [4], für mich eine klare Aufforderung, unermüdlich wahrlich gute Dinge zu tun, aber auch eine Präferenz, zuerst das eigene Haus in Ordnung zu bringen, bevor man nach draussen geht. Das öffentliche, plakative Almosengeben wird in Matthäus 6 als heuchlerisch bezeichnet:

«Lasst uns aber im Gutestun nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht ermatten. So lasst uns nun, wo wir Gelegenheit haben, an allen Gutes tun, besonders aber an den Hausgenossen des Glaubens. »

«And let us not be weary in well doing: for in due season we shall reap, if we faint not. As we have therefore opportunity, let us do good unto all men, especially unto them who are of the household of faith.»

Galater 5, 13-15 [5], Freiheit soll offenbar sein, dazu die Achtung seiner selbst und die des Nächsten:

«Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder; nur macht die Freiheit nicht zu einem Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander durch die Liebe. Denn das ganze Gesetz wird in einem Wort erfüllt, in dem: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst«. Wenn ihr einander aber beißt und fresst, so habt acht, dass ihr nicht voneinander aufgezehrt werdet! »

«For, brethren, ye have been called unto liberty; only use not liberty for an occasion to the flesh, but by love serve one another. or all the law is fulfilled in one word, even in this; Thou shalt love thy neighbour as thyself. But if ye bite and devour one another, take heed that ye be not consumed one of another. »

Römer 13, 1-3 [6], durchaus kontroverse Stelle zur Obrigkeit, für mich vor allem auch eine pragmatische Stelle, um den Glauben im Römischen Reich und in unterdrückerischen Ländern leben zu können:

«Jedermann ordne sich den Obrigkeiten unter, die über ihn gesetzt sind; denn es gibt keine Obrigkeit, die nicht von Gott wäre; die bestehenden Obrigkeiten aber sind von Gott eingesetzt. Wer sich also gegen die Obrigkeit auflehnt, der widersetzt sich der Ordnung Gottes; die sich aber widersetzen, ziehen sich selbst die Verurteilung zu.»

«Let every soul be subject unto the higher powers. For there is no power but of God: the powers that be are ordained of God. Whosoever therefore resisteth the power, resisteth the ordinance of God: and they that resist shall receive to themselves damnation.»


[1] Politik 044 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 1. @saamychristen, 09. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-044-verleumdung-und-denunziation-sind-keine-gueltigen-argumente-teil-1
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Christenverfolgung#Ostblockstaaten
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Integration
[4] https://www.amazon.com/dp/B01C8JWMIS/ref=cm_sw_r_tw_dp_x_Hp92zbXZHATH2
https://de.wikipedia.org/wiki/Vladim%C3%ADr_Palko
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%A1n_%C4%8Carnogursk%C3%BD
[6] Politik 016 - Neue Rechte in Verbindung mit Russland. @saamychristen, 31. März 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-016-neue-rechte-in-verbindung-mit-russland
[7] Der Revolutionäre Weltkirchenrat - Ökumenismus oder Ökommunismus? YouAreNotIlluminated YouTube Kanal, 18. Juli 2012 https://nicobreuer.files.wordpress.com/2012/07/der_revolutionc3a4re_weltkirchenrat.pdf
[8] https://www.bibleserver.com/text/SLT/2.Korinther3
[9] https://www.bibleserver.com/text/SLT/Matth%C3%A4us18
[10] https://www.bibleserver.com/text/SLT/Galater6
[11] https://www.bibleserver.com/text/SLT/Galater5
[12] https://www.bibleserver.com/text/SLT/R%C3%B6mer13
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_M%C3%BCnster


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