Politik 046 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 3

in deutsch •  7 years ago  (edited)

10. Oktober 2017

Nach den ich ersten beiden Teilen [1, 2] möchte ich noch konkret darauf eingehen, wie die grossen Kirchen in die aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen involviert sind. Es soll eine eigenständige Betrachtung sein, die natürlich nicht alles berücksichtigen kann, was tatsächlich geschieht. Noch einmal erwähnen möchte ich, dass ich es für eine sehr gute Sache halte, dass die Kirche, in der ich Mitglied bin, keine politischen Aussagen oder Leitgedanken herausgibt. Dies hält sie für Sache des Einzelnen, wobei Parteimitgliedschaften zwar nicht empfohlen werden, aber auch nicht sanktioniert.

Beim SWR-Fernsehen hat man es vor etwa für nötig gehalten, dem Thema AfD und Kirchen eine dreiviertelstündige Reportage zu widmen [3]. Diese ist am 14. September 2017 unter dem Titel «Wahre Christen oder böse Hetzer» gezeigt worden. Der verantwortliche Journalist ist Thomas Leif [4], ein promovierter Politikwissenschafter, der seit mehr als 30 Jahren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig und wohl SPD-nah vernetzt ist.

Öffentlich-rechtliches Fernsehen empfehle ich höchst selten, in diesem Fall kann ich sagen, dass der Graben, der in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in der Gesellschaft aufgerissen wurde, ziemlich nachvollziehbar gezeigt wird. Dass wie von mir nicht anders erwartet leider viel mit nicht näher ausgeführten und deswegen mangelhaft definierten Schlagworten gearbeitet wird, finde ich nicht gut. Denn, mit Schlagworten arbeiten normalerweise Politiker, die man dann wiederum durchaus entlarven kann, wenn man sie dazu bringt, ihre Schlagworte genau zu definieren und dabei in die Tiefe zu gehen. Würde das getan, wäre ich sofort bereit, auch eine doppelt so lange Sendung anzuschauen. Dann zeigt sich rasch, ob man es mit reinen Ideologen, Mitläufern und Mitschwätzern zu tun hat oder mit Leuten, die wirklich eine tiefergehende Ahnung von den Dingen haben, von denen sie sprechen, unabhängig davon, ob mir deren Orientierung und Positionierung gefällt.

In der Sendung des SWR kommen folgende Menschen vor, zu denen ich entweder eine kurze Beschreibung oder ein Paar Zitate aus der Reportage inklusive Kommentar anfügen möchte. Interessant finde ich, dass dem Verein «Christen in der AfD» sehr viel Zeit gewidmet wird, der aber lediglich über eine Mitgliederzahl von etwas über 100 verfügt. Die einzige wirklich prominente Figur dürfte dessen Patronin im Hintergrund sein, die geborene Herzogin von Oldenburg, AfD-Bundesvorstandsmitglied Beatrix von Storch [4]. Dazu wird der Fraktionsvorsitzende im Landtag Baden-Württemberg und AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen [5], der sich zum römisch-katholischen Christentum bekennt, gar nicht erwähnt.

  • Andreas Püttmann [6], geboren 1964, ist promovierter Politikwissenschafter. Seine Dissertation trug den Titel «Ziviler Ungehorsam und christliche Bürgerloyalität. Konfession und Staatsgesinnung in der Demokratie des Grundgesetzes», in Sachen Verhältnis der Bürger zu Kirche und Staat sollte er also sehr kompetent sein. Er war journalistisch beim WDR Hörfunk und dem Rheinischen Merkur tätig. Dazu ist er seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter der der CDU nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung, unter anderem in der Arbeitsgruppe Kirche und Politik, dazu sitzt er auch im Betriebsrat der Stiftung. Das wird in der SWR-Reportage aber nicht erwähnt. Seine Zitate möchte ich hier anführen:

(01:20)

«Weil bis zu 4 Millionen Kirchenmitglieder mit der AfD sympathisieren und darunter auch 400'000 kirchennahe, also kirchliches Kernklientel.»

(06:40) Auf die Frage: Wie konnte es dazu kommen, dass sich so ein Milieu ausbildet. In dieser Grösse und in dieser Stärke?

«Ich glaube, dass das mit vielen Enttäuschungen und Frustrationen zu tun hat. Man ist gesellschaftspolitisch von Niederlage zu Niederlage geeilt. In Fragen der Bioethik, des Familienbildes, beim Thema Abtreibung. Das führt zu einer inneren Verhärtung, zu einer Wagenburg-Bildung, wo man sich nur noch bestätigt, sich gegenseitig hochschaukelt und wo das intellektuelle Niveau sinkt.»

Es stimmt, dass die konservativen Christen in der jüngeren Vergangenheit den politischen Diskurs nur wenig entscheidend geprägt haben. Das intellektuelle Niveau sinkt sicherlich in Zirkeln, die geistig nicht wirklich herausgefordert werden und sich isolieren. Da offenbar konservative Kräfte mit der AfD gerade etwas Aufwind erleben, dürfte aber nicht unbedingt mit grosser Dummheit zu tun haben. Mit reiner Dummheit feiert man selten Erfolge. Gegen die Bildung von Milieus kann man wenig tun und sollte die Menschen sich so organisieren lassen, wie sie es selber wollen, solange sie im gesetzlichen Rahmen bleiben. Beim Thema Abtreibung ist es meines Wissens so, dass diese in Deutschland gesetzlich immer noch strafbar ist, aber geduldet wird. Zum Thema habe ich mich kaum je geäussert, auch weil ich mich als Mann nicht besonders befähigt fühle, in Frauenthemen hineinzubestimmen, aber ich habe jeweils eine rechtliche Stellungnahme des libertären amerikanischen Richters Andrew Napolitano empfohlen [7], ab Minute 9:20. Dieser ist katholischer Traditionalist und stets klar in seinen Aussagen. Er sagt vor allem, dass die oft vorgeschobene Aussage von Frauenbewegungen «ich kann mit meinem Körper machen, was ich will» unzulässig ist, weil der Körper eines heranwachsenden Kindes mit dem der schwangeren Frau nicht identisch ist und auch ersterer dem gesetzlichen Lebensschutz unterliegt. Es sei denn man erklärt diesen zu einer Nichtperson oder einem Nichtmenschen.

(11:37) Einleitung: Andreas Püttmann kennt die auf Autorität fixierten, treuen Gläubigen aus der Nähe. Die CDU Zukunftskommission hat er beraten und seine Expertise wird nicht nur von Bischöfen geschätzt:

«Zum anderen vergiften sie das innerkirchliche Klima, weil sie keine argumentative Auseinandersetzung führen. Sondern sie versuchen immer, Personen verächtlich zu machen. Das Evangelium ist ein Weg zur Menschenfreundlichkeit, zur Empathie, zur Demut, zur Gelassenheit. Der Rechtspopulismus ist das gerade Gegenteil. Empathielosigkeit, Wohlstandsegoismus, Daueraufgeregtheit und Hybris, Gesinnungsegozentrik und Selbstmitleid.»

Dazu kann ich nur sagen, wer sich mit einer konservativeren und rechteren Ansicht erst einmal diese Attribute zuweisen lassen muss, dessen Dialogbereitschaft könnte dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden. Wenn man die betreffenden in der Einleitung als treue, auf Autorität fixierte Gläubige bezeichnet, müssten das eigentlich die anständigsten Menschen sein, die einem in vielen, aber nicht allen Dingen bedingungslos folgen. Das heisst, man kann den Bogen auch überspannen und dann wird man vielleicht Gründe zu hören bekommen, die man selber als Scheinargumente oder persönliche Angriffe wahrnimmt. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen, weil mir die konkrete Einsicht fehlt. Nur, wer mich als Verlierer bezeichnet und sich lustig macht, der wird in mir nicht den Ansporn wecken, zu kooperieren, sondern dazu, einen eigenen Weg zum Erfolg und zum Sieg über den Spötter zu gehen.

(25:18)

«Zunächst mal die Empathielosigkeit gegenüber den Flüchtlingen. Da ist es ja völlig offenkundig, da ist das Zeugnis der Kirchen eindeutig. Die Kirchen können zwar nie sagen, wir müssen so und so viele aufnehmen. Die Flüchtlingspolitik bleibt eine Domäne der Politik. Aber es muss das Prinzip klar sein, dass man Menschen helfen muss.»

Für mich ist das Breitschlagen der Einwanderungskrise vonseiten der AfD vor allem als Kritik an der Politik zu verstehen. Es wurde nie gesagt, wie die ganze Sache genau geregelt wird, auch längerfristig. Wieviele finanziellen Mittel dafür aufgewendet werden sollen, die ausnahmslos vom Bürger bezahlt werden müssen. Es wurde auch nicht erklärt, warum der illegale Grenzübertritt plötzlich in Ordnung sein soll, wenn etwa auf Flughäfen Personenkontrollen stattfinden, Firmengelände abgesperrt sind, auch staatliches Territorium wie militärische Einrichtungen können auch nicht von jedem besichtigt werden. Tausende freiwillige konnten für die Mithilfe gewonnen werden, was aber nicht selbstverständlich war. Es gab Notstände bei der Unterbringung. Dazu gibt es berechtigte Zweifel vonseiten der Kritiker dieser Politik, die das Vorhaben der Integration substantieller Zahlen der im Zuge dieser Einwanderung hergekommenen Menschen. Das alles sind Argumente, die nicht infragestellen, dass ganz grundsätzlich Menschen in Not geholfen werden muss. Anschläge auf Unterkünfte von Einwanderern, die ich für völlig unzulässig halte, wurden meines Wissens von keinem AfD-Politiker je in irgendeiner Form begrüsst, noch wurde je ein AfD-Mitglied verdächtigt, einen solchen Anschlags durchgeführt zu haben.

(40:54)

«Ich glaube nicht, dass man heute als Christ nicht mehr AfD wählen kann. Vielleicht in den Anfängen, als die AfD sich gründete. Aber die Gründer selbst (u. a. Hans-Olaf Henkel, Anm.) haben ja gesagt, wir haben ein Monster geboren.»

Bereits nach der Gründung der AfD wurde über Tendenzen nach rechts debattiert und die Begeisterung über die neuen war aufseiten aller etablierten Kräfte nicht gerade gross. Die Einwanderungskrise mit massenhaft illegalen Grenzübertritten, die in den Medien extrem prominent behandelt wurde und bei der die Regierung nicht gerade stark ausgesehen hat, war ein Steilpass, den keine der AfD ähnliche Bewegung ausgelassen hätte.


  • Joachim Kuhs. AfD-Mitlied, anglikanisch-freikirchlicher Christ, im Vorstand des Vereins «Christen in der AfD», Referatsleiter beim Rechnungshof in Freiburg, 10 Kinder. Kandidat bei der Bundestagswahl, nicht gewählt. Obwohl er wohl beim Parteiprogramm einen gewissen Einfluss geltend machen konnte, würde ich ihn nicht als bedeutendes Parteimitglied bezeichnen. An Marsch des Lebens Demonstrationen wurde Kuhs und seine Mitdemonstranten von Gegendemonstranten unter anderem mit der geschmacklosen Parole «Hätte Maria abgetrieben, wärst du uns erspart geblieben» konfrontiert.

  • Ingrid Kuhs. Ehefrau von Joachim Kuhs, auch AfD-Mitglied.

  • Thomas Weiss. Pfarrer der evangelischen Luthergemeinde Baden-Baden.
    (08:58)

«An Herrn Kuhs möchte ich sagen, es ist schon eine steile Behauptung, wenn Sie sagen, es gäbe in der AfD keine rassistischen oder nationalistischen Töne. Das Programm ist das eine und die gelebte Realität etwas anderes und die ist durchaus erschreckend. Da findet eine Menge Rassismus und Menschenverachtung statt.»

Für mich ist das nicht die Art, wie man einen Dialog gestaltet. Vorwürfe machen, diese nicht konkret begründen, nicht einordnen und sich damit begnügen, funktioniert nur solange man über einen Machthebel verfügt.

(10:32) Ein Zitat eines älteren Herrn, den man beim Disput bei Wahlkampfaktivitäten von Joachim Kuhs zu sehen bekommt:

«Ich kann Ihre Beschränkung auf Deutschland absolut nicht verstehen. Das nenne ich Schrebergarten, Kleingeist, Schrebergartenniveau. Sind Sie kein Christenmensch? Das, wofür Sie stehen, ist doch Scheissdreck ... Wenn ich das alles lese, dann erleide ich eine Hirnerweichung, aber sicher. Sie haben Positionen, die sind nicht positiv, die sind teilweise menschenverachtend. Dann wünsche ich, dass wir eine demokratische Wahl haben werden und Sie in dieser eins auf den Deckel kriegen.»

Zur Beschränkung auf das eigene Land kann ich nur sagen, dass Aussenpolitik eigentlich das schwierigste Politikfeld ist und man dazu auch eine entsprechende Vernetzung nach aussen braucht. Eine neue Bewegung kann das niemals leisten, es sei denn, es treten ihr einige alte Hasen der Aussenpolitik bei. Wenn man auf der Bundesebene noch keine Abgeordneten hat, hat man keinerlei Einsicht in aussenpolitische Ausschüsse und Kommissionen. Auf dieser Grundlage bereits Aussenpolitik betreiben zu wollen, ist illusorisch, eine Beschränkung auf Innenpolitik deswegen vernünftig.

  • Andreas Weidling, Arzt, Christ, AfD-Mitglied, Vorsitzender des evangelischen Gemeinderates in Dagersheim. Weidling stammt aus einer Vertriebenenfamilie und wurde besonders in Heimatliebe und -treue erzogen. Ab Minute 14.

  • Arnd Rehn, Oberstudienrat und Vorsitzender der Bezirkssynode in der selben Region wie Andreas Weidling. Rehn erwähnt, dass vonseiten führender AfD-Mitglieder eine grosse Menge antisemitischer Parolen geäussert wurden.

Solche habe ich bisher von führenden Mitgliedern nicht gehört. Die AfD erkennt soweit mir bekannt den Staat Israel absolut an und gibt sich freundlich gegenüber Juden. Wie ehrlich diese Haltung ist, kann ich nicht in Gänze abschätzen. Es gibt auch Juden, die sich in der AfD engagieren, diese stammen wohl vornehmlich aus Osteuropa. Ausnahme war der Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon, der sich als Nicht- oder Anti-Zionist bezeichnet, In seinen Büchern hat er wohl aus eingängiger, verschwörungstheoretischer Literatur zitiert und die Schlussfolgerung getätigt, der Islam sei über die Jahrhunderte der äussere Feind des Christentums gewesen, das Judentum der innere. Mehr kann ich dazu nicht sagen, da ich Gedeons Bücher nicht gelesen habe. Gedeon gehört in der AfD nicht zu den wirklich einflussreichen Gestalten und seine Bücher hat er vor seiner Mitgliedschaft in der AfD veröffentlicht. Vonseiten der Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Alice Weidel, gibt es eine Stellungnahme aus einem Interview mit einer israelischen Journalistin [8], dass sie gegen Juden überhaupt keine Vorbehalte und Ressentiments habe und dass sie die Zeit des Nationalsozialismus als ganz massgeblichen Zerstörer des Bürgertums sieht, des massgeblich auch von jüdischen Bürgern geprägt war. Diese waren Teil der Gesellschaft, obwohl nach dem Erlangen des vollen Bürgerrechts der Juden im 19. Jahrhundert antijüdische Strömungen in ungeahnter Vehemenz aufkamen.

Es gibt auch das wohl nicht völlig ernstgemeinte Video der jüdischen Journalistin Orit Arfa, die eine AfD-Wahlparty in München besuchte, auf der sie nach Nazis suchte [9]. Diese ist US-amerikanische und israelische Bürgerin und lebt in Berlin.

Für einige Aussagen von Kirchenverantwortlichen, Pfarrern und Politikern aus der SWR-Reportage brauche ich leider noch einen vierten Teil.


[1] Politik 044 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 1. @saamchristen, 09. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-044-verleumdung-und-denunziation-sind-keine-gueltigen-argumente-teil-1
[2] Politik 045 - Verleumdung und Denunziation sind keine gültigen Argumente - Teil 2. @saamychristen, 09. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-045-verleumdung-und-denunziation-sind-keine-gueltigen-argumente-teil-2
[3] Spaltet die AfD die Kirchen? Wahre Christen oder böse Hetzer? SWR.de, 15. September 2017 https://www.swrfernsehen.de/spaltet-die-afd-die-kirchen-wahre-christen-oder-boese-hetzer/-/id=2798/did=20289370/nid=2798/ofo7as/index.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Leif
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Beatrix_von_Storch
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%B6rg_Meuthen
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_P%C3%BCttmann
[7] Judge Napolitano: Why Taxation is Theft, Abortion is Murder, & Gov't is Dangerous. ReasonTV YouTube Kanal, 22. November 2011
[8] Alice Weidel(AfD) - Das Judentum gehört zu Deutschland!. HerrTeutates YouTube Kanal, 14. September 2017
[9] Orit goes Nazi hunting at an AfD beer hall in Munich. Orit Arfa YouTube Kanal, 27. September 2017
https://de.wikipedia.org/wiki/Orit_Arfa


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