Politik 112 - Frauenquote in Parlamenten

in deutsch •  6 years ago  (edited)

10. Dezember 2018

Schon zwei Mal habe ich zu den Themen Frauenquote in Parlamenten [1] und der Frage, warum es bei den gewählten Abgeordneten bisher keine 1/1-Verteilung [2] zwischen den Geschlechtern gegeben hat, geschrieben. Alles bezogen auf Deutschland, weil es von diesem Land ziemlich umfangreiche Daten gibt, im Gegensatz zu anderen Ländern. Meine drei Schlussfolgerungen waren die, dass:

  1. Alle grösseren Parteien in Deutschland mehr männliche als weibliche Mitglieder haben. Wenn jedes Mitglied gleich wahrscheinlich zu einer aussichtsreichen Kandidatur kommen kann, gibt es automatisch mehr männliche Kandidaten.
  2. Die Politik in den westlichen Ländern über Jahrhunderte als Männerdomäne gewachsen ist. Die Dominanz schwächt sich durch die gesetzlich garantierte Gleichberechtigung gerade ab, verschwindet aber nicht plötzlich, sondern langsam über längere Zeit.
  3. Frauen stellen unter den wahlberechtigten Bewohnern Deutschlands eine leichte Mehrheit, wären also in der Lage, auf diese Weise jede einfache Mehrheitsentscheidung für sich zu entscheiden. Da dies bisher nicht geschah, muss angenommen werden, dass einige Frauen gerne Männer wählen.

In meinen Artikeln [1, 2] habe ich auf die Konsequenzen hingewiesen, die eine den Parteien auferlegte Frauenquote für die Besetzung der Parlamente mit Abgeordneten hätte. Nur wenig Veränderungen gäbe es bei den klassisch linken Parteien Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen und SPD. Die beiden erstgenannten haben eine Frauenquote von 50 % bei den Parlamentssitzen weitgehend schon eingeführt. Die SPD hat wenigstens 40 % Frauen als Quote festgelegt [3]. Die auf die Geschlechter bezogene nahezu vorhandene Gleichverteilung in diesen drei genannten Parteien ist also weitgehend eingeführt worden und derzeit ein besonderes Merkmal dieser Parteien.

Zu grossen Veränderungen nach Einführung einer Frauenquote würde es bei den bürgerlichen oder klassisch rechten Parteien kommen - die Union aus CDU und CSU, die FDP und die AfD - die sowohl bei den Mitgliedern, als auch bei den Abgeordneten über einen deutlichen Männerüberschuss verfügen. Forderungen nach einer Frauenquote werden bei diesen Parteien kaum positiv aufgenommen, teilweise wird sogar davon gesprochen, dass das verfassungswidrig sei. Auf solche Diskussionen will ich mich jetzt aber nur wenig einlassen. Eine Tatsache ist sicher, dass es mit einer Geschlechter-Quote schwierig wäre, einen Teil der Abgeordneten weiterhin direkt zu wählen, sondern es wäre wahrscheinlich, dass nur noch über Listen gewählt würde, die man dann aber nurmehr eingeschränkt selbst verändern kann - über das Kumulieren und Panaschieren.

Dies soll jetzt aber in den Hintergrund treten. Denn ich möchte darauf hinweisen, dass man die von Linken aufgestellte Forderung nach der Pflicht einer wenigstens 1/1-Verteilung der Abgeordneten mit einer grossen Menge vorhandenen Pragmatismus' vielleicht sogar kontern könnte. In diesem Punkt unterscheidet sich konservatives von reaktionärem Verhalten. Als Konservativer ist man eher in der Lage, in der Gesellschaft auftretende Veränderungen zu antizipieren und für die eigenen Zwecke zu nutzen.

Die Einführung einer verbindlichen Frauenquote in der Politik würde den politischen Karrieren einiger Männer ein Ende bereiten, aber für Frauen viele Türen öffnen. Meine Folgerungen daraus:

  1. Die klassisch linken Parteien geben eines ihrer eindeutigen Erkennungsmerkmale auf. Sie müssen bei sich selbst nicht ändern, aber Änderungen bei anderen hinnehmen.
  2. Wird durch eine Quote in den vier genannten bürgerlichen Parteien kurzzeitig ein erhöhter Bedarf für neue weibliche Abgeordnete und Mitglieder geschaffen. Obwohl alle vier Parteien den Bedarf nach neuen Abgeordneten aus aktuellen Mitgliedern abzudecken imstande wären.
  3. Der Anreiz, einer linken Partei beizutreten, wäre gerade für Frauen aufgrund des geringeren Bedarfs wenigstens für ein paar Jahre abgeschwächt.
  4. Frauen in klassisch rechten Parteien sind nach der Einführung der Quote deutlich besser in den Parlamenten repräsentiert als die in den klassisch linken Parteien. Sofern sich die allgemeinen Kräfteverhältnisse nur geringfügig ändern.
  5. Die stark verbesserte Präsenz von Frauen aus dem nicht-linken Lager kann für die linken Parteien heute nur schwer abschätzbare Folgen haben. Zu erwarten, die Frauenquote würde zu einem Macht- und Einflussgewinn auf der linken Seite führen, halte ich deswegen für wenig nachvollziehbar und wenig wahrscheinlich, weil bei ihnen nicht die grossen Veränderungen geschehen werden.

Eine solche Erwartung hat vor kurzem der Abgeordnete im Deutschen Bundestag, Karl Lauterbach (SPD seit 2001, zuvor CDU, BT-Abgeordneter seit 2005) [4], via Twitter verkündet [5]:

Die Zukunft des Parlaments aus SPD Sicht. RotRotGrün und weiblich😊

2018-12 - LauterbachZukunft.jpg
Bildschirmaufnahme des Tweets von Karl Lauterbach [5].

Die neu gewählte, neue Parteivorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer [6] hat sich positiv zu Frauenquoten und mehr Möglichkeiten für Frauen in der Römisch-katholischen Kirche [7] geäussert und gesagt, dass sich die Parteien eine solche auferlegen sollten [3]. Gerade deswegen, weil die Dame in der mittelfristigen Zukunft Bundeskanzlerin werden könnte, sollten sich die von einer Frauenquote betroffenen Parteien derzeit zu überlegen beginnen, wie sie damit umgehen werden.

Da ich geschlechtsbezogenen Quoten oder Rechten sehr skeptisch gegenüberstehe - Talent und Leistungsfähigkeit sollen im ersten Fall, Stringenz und Verhältnismässigkeit im zweiten Fall entscheidender sein - liegt es mir derzeit definitiv einigermassen fern, offen für mehr Frauen in der Politik zu werben. Ich sehe die Politik noch immer als eine Männerdomäne und die Frauen durchaus in der Pflicht, ihre Existenzberechtigung in der Politik zu rechtfertigen. Diese besteht im Nachweis der Fähigkeit, mit ihrer Politik für langfristig stabile, freiheitliche und marktwirtschaftliche Verhältnisse zu sorgen, wie es die Männer ab dem 19. Jahrhundert auch hinbekommen haben.

Viele Frauen haben sich den vorwiegend links geprägten Bewegungen für Frauenrechte [8] verbunden gefühlt. Diese Bewegungen waren zunächst Forderungsbewegungen. Deren Berechtigung will ich nicht anzweifeln, aber Forderungsbewegungen sind normalerweise nicht Bewegungen, aus denen unmittelbar eine besonders wertvolle Form der Staatsverwaltung resultiert. Wenigstens von den Bedürfnissen der meisten hellhäutigen Frauen haben sich diese Bewegungen mittlerweile entfernt, was eine weitgehende Trennung zur Folge haben dürfte.


Meine hier formulierten Erkenntnisse habe ich, meist in etwas kompakterer Form und teilweise mit Zahlen unterlegt, in den vergangenen etwa vier Wochen bei verschiedenen Medienplattformen geteilt. Aber niemand schien sich dafür auch nur ansatzweise zu interessieren. Liege ich falsch? Liegen meine Erkenntnisse ausserhalb des gesellschaftlich relevanten Bereichs? Oder denke ich einfach auf zu bedeutende Weise anders als die meisten Medienschaffenden?


[1] Politik 107 - Gedanken zu 1/1 nach Geschlechtern besetzten Parlamenten. @saamychristen, 06. November 2018 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-107-gedanken-zu-1-1-nach-geschlechtern-besetzten-parlamenten
[2] Politik 051 - Warum sind Frauen und Männer nicht 1/1 in Parlamenten vertreten? @saamychristen, 24. Oktober 2017 https://steemit.com/deutsch/@saamychristen/politik-051-warum-sind-frauen-und-maenner-nicht-1-1-in-parlamenten-vertreten
[3] Zu wenig Frauen im Bundestag - Kramp-Karrenbauer für Frauenquote in Politik. Saarbrücker Zeitung, 07. Oktober 2018, von Daniel Kirch https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/kramp-karrenbauer-fuer-frauenquote-in-politik_aid-33537177
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Lauterbach_(Politiker,_1963)
[5] Karl Lauterbach bei Twitter, vom 28. November 2018: https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1067761409268813826
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Annegret_Kramp-Karrenbauer
[7] Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich wünsche mir die Priesterinnenweihe. Die Zeit online, 10. Mai 2018, Gespräch von Merle Schmalenbach https://www.zeit.de/2018/20/annegret-kramp-karrenbauer-frauen-aemter-katholische-kirche/komplettansicht
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenbewegung


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@saamychristen, sorry to see you have less Steem Power.
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