Finanz- ABC for Dummies - was sie schon immer über Geld/Investments wissen wollten, Ihre Bank oder Berater aber nie verrät Teil II

in deutsch •  7 years ago  (edited)

Mein erster Zusammenstoß mit der Finanzbranche war im Jahr 1996, ich hatte schon diverse Semester Betriebs-und Volkswirtschaft auf dem Rücken und wurde durch einen Studien-Freund angesprochen, ob ich nicht Interesse hätte, mit ihm zusammen für einen anderen Freund, der General-Agentur-Inhaber wäre, als Versicherungsberater zu arbeiten. Wir würden auch von der Versicherung geschult und könnten nebenbei auch den Abschluß als Versicherungskaufmann machen. Da ich bis dato diverse sehr lukrative Nebenjobs als Sales-Promoter hatte (ich habe noch das goldene Zeitalter in der Mobilfunk-Branche mitgemacht, in der man, wenn man clever war, am Wochenende schnell mal 1000-1500DM verdienen konnte), daher war ich im ersten Moment nicht wirklich interessiert, denn finanziell war ich bereits ab dem 2. Semester komplett unabhängig.

Das Gespräch mit dem General-Agentur-Inhaber verlief interessant, neben dem guten Verdienst (3500 DM/Monat), war die Aussicht auf eine komplette weitere Ausbildung neben dem Studium eine Perspektive, zumal wir bis nachmittags 16:00 Uhr Vorlesungen besuchen konnten und erst anschliessend zu Verfügung stehen mussten. So unterschrieb ich der Branche unvoreingenommen den Vertrag. Die Ausbildung verlief wie im Blockunterricht in der Berufsschule, wir wurden mit anderen Auszubildenden ein langes Wochenende oder manchmal auch eine Woche in der Pampa in ein Hotel "einkaserniert" und dort wurde der Stoff/Inhalt gelernt und Verkaufstrainings / Rhetorik-Trainings absolviert. Die Zusammensetzung dieser Truppe ging vom Ex-Autoverkäufer, Staubsauger-Haustürvertreter und anderen "Drücker-Kolonnen" bis zu anderen Studenten, wobei die Studenten, speziell mit Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften, die Ausnahme war. Die Ausbilder waren meist alte Füchse, die allesamt neben einer umfassenden Praxis-Erfahrung auch alle rhetorisch sehr begabt, was in der Branche ein grosser Vorteil ist, da man ein "imaginäres Produkt", also nichts, was man anfassen kann, verkauft. Und es geht nur ums verkaufen, beraten ist nur eine rosige Umschreibung der Tätigkeit.

Wobei ich im Rückblick sagen kann, dass die Ausbildung bei einer Versicherung meist besser und vom Fachwissen höherwertiger ist, als bei vielen Strukturvertrieben, die nach wie vor noch existent sind (früher AWD, Dt. Vermögensberatung, Hamburg-Mannheimer, MLP, etc.), zumindest war es damals so.

In jedem "Unterrichts-Block" wurde eine spezielle Versicherungssparte gelernt (priv.Haftpflicht, Hausrat, Rechtschutz, Unfall, etc.) und nach diesen Blöcken durfte man einem bereits ausgebildeten Versicherungskaufmann abends bei seinen Beratungen begleiten, sozusagen "learning by doing" bzw. "Training on the job".

Nach einem halben Jahr wurde ich erstmals alleine auf eine "Kundin" losgelassen, den Besuch werde ich nie vergessen, da ich dort erstmals einen sehr negativen Eindruck der Branche, bzw. von der Arbetit der "Kollegen" bekommen habe. Diese liebenswerte Dame im zarten Alter von knapp 70 Jahren ging nebenher noch Putzen,um ihre Rente aufzubessern und ich sollte lediglich ihre Rechtsschutzversicherung auf den neuesten Stand "updaten", was mit einer Beitragserhöhung und besseren Leistungen verbunden war. Mir wurde von der freundlichen Oma sofort Kaffee und Kuchen serviert und sie legte mir ihren Versicherungsordner vor. Ich erzählte ihr von den Leistungsverbesserungsmöglichkeiten ihres Vertrages und versuchte sie so zur Unterschrift zu überzeugen, aber sie fiel mir schon nach kurzer Zeit ins Wort und fragte mich, wo sie unterschreiben solle. Ich war zu diesem Zeitpunkt echt erstaunt und fragte sie, ob sie nicht erstmal alles anhören möchte und sie erwiderte nur "Sie sind so ein netter, junger, sympathischer Mann, Ihnen muss man einfach vertrauen". Ich war im ersten Moment baff, aber irgendwie gingen bei mir alle Alarm-Glocken an. Die nette Oma war sowas von vertrauensseelig und gleichzeitig naiv, ich konnte es innerlich garnicht fassen. Aus heutiger Sicht war sie einfach nur einsam und hatte zuviel Vertrauen ins Äussere anderer Menschen, aber dies ist viel zu häufig der Fall, ein guter Anzug & Krawatte machen auf viele Menschen Eindruck und täuschen häufig nur Kompetenz vor.

Weil sie zuvor nur nett war und ich mich irgendwie an meine eigene Oma erinnert fühlte, nahm ich mir nochmal ihren Versicherungsordner vor und arbeitete diesen durch (ich war ja ursprüngloch nur wg. der Anpassungen ihres Rechtschutz-Vertrages dort, der mir eine Provisiongutschrift von vielleicht 40-60 DM eingebracht hätte). Was ich dort entdeckte war für mich das kalte Grausen. Ein Versicherungsvertreter der Konkurrenz hatte ihr 2 Lebensversicherungen mit einer Laufzeit von 25 Jahren aufgeschwatzt, d.h. im Erlebensfall wäre die gute Frau knapp 95 Jahre alt gewesen...und das bei einer Person, die jeden Euro, bzw. damals DM zweimal umdrehen musste. Nur mal um ein wenig über die Vergütungen in der Branche zu sprechen, für Lebens-/Rentenversicherungen werden in der Branche bis zu 50 Promille der Bewertungssumme gezahlt, die Bewertungssumme setzt sich aus der Laufzeit multipliziert mit der Beitragsdauer zusammen.

Im Falle dieser Oma mal konkret : sie hatte 2 Verträge mit einer Sparrate von 100,-/mtl. und einer Laufzeit von 300 Monaten (25 Jahre), d.h. jeder Vertrag hatte eine Bewertungssumme von 30.000 DM X 40 Promille = 1200 DM. Der Berater hat also mit den beiden Verträgen, die in meinen Augen fast schon sittenwidrig waren, eine Einmal-Provision von 2400 DM erhalten plus der monatlichen "Bestandprovision", die nach dem ersten Laufjahr bezahlt wird.

Wer selber schonmal eine LV-Versicherung abgeschlossen hat, weiss, dass wenn man sich die Rückkaufwerttabellen anschaut (im vorzeitigen Kündigungsfall), diese in den ersten Jahren "negativ" sind, d.h. wenn man den Vertrag nach z.B. 14 Monaten kündigt, und man im obigen Fall also 1400 DM bereits eingezahlt hat, bekommt der Kunde kein Geld zurück, weil die Provision und die anderen Kosten der Versicherung auf den Anfang des "Kapitalbetrags" gegengerechnet werden (Diskontierungseffekt/Zillmerungsverfahren). Dies ist bei den heutigen Policen aufgrund von verbesserten Verbraucherschutz-Gesetzen zwar besser als früher, die Phase, in der der Kunde in der "Gewinnzone" ist, hat sich dadurch verkürzt.

Dieser netten Oma war aber offensichtlich garnicht bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Auszahlung der Policen nicht mehr erleben würde, sehr hoch war. Ich konnte sie allerdings davon überzeugen, dass diese beiden Lebensversicherung für sie ein sehr schlechtes Geschäft waren und sie sie kündigen sollte, was ihr monatliches Budget auch mal um eben 200 DM erhöhte. Nachdem sie begriffen hatte, was für einen Mist sie da abgeschlossen hatte, wurde ich mit Keksen und einer Sektflasche verabschiedet, "ich könne auch immer auf einen Kaffee vorbeikommen".

Durch diese Beratung wurde mir zum ersten Mal deutlich, was für moralisch zwielichtige Personen in dieser Branche tätig sind, wobei man allerdings auch bemerken muss, wieviel Naivität sich auf Seiten der Kunden paart, manchmal hat man als Berater den Eindruck, dass diverse Kunden alles unterschreiben würden und sich mit der Materie auch nicht beschäftigen wollen, es ist quasi eine Blanko-Unterschrift, die Versicherungen & Banken so erhalten. 2008 beim letzten Finanz-Crash wurde der Begriff der "A & D-Kunden" geprägt und kam an die Öffentlichkeit, er steht für "Alt & Dumm". Dies hat allerdings auch mit einem Wandel in dieser Branche zu tun, bis Anfang der 90´er Jahre war diese eine überwiegend "ehrbare" Branche und man beriet auch im Interesse des Kunden, dies hat sich durch den "Abschluss-Druck" und die Veränderung in "Profit-Center"teilweise stark verändert, der Kunde wird von vielen als "Schlacht-Schaf" betrachtet, dass man ein-oder mehrmals ausnehmen kann.

Nach knapp 2 Jahren hatte ich alle Sparten im Bereich der Versicherungen im Job und in Schulungen durchlaufen und war kurz davor, zur Prüfung als Versicherungskaufmann zugelassen zu werden. Ich entschied mich allerdings dagegen, denn man wollte von den Prüflingen eine Erklärung unterschrieben bekommen haben, mit der man sich nach der Prüfung für weitere 2 Jahre der Versicherung verpflichtete. Aus Versicherungsunternehmersicht ist das zwar nachvollziehbar (die ganzen Schulungen, Prüfungskosten und auch die Monatsvergütungen haben in den knapp 2 Jahren sicherlich über 50.000 DM betragen), aber ich wollte mein Studium beenden und benötigte dafür mehr Zeit. Normalerweise müssen im Voraus gezahlte Provisionen zurückerstattet werden, wenn der "Azubi" diese nicht verdient, was bei vielen der Fall ist (man gewöhnt sich tendenziell an einen teuren Lebensstil und hängt am Fliegenfänger), bei mir war dies glücklicherweise nicht der Fall, da ich in der ganzen "Lehrzeit" auch gut "verkauft" hatte.

Generell sind Lebensversicherungen (die heute eigentlich alle tot sind und auch nicht mehr vertrieben werden), ihre Nachfolger, die Fondspolicen und private Krankenversicherungen "Provisions-Säue", d.h. wenn man solche abschliesst, kann man im guten Falle den kompletten Monat damit verdient haben. Bei privaten Krankenversicherungen wurde in der Spitze an bestimmte Vertriebe, ein gewisser Memet Göker kassierte bis zu 15 Monatsbeträge = bis zu 7500,-€ Einmal-Provision ausgezahlt, was natürlich alle möglichen Glücksjäger in diese Branche treibt... dieses Video von Spiegel-TV verdeutlicht dies ganz gut (normale andere Makler oder Versicherungsberater kassierten allerdings nur bis zu 8 Monatsbeiträge im Maximum)

Ansonsten war meine persönliche höchste monatliche Einmal-Auszahlung 24.800€ für eine Investment-Fondspolice...nur um mal zu verdeutlichen, was für Summen in dieser Branche verdient werden können...

In diesem Teil bin ich in die Versicherungs-/Bankenbranche abgedriftet, gibt aber in meinen Augen einen ersten Einblick in diese "illustre" Branche...und beschreibt, wie ich dorthin geraten bin....bei Rückfragen hinterlasst einfach Kommentare oder Nachricht ;-)

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