Zu Gast im Schamanenzentrum
Nach dem auspacken meiner Sachen, Verteilung der Gastgeschenke an meine lieben
Abholer, und dem obligatorischen Tee mit meinen Vermietern will ich raus. Ich
frage nach dem Weg in die Stadt und gehe los. Nach einer halben Stunde vorbei an
Wohnblocks und Holzhäusern nähere ich mich dem Zentrum von Kysyl. Die
Hauptstraße mit allen wichtigen Plätzen laufe ich einfach ab, bis ich das
Zentrum von Asien erblicke. Mein Ziel vor Augen stelle ich fest, ohne Umweg
direkt das gefunden zu haben, wovon ich seit Jahren träume. Ich bin im Zentrum
von Asien, am Ufer des Jenissei, umgeben von Bergen, vor der Weltkugel des
Monumentes erwacht Demut ob der gewaltigen Ausmaße. Der Standpunkt ist als roter
Fleck auf der Karte vermerkt, etwa so groß wie Deutschland, aber eben nur ein
Fleck in Sibirien.
Unmittelbar im Zentrum von Asien befindet sich das Schamanenzentrum Dos Deer
(Neun Himmel). Eine Jurte lädt zum Tee ein, Menschen sitzen auf Bänken herum und
ich setze mich einfach dazu. Schnell wird mir klar, dass mir nichts klar ist.
Englisch kann niemand, nicht mal das wenige um nach dem Namen zu fragen. Da
zücke ich mein Heft mit den Eintragungen der ersten 50 tuwinischen Worte, und
bin sofort komplett eingehüllt in Menschen, die irgendetwas erfahren wollen. Ich
sage wie ich heiße auf tuwinisch, und bekomme dafür Tee und einen Sitzplatz in
der Jurte. An Kommunikation ist nicht zu denken, aber mir macht das nichts, ich
wollte dort sein und nun bin ich es. Wie durch Zauberhand erscheint nach einer
Stunde eine Frau mittleren Alters und begrüßt mich auf Deutsch. Da steht vor mir
eine tuwinische Frau mittleren Alters, strahlend und freundlich-lustig und
spricht mit mir deutsch. Ein Traum, oder was ist hier los? Sie erzählt sie sei
Lehrerin für Russisch und hat sich Deutsch als Hobby selbst beigebracht. Ich bin
platt. Sie versteht mich ohne Nachzufragen. Diese Frau, Vera, wird mich noch oft
begleiten, eine wunderbare Begegnung beginnt. Ich erzähle Ihr von meinem Plan im
Schamanenzentrum arbeiten zu wollen. Alles über meine Musik, meinen
schamanischen Hintergrund und meine Liebe zur tuwinischen Obertonmusik. Sie
transferiert alles in tuwinische Sprache und die Schamanen beschließen mich
morgen anzuhören und über die Aufnahme danach zu urteilen. Überglücklich
verlasse ich die Jurte, bis morgen: bayerlig (tschüss). Die hereinbrechende
Dämmerung lässt mich unruhig werden, doch Vera freut sich ebenso auf deutschen
Kontakt und Praxis ihrer Hobbysprache, kurzum, sie beschließt, mir noch den
Tempel und die Musikschule zu zeigen. Mit dem Taxi bringt sie mich sicher nach
Hause, es ist fast dunkel. Jetzt bin ich müde und gehe auch gleich ins Bett.
Das Schamanenzentrum Dos Deer wird von Aitschurek geleitet. Desweiteren
arbeiten dort mehrere Berufsschamanen, Gastschamanen und fleißige Helferlein. Wo
fange ich an, zu erzählen, lieber Leser, was weißt Du von Schamanen ? Ich wusste
auch etwas und dachte mir, ich fahre in ein Land mit einer durchgängigen
Tradition, mit Menschen, die im Schamanentum verwurzelt sind. In Tuva ist
Schamanismus und Buddhismus laut Gesetz gleichberechtigt. In den 70 Jahren der
russischen Einflussnahme wurde der Schamanismus wie der Buddhismus verfolgt und
verboten. Seit der Perestroika (Umgestaltung) vor nunmehr 14 Jahren hat sich
vieles geändert. Religion ist nun frei ausübbar, was zu so absonderlichen
Auswüchsen, wie christliche Missionsversuche, geführt hat. In Kysyl gibt es drei
Schamanenzentren, gegründet ab 1991, ebenso, in vielen kleineren Städten.
Normalerweise lehnen Schamanen einen Zusammenschluss prinzipiell ab und ziehen
es vor alleine zu arbeiten. Das ist fast auf der ganzen Welt so und hat seinen
Grund: Die Energien jedes Schamanen sind verschieden und werden von Ritualen
anderer Schamanen gestört. Außer man macht Rituale zusammen, das wirkt natürlich
entsprechend stärker. Aber mal ganz ehrlich, wollen sie von acht Schamanen
gleichzeitig geheilt werden? Wie dem auch immer ist, jedenfalls gibt es jetzt
diese Schamanenzentren und einen Verband der tuwinischen Schamanen unter Vorsitz
von Professor Kenin Lopsan. Im Internet fand ich eine Seite mit der Information
dieses Verbandes. Dort stand etwas von einer Schamanenschule, 14 Tage, 1200
Dollar, mit Exkursionen zu Ritualen, Besuch heiliger Quellen und auch der
Möglichkeit selbst zu arbeiten. Also hab ich angerufen und mir wurde mitgeteilt
dass noch nie jemand alleine gekommen ist, nur in Gruppen, und kein Mensch wird
etwas für mich alleine organisieren. Aber wenn ich komme werden wir sehen.
Also bin ich eben hingeflogen und da stand ich nun. Neben mir Vera, meine
große Hilfe, in den Händen die Instrumente. Wir wurden nach unserer Ankunft
sofort in die Jurte gebeten. Einer herzlichen Begrüßung folgt grüner Tee mit
Milch und einer kleinen Prise Salz. Neben einem Schamenehepaar waren etliche
Kinder und Helfer in der Jurte. Ich fackle nicht lange, erzähle kurz über jedes
Stück und spiele es dann. Vera übersetzt meine Worte in tuwinisch und ich spüre
die Wärme der Worte und beginne auf der Welle der Melodie zu schweben. Eine
wunderschöne Sprache, schade dass ich nicht genug gelernt habe. Nach dem dritten
Stück werde ich gebeten Pause zu machen. "Ohne Worte": meine kühnsten
Erwartungen werden nicht nur erfüllt, sondern es öffnen sich viele Türen. Vom
Fleck weg werde ich gebeten hier zu arbeiten. In zwei Tagen soll ich anfangen.
Meine Gefühle, "ohne Worte". In meiner Musik sei eine sehr große Kraft; in dem
Stück mit der Kalimba, dem Wasserelement, werden sehr viele Dinge hervorgerufen,
eine große Kraft der Heilung wird von den Schamanen mehrmals beschrieben, als
"in Ordnung bringen innerer Organe". Ich bin überwältigt und werde drei Wochen
brauchen um zu verstehen, zu begreifen, zu fühlen. Nun bin ich also Teil des
Zentrums, ach ja fast hätte ich es vergessen, die 1200 Dollar wollten sie von
mir nicht. Alles frei für mich. Mein Plan jedem Anwesenden ein Amulett zu
schenken wird nicht erlaubt, nur das Schamanenehepaar darf etwas bekommen. Sie
sucht sich einen Hasen aus, er ein Wildschwein. Mit den Händen wurde intensiv
die Schwingung jedes Amulettes untersucht und die Wahl war kein Geduldspiel wie
in Europa. Es gibt einfach andere Kriterien als die Farbe, wenn es um Energie
geht, und scheinbar sprechen diese Amulette eine deutliche Sprache. Da wir uns
erst gegen 19 Uhr getroffen haben beginnt es schon bald dunkel zu werden und
Vera bringt mich zum Bus, fährt noch ein paar Stationen mit, instruiert den
Fahrer ob meines Ausstiegs und alles wird gut. Gegen 21 Uhr bin ich wieder
daheim, wo mich ein Videoabend erwartet. Bis zwei Uhr sehen wir Filme und Bilder
an. Ich bin vollkommen überwältigt. Schamanen, Heilungen, Rituale, heilige
Plätze, Dokumente, Musiker....Alles auf modernstem Gerät selbst gemacht. Stück
für Stück wird davon im Internet veröffentlicht, ein Besuch dort lohnt auf jeden
Fall.
Fortsetzung folgt!
Teil 1: https://steemit.com/travel/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-1
Teil 2: https://steemit.com/deutsch/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-2
Erstveröffentlichung/Initial release by @schamangerbert feb/15/2017
Deine Sibiren–Trilogie ist ein Genuss, @schamangerbert. Da freue ich mich schon auf die Fortsetzung und hoffe, im Laufe der Zeit auch etwas über Deine Arbeit als Schamane zu erfahren. Manchmal ist es wirklich schade, dass man nur ein Mal upvoten kann. Na, resteemen geht wenigstens noch…
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Dankeschön! Wir sind jetzt bei Tag 2 meiner Reise von 7 Wochen, da kommt noch so einiges!
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