Reisebericht Sibirien, Sommer 2004, 2005 und Winter 2006 Teil 3steemCreated with Sketch.

in deutsch •  8 years ago 

Zu Gast im Schamanenzentrum

Nach dem auspacken meiner Sachen, Verteilung der Gastgeschenke an meine lieben Abholer, und dem obligatorischen Tee mit meinen Vermietern will ich raus. Ich frage nach dem Weg in die Stadt und gehe los. Nach einer halben Stunde vorbei an Wohnblocks und Holzhäusern nähere ich mich dem Zentrum von Kysyl. Die Hauptstraße mit allen wichtigen Plätzen laufe ich einfach ab, bis ich das Zentrum von Asien erblicke. Mein Ziel vor Augen stelle ich fest, ohne Umweg direkt das gefunden zu haben, wovon ich seit Jahren träume. Ich bin im Zentrum von Asien, am Ufer des Jenissei, umgeben von Bergen, vor der Weltkugel des Monumentes erwacht Demut ob der gewaltigen Ausmaße. Der Standpunkt ist als roter Fleck auf der Karte vermerkt, etwa so groß wie Deutschland, aber eben nur ein Fleck in Sibirien.

Unmittelbar im Zentrum von Asien befindet sich das Schamanenzentrum Dos Deer (Neun Himmel). Eine Jurte lädt zum Tee ein, Menschen sitzen auf Bänken herum und ich setze mich einfach dazu. Schnell wird mir klar, dass mir nichts klar ist. Englisch kann niemand, nicht mal das wenige um nach dem Namen zu fragen. Da zücke ich mein Heft mit den Eintragungen der ersten 50 tuwinischen Worte, und bin sofort komplett eingehüllt in Menschen, die irgendetwas erfahren wollen. Ich sage wie ich heiße auf tuwinisch, und bekomme dafür Tee und einen Sitzplatz in der Jurte. An Kommunikation ist nicht zu denken, aber mir macht das nichts, ich wollte dort sein und nun bin ich es. Wie durch Zauberhand erscheint nach einer Stunde eine Frau mittleren Alters und begrüßt mich auf Deutsch. Da steht vor mir eine tuwinische Frau mittleren Alters, strahlend und freundlich-lustig und spricht mit mir deutsch. Ein Traum, oder was ist hier los? Sie erzählt sie sei Lehrerin für Russisch und hat sich Deutsch als Hobby selbst beigebracht. Ich bin platt. Sie versteht mich ohne Nachzufragen. Diese Frau, Vera, wird mich noch oft begleiten, eine wunderbare Begegnung beginnt. Ich erzähle Ihr von meinem Plan im Schamanenzentrum arbeiten zu wollen. Alles über meine Musik, meinen schamanischen Hintergrund und meine Liebe zur tuwinischen Obertonmusik. Sie transferiert alles in tuwinische Sprache und die Schamanen beschließen mich morgen anzuhören und über die Aufnahme danach zu urteilen. Überglücklich verlasse ich die Jurte, bis morgen: bayerlig (tschüss). Die hereinbrechende Dämmerung lässt mich unruhig werden, doch Vera freut sich ebenso auf deutschen Kontakt und Praxis ihrer Hobbysprache, kurzum, sie beschließt, mir noch den Tempel und die Musikschule zu zeigen. Mit dem Taxi bringt sie mich sicher nach Hause, es ist fast dunkel. Jetzt bin ich müde und gehe auch gleich ins Bett.

schaman2be8f0.jpg

Das Schamanenzentrum Dos Deer wird von Aitschurek geleitet. Desweiteren arbeiten dort mehrere Berufsschamanen, Gastschamanen und fleißige Helferlein. Wo fange ich an, zu erzählen, lieber Leser, was weißt Du von Schamanen ? Ich wusste auch etwas und dachte mir, ich fahre in ein Land mit einer durchgängigen Tradition, mit Menschen, die im Schamanentum verwurzelt sind. In Tuva ist Schamanismus und Buddhismus laut Gesetz gleichberechtigt. In den 70 Jahren der russischen Einflussnahme wurde der Schamanismus wie der Buddhismus verfolgt und verboten. Seit der Perestroika (Umgestaltung) vor nunmehr 14 Jahren hat sich vieles geändert. Religion ist nun frei ausübbar, was zu so absonderlichen Auswüchsen, wie christliche Missionsversuche, geführt hat. In Kysyl gibt es drei Schamanenzentren, gegründet ab 1991, ebenso, in vielen kleineren Städten.

Normalerweise lehnen Schamanen einen Zusammenschluss prinzipiell ab und ziehen es vor alleine zu arbeiten. Das ist fast auf der ganzen Welt so und hat seinen Grund: Die Energien jedes Schamanen sind verschieden und werden von Ritualen anderer Schamanen gestört. Außer man macht Rituale zusammen, das wirkt natürlich entsprechend stärker. Aber mal ganz ehrlich, wollen sie von acht Schamanen gleichzeitig geheilt werden? Wie dem auch immer ist, jedenfalls gibt es jetzt diese Schamanenzentren und einen Verband der tuwinischen Schamanen unter Vorsitz von Professor Kenin Lopsan. Im Internet fand ich eine Seite mit der Information dieses Verbandes. Dort stand etwas von einer Schamanenschule, 14 Tage, 1200 Dollar, mit Exkursionen zu Ritualen, Besuch heiliger Quellen und auch der Möglichkeit selbst zu arbeiten. Also hab ich angerufen und mir wurde mitgeteilt dass noch nie jemand alleine gekommen ist, nur in Gruppen, und kein Mensch wird etwas für mich alleine organisieren. Aber wenn ich komme werden wir sehen.

schaman16d558.jpg

Also bin ich eben hingeflogen und da stand ich nun. Neben mir Vera, meine große Hilfe, in den Händen die Instrumente. Wir wurden nach unserer Ankunft sofort in die Jurte gebeten. Einer herzlichen Begrüßung folgt grüner Tee mit Milch und einer kleinen Prise Salz. Neben einem Schamenehepaar waren etliche Kinder und Helfer in der Jurte. Ich fackle nicht lange, erzähle kurz über jedes Stück und spiele es dann. Vera übersetzt meine Worte in tuwinisch und ich spüre die Wärme der Worte und beginne auf der Welle der Melodie zu schweben. Eine wunderschöne Sprache, schade dass ich nicht genug gelernt habe. Nach dem dritten Stück werde ich gebeten Pause zu machen. "Ohne Worte": meine kühnsten Erwartungen werden nicht nur erfüllt, sondern es öffnen sich viele Türen. Vom Fleck weg werde ich gebeten hier zu arbeiten. In zwei Tagen soll ich anfangen. Meine Gefühle, "ohne Worte". In meiner Musik sei eine sehr große Kraft; in dem Stück mit der Kalimba, dem Wasserelement, werden sehr viele Dinge hervorgerufen, eine große Kraft der Heilung wird von den Schamanen mehrmals beschrieben, als "in Ordnung bringen innerer Organe". Ich bin überwältigt und werde drei Wochen brauchen um zu verstehen, zu begreifen, zu fühlen. Nun bin ich also Teil des Zentrums, ach ja fast hätte ich es vergessen, die 1200 Dollar wollten sie von mir nicht. Alles frei für mich. Mein Plan jedem Anwesenden ein Amulett zu schenken wird nicht erlaubt, nur das Schamanenehepaar darf etwas bekommen. Sie sucht sich einen Hasen aus, er ein Wildschwein. Mit den Händen wurde intensiv die Schwingung jedes Amulettes untersucht und die Wahl war kein Geduldspiel wie in Europa. Es gibt einfach andere Kriterien als die Farbe, wenn es um Energie geht, und scheinbar sprechen diese Amulette eine deutliche Sprache. Da wir uns erst gegen 19 Uhr getroffen haben beginnt es schon bald dunkel zu werden und Vera bringt mich zum Bus, fährt noch ein paar Stationen mit, instruiert den Fahrer ob meines Ausstiegs und alles wird gut. Gegen 21 Uhr bin ich wieder daheim, wo mich ein Videoabend erwartet. Bis zwei Uhr sehen wir Filme und Bilder an. Ich bin vollkommen überwältigt. Schamanen, Heilungen, Rituale, heilige Plätze, Dokumente, Musiker....Alles auf modernstem Gerät selbst gemacht. Stück für Stück wird davon im Internet veröffentlicht, ein Besuch dort lohnt auf jeden Fall.

heiligerbergff735.jpg

Fortsetzung folgt!

Teil 1: https://steemit.com/travel/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-1
Teil 2: https://steemit.com/deutsch/@schamangerbert/reisebericht-sibirien-sommer-2004-2005-und-winter-2006-teil-2

Erstveröffentlichung/Initial release by @schamangerbert feb/15/2017

100 % Steem Power Post

Authors get paid when people like you upvote their post.
If you enjoyed what you read here, create your account today and start earning FREE STEEM!
Sort Order:  
  ·  8 years ago (edited)

Deine Sibiren–Trilogie ist ein Genuss, @schamangerbert. Da freue ich mich schon auf die Fortsetzung und hoffe, im Laufe der Zeit auch etwas über Deine Arbeit als Schamane zu erfahren. Manchmal ist es wirklich schade, dass man nur ein Mal upvoten kann. Na, resteemen geht wenigstens noch…

Dankeschön! Wir sind jetzt bei Tag 2 meiner Reise von 7 Wochen, da kommt noch so einiges!