Neuer Armutsbericht ist selbst arm - an Fakten

in deutsch •  6 years ago 

Liebe Steemianer,
die "Hilfsorganisation" Oxfam (eine Art Meta-NGO) schlägt in ihrem neuen Bericht Alarm:

"Die Vermögen der Superreichen explodieren, die der Mittelschicht schwinden."

In dem aktuellen Bericht „Public Good or Private Wealth“(1), der alljährlich vor Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos vorgelegt wird, steht unter anderem, dass "die Vermögen der Milliardäre in aller Welt 2018 gegenüber 2017 um zwölf Prozent gestiegen" sei. Im Gegensatz dazu hätte "die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung Einbußen von 11 Prozent erlitten".

Der Münchner Ökonom und Leiter des Ifo-Zentrum für Makroökonomik, Andreas Peichl, hat allerdings starke Zweifel an dem Bericht, insbesondere an der behaupteten Verarmung der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung. Dass die Vermögen der unteren Hälfte so zurückgegangen sein sollen, "entspricht nicht der makroökonomischen Realität", so Peichl, stattdessen "wachse die Weltwirtschaft und die Armut sinke insgesamt auf der Welt deutlich."(2).

Oxfam beklagt, "immer weniger Menschen können sich aus der extremen Armut befreien". Im nächsten Satz heisst es aber: "Das Tempo, in dem extreme Armut abnimmt, hat sich seit 2013 halbiert." Das heißt, die Armut nimmt ab - ein Widerspruch zu vorigen Satz?
Zwar gibt Peichl zu, dass es in weiten Teilen Afrikas und im Nahen Osten nicht genug Fortschritte gibt, "aber den Tenor des Oxfam-Berichts, es werde alle immer schlimmer auf der Welt, den teile ich ausdrücklich nicht."(2)

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https://pixabay.com

Oxfams Berechnungen zur Vermögensverteilung beruhen auf Daten des „Credit Suisse Global Wealth Databook 2018“ und der „Forbes“-Milliardärsliste von 2018. Beide Quellen sind mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, weil insbesondere Angaben zu sehr großen Vermögen vor allem auf Schätzungen beruhen (3). Auch die Methodik, nach der die Großbank Credit Suisse ihre Daten über die globalen Vermögen aggregiert, ist umstritten (4).
Denn als Maß für die Vergleiche wird das Nettovermögen eines Menschen herangezogen. Aber auch viele Menschen in der entwickelten Welt sind überschuldet aufgrund laufender Kredite und würden damit zu den Ärmsten gehören, trotz zum Teil beträchtlicher monatlicher Gehälter oder Einnahmen. Nach der Oxfam-Logik zählt auch ein junger niedergelassener Zahnarzt, der sich für sein Studium und seine Praxis hoch verschuldet hat, zum Heer der weltweit Armen. Ärmer sogar als ein afrikanischer Kleinbauer, der weder Vermögen noch Schulden hat.
Die Aggregation von Nettovermögenszahlen sei daher eine "bedeutungslose Jagd nach Schlagzeilen", kritisieren auch Londoner Ökonomen (4).
Auch sonst strotzen die Oxfam-Pressemitteilungen nur so von Polemik. „Während die Superreichen ihr Vermögen in "Lichtgeschwindigkeit" vermehren, geht es für die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung wirtschaftlich bergab." (1)
Diese Kampfrhetorik fördert nicht gerade die Glaubwürdigkeit dieser Institution.
Auch das feministische Klientel wird im Bericht bedacht: Im weltweiten Durchschnitt besitzen Männer laut Oxfam-Report 50 Prozent mehr Vermögen als Frauen. Und Frauen beziehen um 23 Prozent niedrigere Gehälter. Überrascht mich nicht wirklich.

In einem gebe ich Oxfam allerdings recht: Dass es fragwürdig ist, wie ungleich Einkommen versteuert wird. In reichen Ländern sind laut Oxfam zwischen 1970 und 2013 die Spitzensteuersätze auf Einkommen von durchschnittlich 62 auf 38 Prozent gefallen! In einigen Ländern, darunter Großbritannien und Brasilien, wenden die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung einen höheren Anteil ihres Einkommens für Steuern auf als die reichsten zehn Prozent.

Im Kern geht es um die implizierte alte Aussage, wonach "die Armen immer ärmer werden, weil die Reichen reicher werden". Der Ökonom Peichl verneint das ("Das ist kein Nullsummenspiel!") und wirft der NGO vor, die Lage in ihrem Sinne zu zeichnen: "Es gibt eine ganze Industrie, die damit verdient mit Berichten, dass es alles immer schlimmer wird."

Apropos: Oxfam war ja erst letztes Jahr heftig in die Schlagzeilen geraten aufgrund von wilden Sexparties von Oxfam-Mitarbeitern mit Prostituierten in der dritten Welt (5).

(1) https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2019-01-21-superreiche-gewinnen-25-milliarden-dollar-pro-tag-haelfte
(2) https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2019-01/45758389-verteilungsforscher-widerspricht-oxfam-bericht-003.htm
(3) https://www.handelsblatt.com/politik/international/davos2019/bericht-zur-ungleichheit-zahl-der-milliardaere-nahezu-verdoppelt-zahl-der-armen-sinkt-langsamer/23880418.html?ticket=ST-1488958-qm10ICZhgbdbLkDcZxDD-ap5
(4) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/oxfam-bericht-zur-ungleichheit-acht-maenner-reicher-als-die-halbe-welt-14660798.html
(5) https://www.derwesten.de/politik/london-setzt-oxfam-nach-sexparty-berichten-unter-druck-id213407941.html

Verwandte frühere Artikel von mir zum Thema:
Über Armut - eine Provokation


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"Es gibt eine ganze Industrie, die damit verdient mit Berichten, dass es alles immer schlimmer wird."

jo - habe selbst Entwicklungshilfe gemacht. Nur wer wirklich vor Ort alles (eigenes Geld) gibt, ändert langfristig etwas.

Ohne den Artikel jetzt im Detail gelesen zu haben, sollte man bei soetwas immer sehr kritisch sein. Ich habe mitunter schon bei mehreren Studien gelesen, dass die Menschen, die unter der absoluten Armutsgrenze leben müssen, zahlenmäßig immer weniger werden. Für meine Recherchen bei einer Ausarbeitung zum Thema Regenwaldabholzung waren die Studien auch teilweise falsch bzw. ungenau - kann mir vorstellen, dass das hier ähnlich ist.

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Es ist ganz einfach:
In den 80er Jahren hat noch 1/3 der Weltbevölkerung gehungert, heute sind es unter 10%.
Bald werden es hoffentlich 0% sein.

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