Geldentstehung ganz ohne Zentralbank und gesetzliche Annahmepflicht am Beispiel der ECU (European Currency Unit)

in deutsch •  6 years ago 

Liebe Steemit Community,
liebe Freiheitsfreunde,
liebe Freiheitsfeinde,

und schon wieder ein Artikel über Geld.

Viele Kritiker unseres Geldsystems nennen als Grund für die Tatsache, dass der Euro, USD, GBP oder JPY als Geld funktioniert und von den Menschen angenommen wird, obwohl er doch eigentlich völlig wertlos wäre, da nicht goldgedeckt, den gesetzlich vorgeschrieben Zwang zur Annahme dieser Währungen im jeweiligen Währungsraum.

Gäbe es nicht den gesetzlichen Zwang, wären wir sofort wieder beim Gold.
Schließlich ist doch, um Peter Boehringer zu zitieren, "ungedecktes Papiergeld legales Falschgeld."

Auch Mises hat dies mit seinem Regressionstheorem nachgewiesen.

Geld muss, so das Regressionstheorem, aus einem Sachgut entstanden sein, einem Sachgut, das zunächst nur aufgrund seiner nicht-monetären Verwendung wertgeschätzt wurde.
[...]
Mises‘ Regressionstheorem erklärt damit auch, warum ungedecktes Papiergeld nicht natürlich, also über den freien Markt, entstehen kann – und auch nie entstanden ist.
Ungedecktes Papiergeld ist vielmehr immer durch Zwangs- und Gewaltmaßnahmen von staatlicher Seite in Umlauf gebracht worden, indem (irgendwann einmal) die Eintauschverpflichtung der Banken vom Staat suspendiert wurde.

Quelle

Ich frage mich aber wieso dann folgende "Kunstwährung" sich als Geld etablieren konnte.

Wie bereits gestern hier angekündigt geht es heute um die

European Currency Unit (ECU)

5_ECU_-_1987_-_Brüssel.jpg

Quelle

Die Europäische Währungseinheit ECU (European Currency Unit) war von 1979 bis Ende 1998 die offizielle Rechnungseinheit der Europäischen Union. Sie wurde zum Beispiel als Bezugsgröße für das Europäische Wechselkurssystem und als alleinige Rechengröße für sämtliche Operationen im Rahmen des Interventions- und Kreditmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS) verwendet. Der ECU war als ein Währungskorb definiert, in dem feste Beträge der meisten EU-Währungen enthalten waren. Mit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion ging der ECU mit einem Umrechnungskurs von 1:1 in den Euro, über.

Quelle

ECU- Währungskorb

ECU.jpeg

Quelle

Die ECU war also eine reine Verrechnungseinheit innerhalb des Europäischen Währungssystems bestehend aus einem Währungskorb der teilnehmenden Länder, unter denen die Deutsche Mark die stärkste Gewichtung hatte.

Es gab weder Münzen noch Scheine (die oben gezeigte Münze ist nur eine Gedenkmünze/Sondermünze) und es war auch nicht als gesetzliches Zahlungsmittel zugelassen.
Die Verrechnungseinheit ECU war nie für den privaten Gebrauch zugelassen und ihr Gebrauch außerhalb des EWS wurde von der Bundesbank bekämpft.
Trotzdem war es Geld und wurde von den Bürgern auch genutzt.

Es gab Schuldtitel aller Laufzeiten, die in ECU denominiert waren und von Privatleuten gekauft wurden, es gab ECU Bankkonten mit Scheckziehungsrecht und Überweisungen, ECU-Kreditkarten und das Ganze mit einem jährlichen Volumen von über 20 Milliarden Dollar.
Ganz ohne staatlichen Zwang.

Wie kann das sein?
Ich würde sagen, Mises lag mit seiner Geldtheorie einfach falsch.

Schauen wir noch mal bei Johann Philipp Freiherr von Bethmann nach :

Geld ist jede im Prinzip übertragbare, offene geldwerte Forderung in der Wirtschaft.
Geld entsteht ohne Zutun und Segen der Notenbanken.
[...]
Alles Geld entsteht in einem autonomen Schöpfungsakt innerhalb der Wirtschaft. Es entsteht mit jeder Neuverschuldung zwischen [...] einem Schuldner und einem Gläubiger.
Welches Geld das ist, das heißt aus welcher Währung das neue Geld jeweils besteht, ist Sache dieser zwei Partner, vor allem natürlich Sache des jeweiligen Gläubigers.

(Quelle: Bethmann - Auf Inflation folgt Deflation, S.82, 83)

Dieser Absatz erklärt, warum der ECU ganz freiwillig von Privatleuten verwendet wurde, aber auch warum in Ländern ohne eigene Währung, wie dem Kosovo oder Monaco, der Euro als Geld verwendet wird und eben nicht, Gold oder Silber.

Ich würde sagen, es wäre langsam an der Zeit für die Austrians ihre Geldtheorie noch mal zu überdenken.
Eine Theorie, auch wenn sie von einem so klugen Mann stammt, wie Ludwig von Mises, sollte niemals zu einem Dogma werden.

Bis bald,
Stephan Haller

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Eine Theorie, auch wenn sie von einem so klugen Mann stammt, wie Ludwig von Mises, sollte niemals zu einem Dogma werden.

Amen.
Danke dir für den super Post!
Wieder was gelernt :)

Wie mein Vater immer sagt: "Jeden Morgen steht ein Depp auf. Du musst ihn nur finden."

Lieber @stehaller,
Du bist so produktiv, dass ich mit dem Lesen, Denken und upvoten nicht nachkomme!!
Ab Freitag zieht es uns für eine Woche in die Hohe Tatra in die Slowakei, da werde ich es versuchen nachzuholen, an einem extra @stehaller-Tag:)
BGvB

Danke!
Lehrer haben eben viel Freizeit.

Steht Euch aus meiner Sicht zu, den der Kampf um wirkliche Bildung und echte Wissensvermittlung ist wirklich anstrengend, meine bessere Hälfte ist ja auch Lehrerin!
Ich hab das auch immer so gesehen, dass ich dank meiner Frau eben auch einen Teil des bezahlten Steuerwahns direkt zurückerhalte:)))

  ·  6 years ago (edited)

Ich kann echt nicht folgen, wie man hier schreiben kann:
"Geld entsteht ohne Zutun und Segen der Notenbanken.
[...]
Alles Geld entsteht in einem autonomen Schöpfungsakt innerhalb der Wirtschaft."

...und dann ausgerechnet den ECU (Recheneinheit, fiktiv durch einen Währungskorb von anderen Zentralbankeinheiten "gedeckt") als einen "autonomen Schöpfungsakt innerhalb der Wirtschaft" (von wem denn?) als Beispiel anführt.

Wer hat denn das Geld, das durch die privaten Konten, Schecks, Anleihen und Kreditkarten ,freiwillig und ohne das Zutun von Zentralbanken, geschaffen und in ECU denominiert wurde erschaffen?
War es die Wirtschaft in einem autonomen Schöpfungsakt (so wie bei 95% allen Geldes) oder waren es die Zentralbanken?
Natürlich war es die Wirtschaft.
Wie ich schon mehrmals wiederholt habe, kann eine Zentralbank außer den Geldscheinen überhaupt kein Geld erschaffen. ECU Geldscheine gab es bekanntlich nicht. Also haben hier 100% des Geldes private Banken erschaffen.

Ich denke das der technologische Fortschritt (Internet, Datenbanken, vollautomatische Computersysteme) den Begriff "Geld" um viele neue "Moeglichkeiten" erweitert hat. Der ECU als Verrechnungseinheit hat seine Legitimitaet im Prinzip nur bekommen weil das dahinter stehende Datensystem und deren Management fuer "richtig" befunden wurden. Geld als Tauschmittel oder Verrechnungseinheit kann alles moegliche sein und der neu entstandene Kryptomarkt erweitert wieder unser bisherigen Begriff von Geld.
Nur muss ich auch mal die "Goldbugs" in Schutz nehmen denn wo Gold als Zahlungsmittel untauglich ist so ist es doch als Wertspeicher mit seiner langen Geschichte doch sehr gut geeignet. Es ist beim besten Willen keine Rendite Objekt aber als harte Versicherung und Schutz gegen Katastrophen sehe ich darin schon einen Nutzen.
Danke fuer den guten Beitrag!!!

Jetzt bin ich aber auf die Reaktionen gespannt!

Ich trau mich schon gar nix mehr zu sagen...

Sprich dich aus lieber @argalf. Ich habe gehört, dass man durch schweigen eventuell einen dicken Hals bekommt. Ich hab das also nur gehört, kann es aber leider nicht wissenschaftlich empirisch beweisen.

Vielleicht am Wochenende. Bis dahin bin ich im Spar-Steem-Modus unterwegs...

Nur raus damit, oder bist Du auch so ein Geldzauberer?
Deine Avatar sieht ein bisschen nach Geldzauberer aus :-)

Gut, daß ich auch ein friedlicher Zauberer bin und jetzt keine Flüche ob Deines ungebührlichen Betragens ausstoße.

... auch so ein Geldzauberer...

Da ich das wohl in meinen 20 Fakten vergessen habe, sehe ich Dir Deine Unwissenheit nach.

Ich befasse mich ausschließlich mit seriösen Zaubereien, wie z.B. Blei in Gold zu verwandeln. Das zugehörige "geht doch nicht"-Märchen hat sich über die Jahrhunderte gehalten, auch zum Schutze der wenigen wirklich wissenden Alchemisten...

Von wem?

  ·  6 years ago (edited)

Die Conclusio mit dem Dogma gefällt mir!
Den Rest lasse ich erstmal sacken...

Keine Ahnung wie Du darauf kommst, dass die Annahme des ECU ausgerechnet gegen die Geldtheorie der Österreicher sprechen soll. Im folgenden will ich dazu kurz Stellung nehmen.

Ich möchte in der folgenden Darstellung auch den Bitcoin einbeziehen, weil er stellvertretend für alle anderen Kryptowährungen auch sehr neu ist und dennoch als Geld akzeptiert wird.

Der Bitcoin ist auch eine Kunstwährung in deinem Sinne, ist aber ein Marktgeld und stützt damit eher die Theorie der Austrians. Der ECU war an die Wirtschaftsleistung der Mitgliedsländer gekoppelt und unterlag damit festen unmanipulierbaren Regeln. Der Euro hingegen hat keine dieser festen Regeln und die es mal gab wurden nach und nach aufgeweicht. Der ECU konnte hier offensichtlich mehr Vertrauen schaffen, als die damaligen einzelnen Landeswährungen. Er spielte aber auch mit den von dir genannten Summen im europäischen Wirtschaftsverkehr keine Rolle und von daher sollten wir das Thema nicht an die ganz große Glocke hängen.

Da der Markt im Entdeckungsverfahren funktioniert und einige Staaten damals auch Schuldverschreibungen in ECU ausgaben, wurden diese eben auch von willigen Käufern aufgekauft. Aber der ECU war niemals Zahlungsmittel im Sinne von Bargeld oder so. Er war ein Börsenphänomen mit noch weniger Liquidität in der Realwirtschaft. Möglicherweise wäre er heute sogar noch beliebter als der Euro, wenn man ihn nicht 1:1 in den Euro hätte aufgehen lassen.

Die Austrians sagen, Geld ist das allgemein akzeptierte Tauschmittel. Es entsteht spontan. Das dürfte beim ECU und dem Bitcoin der Fall gewesen sein. Beide Währungen können und konnten nicht durch eine zentrale Stelle manipuliert werden, weder in der Menge noch in anderen Eigenschaften. Es gab und gibt feste Regeln. Das schafft Vertrauen. Wenn das Geld die Funktion des Tauschmittels erfüllt, dann hat es einen Nutzen und wird entsprechend nachgefragt.

Der Bitcoin schuf sein Vertrauen durch mathematische Nachahmung des Goldbergbaus. Er unterliegt dem Proof-of-Work, einem Arbeitsnachweis. Es entfallen Kosten für Zeit, Energie und Kapitalbindung. Daraus ist nicht sein Wert zu erklären, aber immerhin ist da nichts nichts! Der ECU ist durch einen festen Währungskorb definiert, der nur alle fünf Jahre gemäß der Wirtschaftsleistung angepasst wurde. Feste mathematische Regeln, die ein Jugendlicher zu lösen imstande ist!

Nun wie entsteht aber nun nach dem Regressionstheorem Geld? Ganz einfach, ein (Sach)Gut mit Nutzwert wird irgendwann zu Geld besagt die Theorie. Dabei ist Sachgut nicht unbedingt ein physischer Gegenstand. Vielmehr steht die Nutzenstiftung im Vordergrund. Das das in den vergangenen tausenden Jahren Gold und Silber waren, liegt einfach daran, dass sie eben einen Nutzwert hatten. Heute können auch andere entmaterialisierte Dinge Nutzwert haben und die Geldfunktion erfüllen. Das war offensichtlich beim ECU so und ist heute beim geschichtslosen Bitcoin so. Denn im Grund setzt das Regressionstheorem im Bsp. des Bitcoins auf die Geschichte des Papiergeldes auf, das wiederum auf die Geschichte des Goldgeldes aufsetzt. Ohne vorangegangene Papiergeldgeschichte gäbe es wahrscheinlich keinen Grund den Bitcoin zu erfinden. Damit ist das Regressionstheorem erfüllt. Das beweist eben, dass Millionen Marktakteure bereit waren, ihr Fiatmoney gegen die digitale Münze einzutauschen. Bei jedem Tausch geht der Nutzwert des Euros auf die entsprechende Bitcoineinheit über. Die diesen wahrscheinlich noch erhöht durch seine geringen Transaktionskosten, schnelle Transaktionsabwicklung und relative Anonymität. In Zeiten überregulierter Geldmärkte reifte eben auch Nachfrage nach unregulierten Währungen, der Bitcoin und alle anderen Kryptos kamen da zur rechten Zeit.

Ich hoffe es ist deutlich geworden, dass wir uns weder mit dem ECU noch mit anderen freiwillig angenommenen Währungen im Widerspruch zur Österreichischen Geldtheorie befinden.

Beste Grüße

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  ·  6 years ago Reveal Comment

uncool, Bruder