In der Reihe "Rhetorik" vermittle ich in kompakten Einheiten Grundsätze und Tricks der Rhetorik.
Das Thema heute ist Kunstgriff 36: Plattreden
Wir reden einfach sinnlos, hochgestochen und mit einem gewaltigen Wortschwall (bzw. Redefluss).
Wenn wir etwas sagen und davon viel, dann müssen wir uns dabei doch etwas gedacht haben und Ahnung haben, oder? Zumindest wird sich das unser Gegner denken. (Wird so auch gerne von Lehrern angewendet, die keine Antwort auf die gestellte Frage haben.)
Das Ziel ist es dadurch den Gegner zu verblüffen, zu verwirren und damit außer Gefecht zu setzen. Vieleicht wird er auch den Faden verlieren und garnicht mehr wissen was er eigentlich sagen wollte.
Hier zitiere ich das Beispiel, das Schopenhauer genannt hat:
«Recht, Frank!», rief der Gutsherr; »möchte ich an diesem Glas ersticken, wenn nicht ein hübsches Mädel die ganze Priesterschaft in der Schöpfung wert ist. Was sind ihre Zehnten und Kniffe anders als ein aufgelegter Schwindel, ein ganz verteufelter Betrug? und ich kann es beweisen.»
– «Ich wünschte, Sie würden es», rief mein Sohn Moses; «und ich denke», fuhr er fort, «daß ich im Stande sein werde, Ihnen zu entgegnen.» –
«Vortrefflich, mein Herr», rief der Gutsherr, der ihn ohne weiteres schraubte und der übrigen Gesellschaft winkte, uns auf einen Spaß vorzubereiten: «wenn Sie für eine kühle Erörterung über den Gegenstand sind, so bin ich bereit, die Forderung anzunehmen. Und zuerst: sind Sie für analogische oder dialogische Behandlung?»
– «Ich bin für rationale Behandlung», rief Moses, ganz glücklich, daß er die Möglichkeit zu disputieren fand. -
«Gut», rief der Gutsherr: «und erstlich, zum ersten, so hoffe ich, werden Sie nicht leugnen, daß alles, was ist, ist: wenn Sie mir das nicht zugeben, kann ich nicht weitergehen.»
– «Nun ja», erwiderte Moses, «ich denke, das kann ich zugeben; und daraus den größten Vorteil ziehen.» –
«So hoffe ich auch», entgegnete der andere, «Sie werden zugeben, daß ein Teil kleiner ist als das Ganze.»
– «Ich gebe auch das zu», rief Moses: «es ist nur richtig und vernünftig.» –
«Ich hoffe», rief der Gutsherr, «Sie werden nicht leugnen, daß die drei Winkel eines Dreiecks zwei rechten gleich sind.»
– «Nichts kann klarer sein», erwiderte der andere und blickte mit seiner gewohnten Wichtigkeit um sich. –
«Schön», rief der Gutsherr, indem er sehr schnell sprach, «da die Prämissen also feststehen, gehe ich zu der Bemerkung über, daß die Verkettung von an sich seienden Existenzen, in einem wechselseitigen doppelten Verhältnis fortschreitend, naturgemäß einen problematischen Dialogismus hervorbringt, welcher in einem gewissen Grade beweist, daß die Essenz der Spiritualität auf das zweite Praedicabilezu beziehen ist.»
– «Halt, halt», rief der Andere, «ich leugne das. Glauben Sie, ich kann mich solch heterodoxen Lehrsätzen gefügig unterwerfen?» –
«Was!» versetzte der Gutsherr wie in Erregung, «nicht unterwerfen! Beantworten Sie mir eine einzige klare Frage. Glauben Sie, daß Aristoteles recht hat, wenn er sagt, daß Relativa in Relation stehen?»
– «Zweifellos», entgegnete der andere. –
«Wenn das ist, dann», rief der Gutsherr, «antworten Sie mir genau auf meine Fragestellung: halten Sie die analytische Untersuchung des ersten Teils meines Enthymems für unzureichend secundum quoadoder quoad minus? und nennen Sie mir Ihre Prinzipien und zwar auf der Stelle.»
– «Das muß ich ablehnen», rief Moses, «ich begreife nicht recht, was Ihre Erörterung beweisen will; aber wenn sie auf eine einzige einfache Behauptung zurückgeführt wird, so meine ich, dürfte sie eine Antwort finden». –
«O, mein Herr», rief der Gutsherr, «ich bin Ihr ergebenster Diener: aber ich bemerke, Sie wünschen von mir, daß ich Sie mit Argumenten versehe, und mit Verstand obendrein. Nein, mein Herr; da protestiere ich, Sie sind mir zu schwierig.»
Dies erregte lautes Gelächter über den armen Moses, welcher als die einzige unglückliche Figur in einer Gruppe vergnügter Gesichter saß; er sprach auch keine einzige Silbe mehr während der ganzen Unterhaltung.
Hier kann es hilfreich sein sich vorher einige Sätze und Fachwörter zurechtzulegen.
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Quelle: Arthur Schopenhauer; Eristische Dialektik oder die Kunst, Recht zu behalten
Liest sich ein bischen wie einer der Dialoge des Platon. Wer fragt der führt.
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Schopenhauer sagt selbst, dass Philosophen diesen Trick gerne anwenden.
Mit Platon kenne ich mich allerdings nicht aus. Während meiner Schulzeit habe ich "das Gastmahl" gelesen, aber nichts verstanden ;)
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Tja es geht ja auch um die Kunst des Sprechens. Was will man da machen.
Meinte nur Plato. Weil Sokrates in der Regel viele Fragen gestellt hat und so sein Gegenüber langsam aber konsequent auf sein Ziel hingeführt hat. Darum, wer fragt der führt.
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