Der alltägliche Richtungsstreit
Jahr für Jahr, Wahl um Wahl. Er kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, der Wetterumschwung zum ungünstigsten Zeitpunkt und das entscheidende Gegentor in allerletzter Minute. Der Richtungsstreit geistert in regelmäßigen Abständen durch alle Medien, auf Parteitagen, durch Konferenzen, Haushalte, Wohnzimmer und Abstellkammern. Ganz egal wer uns über den Beginn, den Verlauf oder den Abbruch des Streites auf dem Laufenden hält. Sei es jetzt der Regierungssprecher, der Nachbar, die Ehefrau oder der Postbote.
Kaum jemand macht sich Gedanken darüber, in welch riesige Konfliktfelder Personen gezogen werden, die bis vor Tagen noch nicht wussten, dass über Richtungen überhaupt gestritten werden kann.
Verwundert es da, bei dieser Vielzahl betroffener und gleichzeitig überforderter Menschen, wenn an unseren Straßenrändern, auf unbestellten Feldern, im eigenen Keller und gar manchmal vor öffentlichen Toiletten, sich jährlich Halden aus sinnlosen Irritationen und eskalierenden Gewissenskonflikten anhäufen? Kürzlich begonnene Ausgrabungen konnten sogar den Beweis erbringen, dass Fehlinterpretationen und Ahnungslosigkeit einen nicht unbeträchtlichen Anteil am schnellen Wachstum dieser von Fragen aufgeworfenen Hügel beitragen.
Psychologen, Konfliktforscher und Therapeuten, auch mit Abschlüssen auf dem zweiten Bildungsweg, ignorieren diese landschaftlichen Veränderungen von Beginn an. Dies wiegt umso schlimmer, da sich schon längst herausgestellt hat, dass die Halden weder zu begrünen, noch mit den Farben des Lieblingsvereins zu bemalen sind. Die öffentlich propagierte Ignoranz dier vollkommen überschätzten „Experten“ ist keineswegs darauf zurückzuführen, dass sie sich mit der Problematik noch nicht befasst oder gar die dazu notwendigen Lehrbücher als Stütze für den wackligen Schrank zweckentfremdet hätten.
Nein, es liegt auch nicht daran, keinen geeigneten Gesprächsleiter für die Selbsthilfegruppe gefunden zu haben, obwohl alle, als arbeitslos gemeldeten Talkmaster angeschrieben wurden. Ganz im Gegenteil! Die Psycho-Mafia beteiligt sich sogar noch munter an der Anhäufung dieses Sondermülls. In jedem Parlament, in jedem Verein und sogar in der Nachbarschaft hat sich inzwischen ein Gedankenklempner eingenistet, der nur darauf wartet, dass auch vor seiner Praxis die ersten Halden mit sinnlosen Gedanken ahnungsloser Nichtwähler und friedliebender Nachbarn sich still und heimlich anhäufen. Denn erst, wenn die Krankenkasse zahlt, wird die erste lockere Schraube wieder angezogen. Sogar ein eiligst eingebrachter Gesetzesentwurf, in dem die Verlagerung, Verteilung und eventuelle Abarbeitung der Berge in die Übertragung der europäischen Hand gefordert wurde, fand letztendlich keine Mehrheit. Denn alle linken und rechten Flügel der Parteien hatten sich im Richtungs-Wirrwarr so verlaufen, dass sie sich in einem Vorort von Potsdam wiederfanden, wo ein dubioser Straßenverkäufer fragwürdiges Interesse an den Hügel bekundet hatte.
Aber sind wir doch mal ehrlich. Es kann doch jeden und überall treffen. Plötzlich stehst du mitten drin. In dem verdammten Richtungsstreit. Ich brauche doch nur mal einen Blick in das Gedankengezerre am Abend zu werfen, das sich alltäglich im Kopf meiner Bekannten und deren vierjähriger Tochter abspielt. Die kleine Tochter entscheidet sich meist für die Variante, die direkt ins Bett führt, da sie im Badezimmer sowieso nur kalte Füße bekommt. Und schon ist meine Bekannte bereits im Richtungsstreit gefangen. Soll sie jetzt ganz ruhig bleiben und sachlich zu erklären versuchen, dass es für den kleinen Quälgeist und die erziehungsberechtigte Mutter besser wäre, wenn die Tochter noch vor dem Sprung auf die Matratze in die Toilette pinkele? Was wohl für alle involvierten Parteien besser wäre, als Selbiges nur wenig später im angewärmten Bett zu erledigen? Oder doch die psychologisch sehr fragwürdige Methode bevorzugen und dem Kind einreden, dass es gerade das Alter erreicht habe, in dem einfach nicht mehr ins Bett gepinkelt wird?
Um den Gedankenkonflikt im Kopf meiner Bekannten noch etwas anzufeuern, legte ich, einmal über das Gedankenwirrwarr in Kenntnis gesetzt, sogar noch eine weitere Schaufel Zweifel auf diesen Hügel der Unentschlossenheit, in dem ich ihr ungefragt zu der Variante riet, der Tochter folgende Konsequenzen bei Nichtnutzung der Toilette anzubieten:
- Anstatt der Geschichte mit dem rosa Krokodil, das aus Versehen die Oma von Susanne auffrisst, werden lediglich Passagen aus den Vereinbarungen zum Länderfinanzausgleich vorgelesen.
- Alle geringelten Socken sind ab sofort tabu und werden durch gestreifte ausnahmslos ersetzt. Koste es, was es wolle!
- Ab morgen gibt es nur noch Rohkost.
Nun sitzt meine Bekannte Tag für Tag vor der Waschmaschine und kann sich einfach nicht entscheiden. 30, 60 oder doch besser 90 Grad?
Großes Kino. Du bist 'n Intellektueller mit Humor. Seit wann gibt's denn sowas?
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Eigentlich bin ich schon ausgestorben. Aber nur eigentlich - denn 'ne Fortsetzung hab ich noch.
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Ausgestorben also. Ich hatte ja schon den Verdacht, dass die aktuellen Vorgänge so manchen im Grabe rotieren lassen aber das ist dann ja doch noch einmal ein beachtlicher Schritt, einen Blogeintrag folgen zu lassen. Rotieren allein ist da weniger hilfreich.
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Ok - überredet!
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Hey @w74, great post! I enjoyed your content. Keep up the good work! It's always nice to see good content here on Steemit! :)
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