Garantiert hat mir jemand ein oder zwei Reifen geklaut?!

Die folgende Kurzgeschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. Dies kann ich aus dem Grund mit aller Gelassenheit behaupten, da mir die wichtigen Details aus dem Mund meiner geliebten Frau ins Ohr geflüstert wurden.
Meine Frau und das Auto. Das ist ein wahrhaftig gutes Team. Natürlich nur, solange das Blechteil betankt ist, im Winter die Scheiben von Eis und Schnee befreit sind und die Garantie vorliegt, dass nach zwei Metern Fahrt nicht ein rotes Lämpchen signalisiert, dass man nicht angeschnallt ist.

Ein typisches Beispiel gefällig?
Tiefster Winter. Die Windschutzscheibe mit Eis und Schnee belegt. Ich gebe den Ratschlag, doch bitte die Standheizung zu aktivieren, damit der Blick auf Asphalt und Südtirol gewährleistet ist. Daraufhin ertrage ich einen Bericht darüber, wie die Natur aussehen würde, wenn alle Autofahrer ständig die Standheizung nutzen.Mein Vorschlag, es doch dann mit Kratzen zu versuchen, wird abgelehnt, da die Finger bei einer solchen Tätigkeit ständig vom Erfrieren und Absterben bedroht sind. Letztendlich entsteht auf der vereisten Windschutzscheibe des VW Golf ein umweltverträgliches enteistes Quadrat von 20 auf 20 Zentimeter.
Meine besorgte Frage: „Wie willst du durch dieses kleine Loch überhaupt was sehen?“
Die Antwort: „Hauptsache die Anderen sehen mich.“

Ich werde oft von Bekannten und Freunden gefragt, wie ich es schaffe so entspannt im Auto zu sitzen und ein Buch oder die Zeitung zu lesen, ohne dass mir dabei schlecht wird? Ganz einfach. Schwindelgefühle kommen bei mir erst auf, wenn ich auf den Tacho und dann auf das entspannte Gesicht meiner geliebten Chauffeurin blicke.

Hier stimmt doch was nicht.

Das war nun bereits das vierte Auto auf dieser kurzen Strecke, das mir Blinkzeichen gibt. Ich kenne zwar hier in der Gegend jede Menge Leute, doch dass so viele von denen mir ausgerechnet jetzt entgegenkommen, kann ich mir fast nicht vorstellen. Normalerweise schenke ich entgegenkommenden Autos nicht mehr Beachtung als unbedingt notwendig. Das heißt, ich nehme sie als Objekt wahr, das mehr oder minder schnell auf mich zukommt und das war es dann auch. Welcher Fahrzeugtyp, Marke, Model oder gar Kennzeichen, solche Informationen bleiben von mir unbemerkt auf dem unter mir hinfließenden Asphalt liegen. Wie andere Verkehrsteilnehmer es schaffen rückblickend verlässliche Erkenntnisse darüber zu abzuliefern, wer mit wem in einem vorbeifahrenden Auto saß, bleibt mir daher rätselhaft.

Schon wieder eine Lichthupe. Da will mich doch garantiert jemand auf etwas aufmerksam machen. Hundert Prozent ist irgendwas mit meinem Auto nicht in Ordnung. Verfluchte Hacke, genau das würde mir jetzt gerade noch fehlen. Der Blinker ist ausgeschaltet, das Licht brennt und nicht ein rotes Lämpchen macht Faxen auf dem Armaturenbrett. Vielleicht hängt wieder ein ganzes Stück von meinem Mantel aus der Tür?! Blödsinn. Es ist Hochsommer und ich sitze mit T-Shirt hinterm Steuer. Aber verwundern würde es mich nicht. Nichts rappelt und klappert. Die Türen sind alle fest zu. Was kann es denn noch sein? Vielleicht brennt der Motor? Wie riecht das denn überhaupt, wenn ein Motor brennt? Oder ist ein Reifen platt? Möglicherweise habe ich ein ganzes Rad verloren? Hat mir irgend ein Depp über Nacht einen Reifen geklaut? Ich muss unbedingt anhalten. Die blinken doch nicht umsonst. Was, wenn alles gleich explodiert? Nur hier ist es gerade schlecht. Zum Explodieren und zum Anhalten. Kein Seitenstreifen oder sonstige Möglichkeit das Auto sicher abzustellen. Vorsichtshalber fahre ich langsamer und versuche mich irgendwie bis zum Altenheim rollen zu lassen. Dort kann ich zumindest an der Bushaltestelle anhalten.
Scheiße, das hat mir gerade noch gefehlt. Jetzt steht da schon so ein Depp. Aber darauf kann ich nun auch keine Rücksicht mehr nehmen. So viel Platz muss sein. Ich lasse mein Auto im Schritttempo auf das geparkte Fahrzeug zurollen, das übrigens entgegen der Fahrtrichtung abgestellt ist, schalte den Motor ab und befreie mich vom Sicherheitsgurt. Ich habe noch nicht beide Füße auf dem Asphalt, da steht auch schon ein mir wildfremder Mann neben meiner Fahrertür. Was will der jetzt? Ich weiß selbst, dass ich in der Zufahrt zur Bushaltestelle stehe. Ich plane auch nicht, ewig lange hier zu verweilen. Außerdem stehe ich mit Sicherheit nicht gegen die Fahrtrichtung! Aber mal sehen, vielleicht hat er ja Ahnung von Autos und er sieht etwas, was ich nicht sehe?
Hoppla, Überraschung, Überraschung. Erst jetzt, da ich mich aus dem Auto gehangelt habe, bemerke ich die Uniform meines Gegenübers. Auch ohne seine Mütze kann ich den Mann der Polizei zuordnen. Aber eines ist klar, wenn ich alles im Moment brauche, aber bitte keine unnötigen Diskussionen. Ich bin ja gleich wieder verschwunden.
Nach einer höflich, freundlichen Begrüßung zeigt der Mann sich sogar daran interessiert, ob ich eventuell mit einem Problem zu kämpfen hätte. Was für eine Frage? Das habe ich sehr wohl! Mein Auto steht kurz davor in die Luft zu fliegen und der kommt mit so einer Frage um die Ecke.
Ich schildere ihm von der Blink-Orgie, reduziere meine Befürchtungen auf das in Kürze mit Sicherheit zu verlierende Rad und deute nur beiläufig die Möglichkeit einer Explosion des Motors an. Ich möchte ja auch nicht übertrieben hysterisch dastehen.
Ohne auch nur einen Blick auf mein Auto zu werfen, was ich im Moment als eine Form der Überheblichkeit einordne, teilt mir der Beamte mit, dass mit meinem Vehikel mit Sicherheit alles bestens bestellt ist. Ich könne mich beruhigt wieder auf dem Fahrersitz niederlassen und meine Reise fortsetzen. Polizist hin oder her, die Uniform macht ihn mit Sicherheit nicht zum Allwissenden. Ich möchte doch lieber eine Runde um mein Sorgenkind drehen. Was ich mit meinen eigenen Augen sehe, beruhigt mich doch entscheidend mehr, als eine aus der Luft gegriffene Behauptung eines Fremden.





Meine Sorge scheint ihn nun auch noch zu amüsieren. Aber er geht auf meinen Wunsch ein und schlägt mir vor, doch bei Gelegenheit auch mal einen kurzen Blick auf sein Fahrzeug zu werfen. Im Speziellen denkt er da an den Kühlergrill, dem ich mich vorhin bis auf einen halben Meter angenähert hatte. Ich will nicht unhöflich sein und mache einen Schritt nach vorne. Urplötzlich steht mir die Peinlichkeit ins Gesicht geschrieben. Aus dieser Perspektive und so nah habe ich eine Radaranlage vorher noch nie gesehen.