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Heute machen ich einen, zur Leseprobe angebotenen, Sprung.
In Teil 3 https://steemit.com/deutsch/@zeitgedanken/die-freie-gesellschaft-teil-3
hatte ich den Bereich des Naturrechtsaxiom
Alle haben das gleiche Recht auf freie Lebensentfaltung
dem heute in der Bundesrepublik Deutschland gültigen Recht, Grundgesetz, gegenübergestellt. Das darüber noch viel mehr beschrieben werden kann, ergibt sich von selbst und wird im Buch auch umfänglich thematisiert.
Aber unser Leben besteht vorwiegend aus einer ökonomischer Sichtweise. Vor allem die Sicht aus einer arbeitsteiligen Gesellschaftlichkeit. In diesem Zusammenhang wird der „Markt“ zum Dreh- und Angelpunkt einer freien Lebensentfaltung.
In meiner heutigen Leseprobe geht es nicht um den Markt im allgemeinen, sondern um das Verhältnis „Markt und Staat“.
Hier nun die Abschnitte B 1.4 bis B 1.4.3
B 1.4 Markt und Staat
Der Staat in seiner Eigenschaft als Exekutivbetrieb bietet den Bürgern eine ganze Palette von Gütern an: Verpflegungsgüter, Verkehrsnetze, Bildungsgüter, Schutzeinrichtungen usw. Er tut das auf eine Weise, für die es beim gewöhnlichen Gütertausch keine Entsprechung gibt. Deshalb ist im Folgenden darauf gesondert einzugehen.
Der Staat als Tauschgut erbringende Anstalt ist Fakt. Der Handel mit ihm ist ein Handel, nämlich der Tausch Dienstleistung gegen Geld. Und von dieser Warte aus, also völlig unromantisch, soll im Rahmen dieser Untersuchung an die Behandlung des Staatsbetriebs herangegangen werden. Ich denke, dass uns die nüchterne Einordnung des Staates in das ökonomische Gesamtgeschehen hilft, wenn es um die Entscheidung darüber geht, ihn für das Gedeihen eines freien Miteinander zu legitimieren, zu dulden oder zu verwerfen.
Als Lieferant der „öffentlichen Güter“ ist der Staat Monopolist. Aber nicht nur das, er ist ein Monopolkonzern mit Einheitskasse (im Folgenden: Abschnitt B 1.4.1). Die Mittelbeschaffung für den Betrieb dieses Konzerns ist auf besondere, und zwar staatstypische Weise geregelt (im Folgenden: Abschnitt B 1.4.2). Die ökonomische Konstellation „Monopolkonzern mit Einheitskasse“ kann fatale Auswirkungen auf die Güterverteilung einer Gesellschaft haben (im Folgenden: Abschnitt B 1.4.3).
B 1.4.1 Staat als Monopolkonzern mit Einheitskasse
Der Staat als Einrichtung mit eigenem Funktionsfeld und eigenem Kassenwesen erscheint innerhalb der leistungsteiligen Tauschgesellschaft als ganz gewöhnlicher Leistungserbringer. Besonders die Kollektivbedürfnisse sind es, die der Staat mit seinen „öffentlichen Gütern“ zu befriedigen sucht. Genau wie alle anderen Tauschpartner verschenkt er diese Güter nicht, sondern bietet sie im Tausch gegen andere Güter an, in der Regel gegen Geld.
Der Staat ist - von der Warte der Ökonomie aus gesehen - zweifellos ein Leistung erbringendes Unternehmen, gewissermaßen eine „Firma“. Die neuerliche Imagepflege der Staatslenker, vor allem auf kommunaler Ebene, sich als nützliche und kundenorientierte Dienstleister zu geben und ihre Legitimation daraus zu schöpfen, erleichtert diese nüchterne und entmystifizierende Betrachtungsweise. Man kann den Presseleuten Vieles vorwerfen, bei manchen Wortfindungen beweisen sie Instinkt: Der von ihnen geprägte Ausdruck „Baden-Württemberg-GmbH“ (mit Lothar Späth an der Spitze) bezeichnet treffend die Organisationsstruktur eines modernen, vom Zeitgeist als mustergültig eingestuften Staatsgebildes. Der deutsche Kanzler Helmut Schmidt bezeichnete sich einmal als „Vorstandsvorsitzenden der Deutschland AG“.
Der Staat in seiner Rolle als Betrieb, als Einrichtung mit eigenem Funktionsfeld und eigenem Kassenwesen unterscheidet sich also in ökonomischer Hinsicht nicht von anderen Betrieben der Gesellschaft. Er ist Tauschgutanbieter wie andere Tauschgutanbieter auch. Er liefert Güter, und so wie alle anderen Güterlieferanten verlangt er Gegenleistungen für das von ihm Gelieferte.
Als Betrieb steht der Staat mit anderen Betrieben nicht im Wettbewerb. Er ist in vielerlei Hinsicht Monopolist. Als Monopolist kann er wuchern. Wucher ist eine besondere Form der Ausbeutung (s. Abschnitt B 1.3). So erscheint neben anderen Monopolen auch der wuchernde Staat Vielen als Ausbeuter.
Der Staat ist aber nicht Monopolist schlechthin. Bei ihm sind die unterschiedlichsten Monopole zu einem Betriebskomplex vereint. Der Staat ist Monopolkonzern. Die Gefahren des Monopolismus für die Freiheit der Individuen potenzieren sich, wo Monopole zu Konzernen verschmelzen (s. Abschnitt B 1.3).
Ein Konzern ist ein multifunktionales Gebilde. Er kann die unterschiedlichsten Leistungsfelder abdecken. Das gilt zwar für alle Konzerne, ist aber im Falle des Staatskonzerns besonders augenfällig.
Bestimmte Leistungsbereiche, bei denen es als sinnvoll und notwendig erschien, sie zu monopolisieren, übernahm im Laufe der Zeit Zug um Zug der Staat. Es wuchsen dem Staat mannigfache Aufgaben zu. Heute bewirtschaften die Manager des Staatsbetriebs den größten und vielgestaltigsten aller Konzerne der Gesellschaft. Der Staat ist insofern nicht nur irgendein, sondern der alle anderen überragende und nahezu unangefochtene Monopolist in der Staatsgesellschaft. Aber nicht nur das! Er ist auch das „gefährlichste und mächtigste“ unter ihnen (Wilhelm Röpke, Nachdruck 1958). Er „ist nicht zuletzt deshalb am meisten zu fürchten, weil dieser Fall des mächtigsten Monopols zugleich derjenige ist, der am meisten mit Phrasen verhüllt werden kann“ (a. a. O.). Vor allem die sogenannten „Kollektivbedürfnisse“ sind es, deren Befriedigung dem Monopolkonzern Staat zugewiesen wurde.
Weil im deutschen „Grundgesetz“ Kriterien fehlen, durch die eine klare Abtrennung der staatlichen von den anderen gesellschaftlichen Leistungsbereichen vorgenommen werden könnte, hat sich im Laufe der Zeit ein in alle möglichen Lebensbereiche ausufernder Megakonzern entwickelt. Dieser Konzern verwaltet sich durch eine riesige Bürokratie. Sie wächst von Jahr zu Jahr. Sie wächst selbst dann, wenn man sich bemüht, sie zu beschneiden. So hatte die hehre Absicht einiger Staatsfunktionäre, die deutsche Staatsbürokratie zu verkleinern, zur Folge, dass eine zusätzliche Bürokratie, nämlich eine für „Bürokratieabbau“ mit 126 gut bezahlten Mitarbeitern und aufwendig eingerichteten Büros entstand (SPIEGEL, 39/2013).
Nun ist der Staat nicht nur Konzern. Er ist ein Konzern mit Einheitskasse. Alle seine Einnahmen fließen in eine einheitliche Kasse. Das Organisationsgebilde Konzern verlangt nicht zwingend eine Einheitskasse. Aber der Staat hat eine solche. Selbst dort, wo der Mittelzufluss in die Staatskasse über getrennte Kanäle läuft, z. B. in Form von „Gebühren“, fließt am Ende alles in eine Kasse. Bestes Beispiel dafür sind die verschiedenen Arten der Verkehrsabgaben beim deutschen Staat.
Es ist in den Sozialwissenschaften üblich geworden, „öffentliche Güter“ (Kolektivgüter) und „private Güter“ (Individualgüter) zu unterscheiden und die Bereitstellung der „öffentlichen Güter“ dem Staat zuzuweisen. Damit soll vor allem auch ein spezielles Inkassoverfahren für die Nutzung von „öffentlichen Gütern“ gerechtfertigt werden (s. u. Abschnitt B 1.4.2). Selbst so reflexionsstarke und belesene Autoren wie Friedrich August von Hayek (1981a) und Mancur Olson (2004) heben genau aus diesem Grunde die Bedeutung dieser Unterscheidung hervor.
Ich ziehe die Unterscheidung in „wettbewerblich angebotene“ und „monopolistisch angebotene“ Güter (s. Abschnitt B 1.3) der Unterscheidung in „öffentliche“ und „private“ vor. Es wird sich im Laufe der folgenden Darstellung zeigen, dass auf dieser Basis eine Reihe gesellschaftlicher und vor allem gesellschaftspolitischer Problemen einer Lösung näher gebracht werden können als das bisher möglich war (s. vor allem Abschnitte B 3.1. ff).
Die staatliche Kasseneinheit ist verbunden mit der Budgethoheit des staatlichen Parlaments. Die Staatsverfassung gesteht dem Parlament (aus dem sich übrigens in den meisten Fällen auch die Betriebsleitung der Firma Staat rekrutiert, und umgekehrt; s. Abschnitt B 3.4.2.1), die absolute Souveränität über den Einsatz und die Verteilung der im Tausch mit den „öffentlichen Gütern“ eingenommenen Gelder zu. Ist die Kasseneinheit an sich schon ein übler Verdunklungs- und Nivellierungsakt, so birgt die Kombination Kasseneinheit–parlamentarische Budgethoheit die Möglichkeit einer Totalentmündigung des Individuums in seiner Rolle als Tauschpartner des Staatsbetriebs.
Die „öffentlichen Güter“, die der Staat anbietet, sollen nach dem Willen der deutschen Verfassungsschöpfer nicht irgendwelche sein. Sie genießen eine Sonderstellung. Sie stehen unter der Standarte der Hoheitlichkeit. Damit soll der Anschein erweckt werden, dass die Art und Weise, in der sie erbracht werden, von den Modalitäten des gewöhnlichen Markbetriebs grundsätzlich unterschieden ist. (Sie haben deshalb auch jenseits aller Kritik zu stehen.) Im Prinzip kann jeder Monopolist seinen Tauschpartnern seinen Geschäftsstil aufzwingen. Deklamiert er aber für sich „Hoheitsrechte“, so wie es der Staatsbetrieb tut, kann er sie zu regelrechten Akzeptanzkretins herunterdrükken.
Bisher fand sich noch niemand, der den Sinn der Hoheitlichkeit im modernen Staat hinreichend nachvollziehbar erklären konnte. So sind wir auf Beobachtungen und Vermutungen angewiesen. Mit der Hoheitlichkeit will man - so sieht es aus - dem Staatsbetrieb einen wirtschaftlichen und rechtlichen Sonderstatus einräumen. Außerdem soll sie dem staatlichen Güterangebot offenbar eine Art Unantastbarkeitsnymbus verleihen. Der Staat beabsichtigt wohl damit, sein Güterangebot allen anderen gegenüber besser zu stellen. Mit der Hoheitsmystik versucht der für Viele inzwischen längst obsolet gewordene Staat, zumindest ideologisch für sich zu retten, was zu retten ist.
Die Staatsgesellschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass die Einrichtungen, die die „öffentlichen Güter“ (Versorgungsgüter, Rechtsgüter, Bildungsgüter usw.) anbieten, von einer besonderen Gruppe von Menschen betrieben werden, einem „hoheitlichen“ Personal. Den Abnehmern der „öffentlichen Güter“ erscheinen diese Menschen ebenso als Obrigkeit wie einst die Kombattanten der Herrscher von Gottesgnaden. Ihr Status ist denn auch mit entsprechenden Privilegien verbunden (s. Abschnitt A 5).
Nicht nur dem ideologisch unbelasteten Erleben erscheint der Staat als stocknormaler Leistungserbringer. Der Staat selbst stellt sich mehr und mehr als solcher dar. Sogar einer der „hoheitlichsten“ Leistungsbereiche, das Militär, präsentierte sich vor einigen Jahren und auch neuestens wieder in Werbespots als regelrechter Firmenbetrieb mit „hohem Betriebskapital“ und „Topleuten im Management“. Die Nähe zur übrigen Wirtschaft scheint hier demonstrativ betont werden zu sollen. Mit solchen Demonstrationen relativiert der Staat selber seine Ideologie der Hoheitlichkeit und leitet damit eine Bewusstseinsentwicklung ein, an deren Ende diese Ideologie sterben muss.
Dennoch ist die Hoheitlichkeit nach wie vor en vogue und das größte Hemmnis bei der nüchternen Einschätzung des Staates als Dienstleistungseinrichtung. Selbst die ehemaligen Turnschuhträger auf dem politischen Parkett glauben feste daran, dass es beim Staat so etwas wie hoheitliche Bereiche geben müsse.
Die Mystifizierung der Hoheitlichkeit muss als Versuch der politischen Klasse gewertet werden, sich eine besondere Marktposition gegenüber anderen Marktteilnehmern zu verschaffen. Das steht einem entwickelten gesellschaftspolitischen Denken diametral entgegen und wird selbst von einigen Funktionsträgern des Staates nicht mehr Ernst genommen. Die Berechtigung der Ansicht, dass staatliche Einrichtungen schlicht Leistungserbringer für eine Bevölkerung sein sollen, bestreiten selbst hartgesottene Ideologen der Hoheitlichkeit nicht mehr. Was aber bleibt übrig vom Staat, wenn die Ideologie der Hoheitlichkeit stirbt? Nichts als ein gewöhnlicher - mehr oder weniger nützlicher - Güterlieferant.
B 1.4.2 Das staatstypische Einnahmewesen
Wohl mit der Hoheitlichkeit des staatlichen Güterangebots muss es zusammenhängen, dass die Staatskasse für die vom Staat erbrachten Leistungen keine Rechnungen stellt. Die Staatsbürger brauchen für die Inanspruchnahme vieler „öffentlichen Güter“ nichts bezahlen. Und trotzdem stöhnen und murren sie.
Ein Inkassosystem ohne Rechnungstellung ist am besten zu etablieren, wenn man ein Recht schafft, das die Mittelbeschaffung in unkonventioneller Weise regelt. Außerdem ist eine unmissverständlich drohende Gewalt erforderlich, die dieses Recht ohne Wenn und Aber durchpaukt. Deshalb schuf der deutsche Staat seine Abgabenordnung (AO) und richtete zu deren Durchsetzung spezielle Ermittlungs-, Fahndungs- und Durchgriffsbehörden ein.
In der Abgabenordnung erklärt der Staat ganz freimütig, was er will. Er will an das Geld der Leute, und zwar in einer Form, die mit Bezahlung eines bestimmten Gutes nichts, mit bloßer Wegnahme aber viel gemeinsam hat. Diese Wegnahme nennt er Besteuerung, ihren Gegenstand Steuer.
In der Abgabenordnung heißt es: „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen“ (§3,1 AO). Dieser Satz besagt, dass der Dienstleister Staat seine Geldforderung gar nicht als Gegenleistung für etwas bestimmtes von ihm Geleistetes ansieht. Er beansprucht Leistungen („Geldleistungen“), ohne sich zu einer speziellen Eigenleistung zu verpflichten. Steuern sind Leistungen ohne konkrete Gegenleistungsverpflichtung. Eine feste Mittelbindung kennt das Staatsinkasso nicht, noch nicht einmal bei bestimmten gegenstandsbezogenen Steuern, wie beispielsweise bei der Kraftfahrzeugsteuer.
Die Abgabenleistung ist zwar offensichtlich Teil eines Tauschgeschäfts. Es gibt aber keine klar definierte und in sich abgeschlossene Tauschvereinbarung. Eine nachprüfbare Leistungsabrechnung würde vom Bürger vielleicht, so wie in anderen Lebensbereichen, freiwillig als Zahlungsaufforderung akzeptiert. Eine solche erhält er aber nicht. Beim Staatsinkasso geht es gar nicht um einen ordentlichen Rechnungsabgleich. Mit ihrer Definition des Begriffs „Steuern“ schließt die Abgabenordnung die Form eines leistungsbezogenen Rechnungswesens prinzipiell aus. Damit verunmöglicht sie jede ehrliche Leistungsvergeltung.
Eine nur oberflächliche Analyse offenbart: Die staatsgesell-schaftliche Besteuerung ist ein unsäglich primitives ökonomisches Vergütungssystem. Die Komplexität des Systems täuscht über seine Primitivität hinweg. Hier wird nicht leistungsbezogen vergolten, sondern nach willkürlichen Regulativen igendwelcher „Gesetzgeber“. Diese sind an Vernunftferne (mit einem anderen Wort: an Dummheit) nicht zu überbieten.
Die Obrigkeit pflegt das kameralistische Kassenwesen, ein Kassenwesen, das sie aus der Zeit der Erobererkönige geerbt hat. Sie verfährt nach dem Motto: Du, Bürger, musst mir einen Teil deines Eigentums abgeben und ich, deine Obrigkeit, schaue dann, was ich damit machen kann - nur für dich und deinen Vorteil natürlich.
Die fiskalischen Vorschriften in der Abgabenordnung bergen ein unheilvolles Potential. Die durch sie bewirkte Entfremdung beim Bürger ist schon so groß, dass hier eine Art Hochspannung auf Entladung drängt. Paul Tiedemann schreibt in seinem Buch „Das Recht auf Steuerverweigerung aus Gewissensgründen“ (1991), dass es „wohl keine andere Tätigkeit der Bürger gibt, die so entfremdet ist...wie die Steuerzahlung“.
Eine Konstellation wie beim Staatsinkasso tritt im normalbürgerlichen Leben nur in zwei Fällen auf: beim Verschenken (bzw. beim Vererben) oder bei einer Entwendung, also bei Diebstahl, Raub und Erpressung. Da beim Ableisten staatlicher Abgabenpflicht die Großmütigkeit des Schenkens fehlt, bleibt nur die Annahme, beim Staatsinkasso handele es sich um eine Entwendung. Dies geschieht bei Menschen gesunden Verstandes gegen deren Willen. Sie kann also nur mit Androhung von Gewalt zum Erfolg führen. Dann aber ist sie nichts als Erpressung.
Die Abgabenordnung legitimiert ganz offensichtlich Erpressung, dies auf eine bürokratisch-unauffällige und geradezu unprätentiöse Weise. Es erscheint insofern nicht als verwunderlich, wenn sich diejenigen, die an der Steuerschraube drehen, eines regelrechten Gauneridioms bedienen (Roland Baader, 1997).
Vor dem Hintergrund solcher Fakten ist verständlich, wenn seriöse Autoren das Staatsinkasso unverblümt als „Raub“ oder „Diebstahl“ qualifizieren - wie schon die beiden Heiligen Augustinus und Thomas von Aquin (SPIEGEL, 39/98). Frédéric Bastiat, John Henry Mackay, Gordon Tullock, Murray Rothbard, Gerard Radnitzky, Hans-Hermann Hoppe und Detmar Doering, um nur einige zu nennen, schließen sich dieser Auffassung an.
Bei Radnitzky findet sich dazu noch die Bemerkung, dass der gewöhnliche private Raub nur gelegentlich, der staatliche aber permanent erfolge (Gerard Radnitzky, 1995a). An anderer Stelle (1995b) macht er darauf aufmerksam, dass privater Diebstahl und privater Raub im Vergleich zum Staatsinkasso verhältnismäßig milde Formen der Eigentumsentwendung seien.
Was einige Autoren als „Raub“ bezeichnen, findet beim Staat in einer eher diskreten Form statt. Unverhohlen zeigt sich der Charakter fiskalischen Geldeintriebs nur selten, z. B. bei der Zollbehörde, wo sich dem Reisenden bewaffnete Gangs im Militäroutfit entgegenstellen, oder bei der Begegnung mit den Schnüffelkolonnen der Steuerfahndung, einer stasiähnlich organisierten Observations- und Durchgriffstruppe.
Den Drohgebärden des Staates in Gestalt der Steuerfahndung stehen die Staatsbürger oft wie gebannt und gelähmt gegenüber: Kaninchen beim Anblick der Schlange. Selbst bei bekannten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mutiert der selbstgefällige Blick der Weltläufigkeit bei der Konfrontation mit den staatlichen Inkassotrupps zum Kaninchenblick.
Beim Staatsinkasso büßen die Staatsbürger in Deutschland (alle Steuern zusammengenommen) ca. 50 Prozent ihres Einkommens ein. Dabei kommen sie noch relativ gut weg. Den Vogel abgeschossen hatte einst der schwedische Staat, der seinen Untertanen unter Sven Olaf Palme sage und schreibe 112% (z. B. bei Astrid Lindgren) bzw. 114% (z. B. bei Ingmar Bergman) an „Taxes“ aus der Tasche zog. Eine solche zunächst unwirklich erscheinende Maßnahme funktioniert sogar - wenn die Altvermögen der Betroffenen für die Überschüsse über 100% mit in Anspruch genommen werden. Schweden wurde zu jener Zeit zum „totale(n) Polizeistaat mit gesetzlich abgesicherter behördlicher Willkür“ (Günter Schmölders, 1983).
„Die öffentliche Hand greift dem Bürger immer schamloser in die Tasche. So wird der Staat nicht zur politischen Heimat, sondern zum Alptraum für das Volk.“ Diese schon vor Jahren geäußerten Sätze stammen nicht aus dem Munde eines Funktionärs des deutschen Bundes der Steuerzahler, wie man vermuten würde, sondern aus dem Munde eines Kommunalbeamten, dem baden-württembergischen Landesvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU, Günter Nufer, seinerzeit Bürgermeister von Bad Säckingen (s. Südkurier vom 14.6. 1997).
Carl Christian von Weizsäcker und Gerard Radnitzky sprechen in Bezug auf den Steuersatz von einem „Entmündigungskoeffizienten“. Der Entmündigungskoeffizient ist ein „Indikator für das Ausmaß, in dem der Staat seine Bürger als unfähig ansieht, ihre eigenen Geschäfte verantwortungsvoll zu führen“ (Gerard Radnitzky, 1995b).
Kein Wunder, dass einige Staatsbürger versuchen, dem fiskalischen Zugriff auf Schleichwegen zu entkommen und Gegenmaßnahmen bis hin zur Kriminalität ergreifen. Hier gilt nämlich für jeden: retten, was zu retten ist. Der bislang für unantastbar erklärte hoheitliche Geldeintrieb hat zur Folge, dass Betrug, Falschangabe, Meineid usw. die normalbürgerlichen Umgangsformen gegenüber der Staatskasse wurden. Deshalb erfordert die Inkassostrategie des Staates eine Dauerbespitzelung der Bürger, um von ihnen alle möglichen verdächtigen Daten zu sammeln. „Den weitestgehenden Zugriff auf persönliche Daten haben in Deutschland nicht die Sicherheitsorgane, sondern die Finanzämter“ (SPIEGEL, Nr. 20/14).
Das staatliche Besteuerungswesen hat sich im Laufe der Zeit zu einem hoch explosiven Gemisch aus irrationaler Grauzone, Unwahrhaftigkeit und Deliktträchtigkeit entwickelt. Laut Umfragen gaben 80% (der direkt steuerpflichtigen) deutschen Steuerzahler schon vor Jahren zu, ihre Steuern nicht korrekt zu zahlen (SPIEGEL, 37/1996). Dieser Prozentsatz dürfte sich bisher nicht verringert haben. Steuerverweigerung wird längst als „Akt der Notwehr“ (a. a. O.) gegen die Willkür der staatlichen Obrigkeit begriffen. „Ich möchte den Deutschen sehen, der noch eine ehrliche Steuererklärung abgibt“, sagte der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog (a. a. O).
Sich dem staatlichen Abgabenzwang zu entziehen, dabei helfen sogar die Staatsbanken mit. Der eklatanteste Fall einer Mithilfe bei der sogenannten „Steuerhinterziehung“ ist der Skandal um die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau. Laut Mitteilung des Fernsehsenders ARD vom 31.8.1998 war diese Bank dabei behilflich, über Schweizer Geldinstitute und eine amerikanische Briefkastenfirma Steuern in dreistelliger Millionenhöhe wegzudrücken. Pikant ist diese Nachricht vor allem deshalb, weil der oberste deutsche Steuereintreiber, der Bundesfinanzminister, die Aufsichtsfunktion über diese Bank innehat.
Außer der eher unauffälligen Form des Abgabeneintriebs vernebelt ein weiterer Umstand das wahre Gesicht des Staatsinkassos. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung kommt bei seiner Abgabenleistung gar nicht in unmittelbare Berührung mit dem Staat. Denn der hat sich Hilfsinkassostellen geschaffen: Die Lohn- und Gehaltsabrechnungsstellen der Wirtschaftsunternehmen. Die Unternehmer sind die zwangsverpflichteten Vollzugsbüttel staatlichen Abgabeneintriebs. Sie ersparen ihrer Oberherrschaft damit viel Ärger und Geld.
Die deutsche Abgabenordnung, ihre Nebengesetze und vor allem die einschlägigen Verwaltungsvorschriften stellen nicht nur handgreifliche Freiheitsberaubungen dar. Sie bewirken auch, dass so gewachsene Rechtsgrundsätze wie: „Im Zweifel für den Beklagten/Angeklag-ten“ oder „die Beweislast trägt der Kläger“ oder auch das Aussageverweigerungsrecht ganz unbehelligt ausgehebelt werden dürfen (s. der Verf., 2015). Am Beispiel Deutschlands lässt sich zeigen, dass die derzeitige Form des Staatsinkassos sich nur aufrechterhalten lässt, wenn eherne Grundsätze des Rechtswesens außer Kraft gesetzt sind.
Aber das ist noch nicht alles. In der Folge des in der Abgabenordnung definierten Steuerbegriffs schließt sich ein fiskalischer Gesetzes- und Verordnungswust an, der jeder Beschreibung spottet. Bis hoch zum ehemaligen deutschen Staatspräsidenten Roman Herzog reichen die Verlegenheit und die Verwirrung, die die Paragraphen und Regulative des deutschen Steuerrechts stiften. „Wer sich [in Bezug auf Steuerzahlung] gesetzestreu verhält, muss sich manchmal wie ein Idiot vorkommen“, klagte der Präsident (SPIEGEL, 37/1996). Seitdem hat sich nichts zum Besseren geändert. Im Gegenteil, es ist alles noch undurchsichtiger und schlimmer geworden.
Beim Steuereintrieb blüht der Irrwitz in Reinkultur und auch das Sumpfgewächs der Umgehungsschläue. Gesetzestreue gilt als sicheres Zeichen für mangelhaft ausgebildete Hirnstruktur. Nicht erst die Anwendung der Gesetze und Verordnungen, bereits ihre Form stellt eine Art Terrorismus des Staates gegenüber dem Bürger dar (Titelbeitrag des SPIEGEL Nr. 29/1994: „Steuer-Terror“).
Wie rechtfertigt ein Staat seine moralinige Reaktion auf die Weigerung vieler Staatsbürger, seine Kasse zu füllen, wenn die Steuergesetze so chaotisch sind, dass ein Staatspräsident (wieder Roman Herzog) öffentlich erklärt, dass er sie trotz exquisiter juristischer Ausbildung nicht verstehe. Sogar einige Sachbearbeiter bei den Finanzämtern verweigern, sich durch den Wust der sich zum Teil widersprechenden Paragraphen hindurchzukämpfen.
Um die seltsame Form des Staatsinkassos in den Griff zu bekommen, müssen Heerscharen von Bediensteten tätig sein - in übergroßen Behördenpalästen, die auf das ganze Land verteilt sind. Das all diesen Bediensteten übergeordnete Bundesfinanzministerium hat seinen Sitz in einem Superpalast, einem noch von den Nazis errichteten Monsterbau von bombastischen Ausmaßen: beängstigend hohe Flure mit 700 Metern(!) Gesamtlänge, von denen die Anzahl von sage und schreibe 2100 Bürotüren abgehen. Hier passt einfach alles: die Nazi-Architek-tur, der Gigantismus, das geisterhaft Kafkaeske der Nichtdurchschaubarkeit.
Das Staatsinkasso ist so eingerichtet, dass noch nicht einmal von Vertragsknechtung, die es ja bei Monopolen oft gibt, die Rede sein kann. Denn der Monopolist Staat lässt erst gar nicht zu, dass es zu Verträgen mit seinen Tauschpartnern kommt.
Die Abgabenordnung ist in Wirklichkeit kein Plan für eine schlichte Ordnung, wie die Namensgebung vermuten lässt, sondern ein ganz rabiates Zwangsgesetz. Wer sich dem Abgabenzwang entzieht, wird mit Gefängnis bis zu zehn Jahren bestraft (§370/3 AO). Der Abgabeneintrieb ist deshalb zu Recht als das „hauptsächliche Folterinstrument des Etatismus“ bezeichnet worden (Detmar Doering, 1997).
An der Form des Staatsinkassos ist noch deutlicher als bei der Hoheitlichkeits-Ideologie zu erkennen, dass die Obrigkeit versucht, über spezielle Verfahren den wahren Charakter des Tauschgeschehens zwischen ihr und den Bürgern zu verschleiern.
Ein so eigenartiger Anbieter-Abnehmer-Mechanismus wie bei den Tauschakten mit der Firma Staat kann natürlich nur auf der Basis stillschweigender Duldung durch die Mehrheit der Tauschpartner des Staates funktionieren, d. h. durch Duldung der Verbraucher und Nutzer staatlicher Dienstleistungen. Der in sonstigen Wirtschaftsbereichen leidlich souveräne Verbraucher lässt sich bei den Tauschgeschäften mit dem Staat einpferchen in eine Art Idiotenheim hochgradigen Konsumentenschwachsinns. Und er begrüßt dies sogar. Das beweisen die massenhaften öffentlichen Verlautbarungen, wenn wieder einmal ein „Steuersünder“ geschnappt worden ist. Für die Vollzugsbüttel der Staatskasse gilt das, was für Machthaber allgemein gilt: „Manche erscheinen nur deshalb so groß, weil die anderen sich ducken“ (Reinhard Sprenger, 2013; s. dazu vor allem auch der Verf., 2015)
Ganz anders verhielten sich unsere Vorfahren. In den Bauernkriegen spießten sie ihre Oberen auf Mistgabeln, weil sie die Abgabe nur eines Zehnten des Arbeitsertrags schon als ungeheuerliche Erpressung empfanden. Der Zehnt gilt heute nicht einmal in Steuerparadiesen als Steuersatz. Nur in Kriegszeiten war der Bürger mit Staatsabgaben so stark belastet wie heute. Deshalb stellt sich heute die Frage: Wer führt Krieg gegen wen in der friedensverwöhnten modernen Staatsgesellschaft?
Man rechtfertigt die seltsame Form des Staatsinkassos oft mit dem Argument, die „öffentlichen Güter“ hätten keinen Preis. Dagegen ist festzuhalten: Güter, die von jemandem geliefert werden, haben immer einen Preis. Eine ökonomische Theorie, die behauptet, „öffentliche Güter“ hätten keinen Preis, verdunkelt die Fakten. Sie tut das vor allem dann, wenn sie Güter, die niemand in den Markt einbringt, zum Beispiel Luft oder Meerwasser, mit den Gütern des Lieferanten Staat gleichsetzt (z. B. Peter Bofinger, 2015).
Wenn ich im Toten Meer Wasser schöpfe, um mich von meiner Schuppenflechte zu heilen, dann hat dieses Wasser keinen Preis. Wenn aber ein Güterlieferant dieses Wasser in Kanister füllt, zu mir transportiert und es mir für den gleichen Zweck zur Verfügung stellt, dann hat das Wasser einen Preis. Der Lieferant hat eine Leistung erbracht, die etwas kostet. So verhält es sich auch beim staatlichen Lieferangebot, selbst wenn der bestreitet, Lieferant im gewöhnlichem Sinne zu sein (weil sein Liefern angeblich ein besonderes, ein „hoheitliches“ ist). Natürlich haben öffentliche Güter ihren Preis, auch wenn dieser Sachverhalt durch ein seltsames Inkassowesen noch so verdunkelt wird.
Das Einheitskassenwesen beim Staat bewirkt, dass dessen Tauschpartnern die Budgetfreiheit über einen Großteil ihres Einkaufs „öffentlicher Güter“ verwehrt wird. Sie müssen Schwimmbäder und Saunen mit unterhalten, die sie nicht nutzen. Sie müssen Theateraufführungen mitbezahlen, die sie nicht billigen. Sie müssen sich an ökonomischen Harakiris („Steuergräbern“) beteiligen, die sie als sinnlosen Aktionismus durchschauen und ablehnen. Das heißt, beim Tausch mit dem Staatsbetrieb müssen sich alle Tauschpartner an der Finanzierung aller möglichen Ausgabenbereiche beteiligen, auch an solchen, die ihr eigenes Leben nicht berühren. Sie müssen quasi ein Unisono-Paket von Leistungen abnehmen, ob sie das wollen oder nicht. Alle Abgabeverpflichteten haften für die Einlösung der Leistungsversprechen des Staates. Die staatliche Einheitskasse bewirkt eine Haftung aller für alle, also eine Kolektivhaft (s. Abschnitt B 2.7.1 und B 2.7.3).
Wie auch immer die staatliche Kasse gefüllt wird, die Einnahmen reichen bei weitem nicht aus. Es sind längst nicht mehr nur die Steuerzahler, die den Staat finanzieren. Denn der Bedarf an Geld ist gewaltig. Woher hat der Staat weiteres Geld zur Entfaltung seiner Aktivitäten? Er holt sich dieses via Kredit. Klein- und Großinvestoren müssen her. Die gesamte, nicht schöngerechnete Schuldenlast des deutschen Staates hatte bereits im Jahre 2011 die gigantische Summe von ca. 100.000 Euro pro Kopf der Bevölkerung erreicht (Christoph Braunschweig, 2012). Das entspricht einem Schuldenberg von 400.000 Euro pro Durchschnittsfamilie. Dies wiederum entspricht dem Wert eines recht komfortablen Einfamilienhauses in ländlicher Gegend. - Die „Gemeinschaft der Gleichberechtigten“ wird in der Staatsgesellschaft zu einem einheitlichen Schuldnerblock.
Es ist in in der Ökonomik und in den Sozialwissenschaften üblich, Kolektivgüter („öffentliche Güter“) und Individualgüter („private Güter“) zu unterscheiden und damit ein spezielles Inkassoverfahren für die Nutzung von Kollektivgütern zu rechtfertigen. Selbst so reflexionsstarke und belesene Autoren wie Friedrich August von Hayek (1981a) und Mancur Olson (2004) heben genau aus diesem Grunde die Bedeutung dieser Unterscheidung hervor. Ich ziehe die Unterscheidung in „wettbewerblich angebotene“ und „monopolistisch angebotene“ Güter der Unterscheidung in „öffentliche“ und „private“ vor. Es wird sich im Laufe der folgenden Darstellung zeigen, dass auf dieser Basis eine Reihe gesellschaftlicher und vor allem gesellschaftspolitischer Problemen einer Lösung näher gebracht werden können als bisher (s. Abschnitte B 3.1. ff).
Ein Aspekt der staatlichen Mittelbeschaffungsstrategie sei abschließend noch erwähnt: Nicht nur der Staatsbürger gerät aufgrund der seltsamen Methoden öffentlicher Mittelbeschaffung in Widerstreit mit sich selbst, sondern auch der Staat. Inwiefern?
Wenn es richtig ist, dass die Staatsabgaben der Sache nach Eigentumsentwendungen sind, weil sie nicht auf ordentlicher Rechnungslegung basieren und wenn sie im Ernstfall mit Gewalt eingetrieben werden können, dann legitimiert die Abgabenordnung Rechtsverstöße. Der Fachausdruck für Eigentumsentwendungen, die unter Androhung von Gewalt geschehen, ist Erpressung (§§253-255 des deutschen Strafgesetzbuches).
Da die Regulative des Staatsinkassos etwas festschreiben, was nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch das Gesetz Erpressung nennt, gerät der Staat in eine vertrackte Situation. Nach seinem Strafgesetzbuch ist Erpressung verboten und muss bestraft werden. Strafinstanz ist aber der Staat selber. Nun wird die Sache komisch. Der Staat müsste sich selbst Gewalt antun, wenn er seine Art der Mittelbeschaffung getreu dem Buchstaben des Gesetzes sühnen wollte. Da es aber nicht immer nach dem Buchstaben des Gesetzes geht, bleibt uns der Anblick der Selbstkasteiung des Staates erspart.
B 1.4.3 Subventionismus und Interventionismus
Ein Konzern mit Einheitskasse kann seine Position dazu benutzen, bestimmte Wirtschaftssubjekte durch Entgelterlass zu bevorzugen, andere durch ungebührliche Entgeltbelastung zu benachteiligen (s. Abschnitt B 1.3). Es findet eine marktfremde Umverteilung von Ressourcen statt. Das ist jedenfalls beim Monopolkonzern „Staat“ der Fall.
Kasseneinheit hat zwar mit dem Wesen eines Konzerns nichts zu tun. Ist eine solche aber vorhanden, dann werden sich viele Konzernnutzer bald in der Rolle von Umverteilungshäftlingen wiederfinden. Ein Teil ihrer Arbeitskraft wird einer ihnen fremden und undurchsichtigen Mittelverwendung geopfert.
Grundsätzlich kann Subventionismus bei allen Konzernbetrieben auftreten. Der Staat ist aber ein besonders markantes Beispiel dafür. Die Umverteilung von Ressourcen beim Staat geschieht auf dem Wege sogenannter Subventionen. Subventionismus ist nicht so harmlos, wie Manche ihn darstellen. Er basiert auf einer zwangsweisen Wegnahme von Gütern (s. Abschnitte B 1.3, B 2.7.1 und B 2.7.3).
Staatlicher Subventionismus kann nur gedeihen, wenn die Gelder, die im Tausch mit „öffentlichen Gütern“ beim Staat einkommen, auf nichtkommerzielle Art in seine Taschen gelangen. Einen normalbürgerlichen Rechnungsabgleich darf es nicht geben. Ein Subventionsstaat setzt nicht nur Kasseneinheit voraus, sondern auch eine besondere Art der Mittelbeschaffung. Es wird eine Inkassomethode geben müssen, die es erlaubt, die Mittel so zur Verfügung zu haben, dass sie nicht verwendungsgebunden sind. Subventionismus kann nur gedeihen, wenn die Gelder, die im Tausch einkommen, auf nichtkommerzielle Art in eine Kasse gelangen. Einen normalbürgerlichen Rechnungsabgleich darf es nicht geben. Subventionen sind Umverteilungen von Gütern ohne Tauschkontrakt. Sie finden also außerhalb der Aktivitäten des Marktes statt.
Stellt ein Monopol an sich schon eine Gefahr für die Freiheit seiner Leistungsabnehmer dar, weil es wuchern kann (s. Abschnitt B 1.3), so ist bei einem Monopolkonzern mit Einheitskasse die Gefahr geradezu bedrohlich. Das Wucherpotential eines solchen Konzerns erwächst nicht nur aus der selbstherrlichen Preisgestaltung für dessen Leistungen, die ihm qua Monopolist ohnehin möglich ist, sondern außerdem noch aus dem von der Einheitskasse gespeisten Subventionismus.
Die Gefahr beim staatlichen Subventionismus ist besonders groß deshalb, weil dafür Mittel enormen Umfangs beschafft werden müssen. Die muss irgendjemand aufbringen, sei es durch Abgaben oder durch Kredite (z. B. über Anleiheankäufe!). So ist der Staat nicht nur in seiner Rolle als Monopolist Ausbeuter (sofern er als solcher Wucher betreiben kann; s. Abschnitt B 1.3)). Sondern er ist es zusätzlich noch in seiner Rolle als Subventionist.
Subventionen bedingen Wucherpreise dort, wo die Mittel dafür abgezwackt werden. Sie bewirken Dumpingpreise dort, wo die Mittel hinfließen. Dadurch wird die verursacherbezogene Leistungsabgeltung der verschiedenen Konzernangebote verzerrt. Das bedeutet: Güterraub bei bestimmten Konzernnutzern zugunsten des Güterzuwachses bei anderen. Insofern ist Subventionismus partieller Kommunismus.
Konzerne mit Einheitskasse, gleich welcher Art, sind immer Spielwiesen für Subventionisten. Ein typisches Beispiel für Subventionismus ist die Verwendung der Einnahmen des deutschen Staates aus dem Kraftfahrzeugverkehr. Hier wird der größte Teil zur Unterhaltung verkehrsfremder Leistungsbereiche abgezweigt (33 Milliarden Euro im Jahre 2016). Die Mittel fehlen dann für den Ausbau und die Instandhaltung der Straßen. Trotz horrender Einnahmen zu Lasten der Straßennutzer (52 Milliarden Euro im Jahre 2016) verrotten die Straßen bzw. werden gar nicht erst gebaut. Die vereinnahmten Mittel werden zur Finanzierung bombastischer Musentempel, für sinnlose Energieprojekte, zur Aufrechterhaltung überholter Verkehrskonzepte und zur großzügigen Alimentierung von Beamtenwitwen verwendet.
Inzwischen hat sich der staatliche Subventionismus zu ungeahnter Blüte entwickelt. Die Zahl der durch Subventionen begünstigten Nettostaatsprofiteure wächst von Jahr zu Jahr. In der Hauptstadt des wirtschaftlich gesündesten Staates der Europäischen Union wird knapp die Hälfte der Bevölkerung auf unterschiedlichste Weise vom Staat subventioniert.
Staatliche Subventionen können so weitgreifend sein, dass sie die auf diesem Wege an die Begünstigten gelangenden Tauschgüter wie Geschenke erscheinen lassen. Nun will aber das Schenken nicht so recht in die Abläufe einer leistungsteiligen Tauschgesellschaft passen. Hier spielen andersgerichtete Motive mit. Dass dies nicht nur philanthropische Motive sind, darauf komme ich noch zurück (Abschnitt B 3.4.4.1.1).
Für ihren Subventionismus schafft sich die Obrigkeit eine spezielle Gesetzesbasis. Mit dieser ist der regulatorischen Rahmen für die Subventionstätigkeit vorgegeben. Sie sichert die Intervention, wie man die rechtliche Seite des Subventionismus nennen könnte. Der Subventionsstaat ist insofern auch Interventionsstaat (Ludwig von Mises, 2008)
Die Eingriffe des Interventionsstaats in das Marktgeschehen bestehen aus erzwungenen Wegnahmen auf der einen Seite und großzügigen Schenkungen auf der anderen. „Die Eingriffe können daher als Privilegien angesehen werden, als Sonder- und Vorrechte, die einzelnen…auf Kosten der übrigen verliehen werden…Man pflegt die Eingriffe als soziale oder sozialpolitische Maßnahmen zu bezeichnen. Ihrer Wirkung nach müsste man sie anti- oder gar asozial nennen. Sie bauen die Gesellschaft nicht auf, sie nehmen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit den Sinn. Das Ziel der Kooperation ist Behebung von Unzufriedenheit; kein (staatlicher) Eingriff aber vermag die Erreichung dieses Ziels zu fördern. Er verschlechtert die Bedürfnisbefriedigung entweder für alle oder zumindest für die große Mehrheit“ (Ludwig von Mises, a. a. O.). Der Staat aber behauptet das Gegenteil. Seine Interventionsaktivitäten förderten das Wohl seiner Bürger. Offenbar verdächtigt er diese, das ohne ihn nicht zu können. Sie würden ohne seine Eingriffe nur Chaos, Ungerechtigkeit und Elend produzieren.
Ein Interventionsstaat verzerrt das freie Tauschgeschehen. Nach außen hin rechtfertigt er das damit, dass er für so gute Dinge wie Vollbeschäftigung, Wirtschaftswachstum, Gerechtigkeit und karitative Belange sorgen müsse. Er müsse zum Wohle seiner Bürger in alle möglichen Lebensbereiche eingreifen: in die Bildung, in die Forschung, in die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte, in das Kranksein, in das Älterwerden, in die Bauwirtschaft, in die Sicherung der Arbeitsplätze usw. usf.
Die Summen, die beim Subventionismus ins Spiel kommen, können sich sehen lassen. Am 17.6.1998 vermeldete der Fernsehsender ARD in der Sendung „Die Verschwendung der Nation“, dass sich die jährlichen Subventionen in Deutschland auf real 370 Milliarden Mark belaufen. Offiziell würden nur 116 Milliarden ausgewiesen, eine immer noch unvorstellbar hohe Summe. Sie wird bis heute eher angewachsen als geschwunden sein. Die Ausgabenexplosion beim deutschen Staat nach 1960 ist im wesentlichen den horrende gestiegenen Transfer- und Subventionskosten geschuldet (Erich Weede, 2003).
Über so ungeheuerliche Beträge wird nicht öffentlich, sondern hinter verschlossenen Türen verhandelt, in Räumen, deren Betreten auch bekannten Journalisten verwehrt wird. Die Studie eines angesehenen wissenschaftlichen Instituts, die der Sendung zugrunde lag und die diese Fakten aufdeckt, ist übrigens allen damaligen Bundesparlamentariern zur Kenntnisnahme angeboten worden. Nur ein einziger (von damals 672!) hat sie geordert.
Richten wir unser Augenmerk zunächst auf jene Subventionsaktivitäten, die der Wirtschaft zugute kommen, auch wenn sie schon älteren Datums sind.
Der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister Möllemann verkündete am 5.9.1991 vor dem Bundestag, dass jeder Kohlebergwerker mit 76.000 Mark im Jahr vom Staat subventioniert würde. Von diesem (Netto-) Betrag konnten 1991, wenn man sich zu einem schlichten Wegschenken durchgerungen hätte, zwei Arbeiterfamilien in Deutschland ohne einen Handschlag Arbeit ein bescheidenes bürgerliches Leben führen. In den Armutsländern hätte man damit Hunderte von Menschen mit Nahrung und Kleidung versorgen können.
Krasser noch erscheint der subventionistische Widersinn bei dem Vorhaben, die Mathias-Thesen-Werft in Wismar zu retten. Dort kostete der Erhalt eines Arbeitsplatzes 300.000 Mark (FOCUS, 17/1994). Hätte man diesen Betrag als verzinsbares Geschenk an die MTW-Mitarbeiter gegeben, hätte jeder von ihnen beruhigt in Rente gehen können.
Aber auch das ist noch nicht der Gipfel des Gutgemeinten. Bei der Firma Aluhett im Ostharzstädtchen Hettstedt wurden sogar 700.000 Mark aufgewendet, um einen Arbeitsplatz zu retten, eine Summe, die selbst dem Betriebsrat zu denken gab, ob hier nicht so etwas wie gigantische Geldvernichtung im Gange sei (SPIEGEL, 50/1995).
Die soeben genannten Zahlen und Vorhaben muss man nicht kommentieren, um das Gesellschaftsmodell „Subventionssstaat“ zu disqualifizieren. Sie datieren vom Ende des letzten Jahrhunderts, sind aber typisch auch für die heutige Situation. Nur sind die zu veranschlagenden Summen inzwischen noch höher geworden.
Bei all dem muss eine besonders himmlische Vorstellung von Menschheitsbeglückung zugrunde liegen. Anders sind Aktivitäten solchen Ausmaßes nicht zu verstehen. Deren Umfang ist mittlerweile so groß, dass z. B. in Deutschland das gesamte Lohnsteueraufkommen dafür aufgewendet werden muss. Würde man alle als „solidarisch“ deklarierten Subventionen streichen, müsste kein Deutscher mehr Lohn- bzw. Einkommenssteuern bezahlen - auch eine Erkenntnis aus besagter ARD-Sendung (s. o.).
Der Staat tritt aber nicht nur als Beschenker von Gewerbebetrieben oder anderen Staaten auf, sondern auch bei seinen Bürgern. Vielen Mitgliedern der Gesellschaft beschert er eine Art „gratis lunch“ (Robert Nef, 2005; s. auch Abschnitt B 2.6.3). Die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Scharfenberg will das staatliche Beschenken sogar soweit ausweiten, dass Behinderte kostenlose Rezepte erhalten, die sie für Sex mit Prostituierten einlösen können. Denn die Devise staatlicher Subventionisten lautet: „Glück für alle“.
Das „Glücks für alle“ soll auf dem Wege der Umverteilung von Gütern realisiert werden. Ist dieser Weg einmal von der Mehrheit der Gesellschaft akzeptiert, kann sich das Rad der Umverteilung hemmungslos drehen. Ja, man kann sogar ein Riesenrad daraus machen. Schon in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab in Deutschland 153 Umverteilungsarten, die von 37 Behörden verwaltet wurden (Fritz Fliszar, 1997). Man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese Zahlen seitdem nicht kleiner geworden sind.
Bei der staatlichen Umverteilung fließen die öffentlichen Finanzströme in oft nicht nachvollziehbarer Weise durcheinander. Der Umverteilungsmechanismus ist eine „Gießkanne, die eine Plantage von vielfältigen Interessen bewässert“ (Robert Nef, 1996). Die Staatsbürger müssen hinnehmen, dass ihr sauer verdientes Geld dubiosen Finanztransfers geopfert wird. Man denke nur an den im Euroraum gepflegten Widersinn, mit den vereinnahmten Mitteln sowohl die Tabakbauern als auch die Antiraucherverbände zu sponsern.
Im Umverteilerstaat handelt derjenige irrational, der fleißig im Hamsterrad der leistungsteiligen Tauschgesellschaft mittritt. Völlig rational handelt derjenige, der darauf aus ist, möglicht viel von dem Kuchen, den irrationaler Fleiß gebacken hat, einzuheimsen. Diese offensichtlich widernatürliche Verkehrung von rationalem und irrationalem Verhalten kommt dadurch zustande, dass im Subventionsstaat die Handlungsanreize entsprechend gesetzt sind, Erich Weede spricht von „Anreizverzerrung“ (2012)
Wie unerschütterlich die Mentalität der unentgeltlichen Teilhabe an fremdem Gütern nicht nur bei den Bürgern an der Basis, sondern auch bei den Eliten der Staatsgesellschaft verwurzelt ist, zeigt eine Notiz aus dem SPIEGEL: „Raucher und Trinker haben in Bundeskanzler Helmut Kohl einen mächtigen Verbündeten gefunden. Er lehnt Pläne von Gesundheitsminister Horst Seehofer...ab, Nikotin- und Alkoholkonsumenten mehr Krankenversicherungsbeiträge zahlen zu lassen. Eine derartige ‘Sündensteuer’ werde es mit ihm nicht geben.“ - Mit idiotischerer Selbstgefälligkeit kann die Vernichtung der Eigenverantwortung und der Appell an das Ruhekissen missverstandener „Solidarität“ nicht zu Markte getragen werden.
Nicht nur Einzelne fahren besser ohne Subventionismus, die Volkswirtschaft insgesamt hat Vorteile. Es ist eine alte Weisheit, dass „in jeder Wirtschaftsordnung, in der durch besondere Förderung mehr volkswirtschaftliches Kapital in einzelne Erwerbszweige gelenkt werden soll, als von selbst dorthin fließen würde, oder durch außerordentliche Beschränkung Teile des Kapitals von Branchen ferngehalten werden, in denen sie sonst investiert worden wären, in Wirklichkeit das Hauptziel unterlaufen (wird), das man zu fördern vermeint. Sie verzögert Entwicklung und Fortschritt der Gesellschaftlichkeit zu Wohlstand und Größe, anstatt ihn zu beschleunigen, und sie verringert den wirklichen Wert des Jahresprodukts aus Boden und Arbeit, statt ihn zu vergrößern.“ (Adam Smith, Nachdruck 1990).
Die anfangs noch lautstarke Empörung der Medien und Verbände über das Unwesen des staatlichen Subventionswesens und den dadurch bedingten ständig steigenden Mittelbedarf hat sich im Laufe der Zeit in ein nahezu gemütliches Ritual verwandelt. In schöner Regelmäßigkeit hören wir die mahnenden Stimmen. Die Wirkkraft solcher Verbalorgien ist jedoch nirgends zu spüren - als hätte eine Empörung gar nicht erst stattgefunden. Unter den Empörten herrscht offenbar Einigkeit: Für das Übel sind irgendwelche gesellschaftspolitischen Funktionsträger oder inkompetente Gesetzgeber verantwortlich. Man kann sie bei nächster Gelegenheit ja austauschen. Danach wird alles besser. - Dass vielleicht am System etwas grundsätzlich nicht stimmt, wird nicht in Erwägung gezogen.
Einen schönen Feiertag, euer Zeitgedanken
Servus,
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