by OutBoxing!
Damit du als Leser verstehst von welchem Standpunkt ich komme, erkläre ich erst einmal, was Emanzipation für mich bedeutet.
Emanzipation bedeutet für mich die allgemeine Ansicht, dass beide Geschlechter gleichwertig sind. Die Emanzipation kämpft also für ein Weltbild, bei dem Frauen und Männer gleichwertig sind. Das heißt nicht, dass beide Geschlechter gleich sind, allerdings sind sie gleichwertig. Das ist ein Unterschied, der meiner Meinung nach zu wenig Beachtung im aktuellen Sprachgebrauch findet. „Gleich“ und „gleichwertig“ sind keine Synonyme.
Um den nachfolgenden Text gedanklich folgen und verstehen zu können, ist es essentiell zu verstehen, dass es hier um Wertigkeit geht. Also dass beide Geschlechter gleich viel wert sind, sich aber in ihren Eigenschaften unterscheiden können.
„Wieso können Männer rumbumsen, wie sie wollen, und es wird sogar eher noch als etwas Tolles angesehen, und wenn eine Frau das Gleiche macht, wird sie direkt als Hure bezeichnet“
Diese Aussage habe ich jetzt schon sehr oft gehört und genau aus diesem Grund musste ich diese Frage und ihren Grundgedanken auseinandernehmen und bis auf die unterste Ebene runterbrechen. Nennen wir diese Ebene Originem-Ebene (unterste Ebene, unbewusste Verhaltensweisen und Wahrnehmungen sind dort verankert).
„Wieso können Männer rumbumsen, wie sie wollen, und es wird sogar eher noch als etwas Tolles angesehen, und wenn eine Frau das Gleiche macht, wird sie direkt als Hure bezeichnet“
Um in der Gesellschaft ein Verständnis dafür zu bilden, dass Frauen und Männer gleichwertig sind – das Ausleben ihrer Sexualität also auch gleichwertig ist –, muss folgender Gedanken auf der Originem-Ebene verankert werden: Wenn Frauen viele Männer haben, dann ist das o.k. und etwas Tolles. Es zeigt einfach nur, dass eine Frau genau denselben sexuellen Trieb hat wie ein Mann und so selbstbewusst ist, diesen auch auszuleben.
Und jetzt kommen wir zur Problematik dieses Gedankens. Männer und Frauen leben ihre Sexualität aus, das ist gleichwertig; allerdings ist die Ausführung nicht gleich.
So wie wir Sex haben und wie Sex abläuft, ist die Frau anatomisch gesehen der „Aufnehmende Part“. Sie lässt den Mann in ihren Körper eindringen. Nimmt seinen Penis in sich auf. Der Mann dagegen ist der „Gebende Part“, er dringt mit seinem Penis in die Frau ein. Allein auf Grund der Anatomie des Sex nimmt die Frau eine passive Rolle ein, da sie etwas in ihren Körper aufnimmt. Etwas in den Körper aufzunehmen ist eine viel intimere Handlung als einen Teil seines Körpers irgendwo hineinzustecken. Auch dass der Mann der Frau in der Regel körperlich überlegen ist, führt beim Sex oft ins Extreme dieser physischen Unterschiede, sodass der Mann die Frau körperlich dominiert.
Ich möchte an dieser Stelle noch mal klarstellen, dass dies nicht immer der Fall ist, dass die Frau beim Sex vom Mann dominiert wird, allerdings ist es die Regel. Da wir versuchen eine gesellschaftliche Gedankenstruktur zu verstehen, müssen wir uns natürlich auf die Masse oder Regel konzentrieren, da dies der Part ist, der Gesellschaft definiert und gestaltet.
Man könnte also sagen, dass beim Sex die Frau vom Mann dominiert wird. Alleine durch die Anatomie des Sex. Das Eindringen des männlichen Penis in die weibliche Vagina.
Das Problem liegt nun aber in der Wahrnehmung von „dominiert werden“ im alltäglichen Leben. Außerhalb des Schlafzimmers bedeutet nämlich dominiert werden nichts Gutes. Zumindest hat es keine positive Konnotation. Wer in unserer Konkurrenzgesellschaft von jemand anderem dominiert wird, ist ihm unterlegen und somit hat der Dominierte den Konkurrenzkampf verloren. Dominiert zu werden ist also im alltäglichen Sprachgebrauch nichts Positives. Für einen Mann erst recht nicht. Ein Mann, der dominiert wird, ist in den Augen der anderen Männer kein Mann mehr oder zumindest kein Mann auf gleicher Ebene. Gehen wir zurück in die Natur, dann verliert ein dominiertes Männchen sehr stark an Attraktivität gegenüber dem dominanten Männchen. Ergo, seine Chance, sein Erbgut weiterzugeben, sinkt. Dies ist gleichzusetzen mit Aussterben. Es geht also beim Dominanzkampf zwischen zwei Männchen wahrhaftig ums Überleben.
Im Schlafzimmer dagegen erzeugt Dominanz Vergnügen und Befriedigung für die Frau. Es ist nichts Schlimmes dominiert zu werden, sondern Bestandteil der Lust. Und da entsteht die Problematik im Denken. Dominiert werden ist nicht immer gleich schlecht oder gut. Es kommt auf die Situation an. Da unser Denken aber darauf gepolt ist, gerade bei Männern, dass Dominiertwerden schwach und schlecht sei, ist es für die Mehrheit schwer zu akzeptieren, dass eine Frau, die sich viel dominieren lässt, etwas Positives ist. Denn wenn ein Mann mit vielen Frauen schläft, dann dominiert er viel. Eine Frau die mit vielen Männern schläft, wird von vielen dominiert.
Das Verhältnis, was wir zur Dominanz und zum Dominiertwerden haben, macht es so schwierig, „dominiert werden“ beim Sex zu trennen vom „dominiert werden“ in der Gesellschaft.
Fällt es unserer Gesellschaft vielleicht deshalb so schwer, die Sexualität der Frau als gleichwertig zu betrachten?
Ein weiterer Aspekt ist das Ansehen eines Mannes, der mit vielen Frauen schläft. In den Augen der anderen Männer, ist er ein „krasser Hengst“. Aber auch in den Augen der Frauen kommt er gar nicht so schlecht weg wie viele vielleicht denken.
Hat eine Frau die Auswahl zwischen einem Mann, der mit vielen Frauen Sex hatte, und einem, der mit wenigen Frauen Sex hatte, dann wird sie wahrscheinlich den mit den vielen Frauen wählen.
Aus einem ganz rationalen, logischen Grund. Ein Mann der mit vielen Frauen geschlafen hat heißt, dass dieser Mann von vielen Frauen als sexuell sehr attraktiv empfunden wird und Eigenschaften aufweist, die Frauen dazu bringt sich mit ihm paaren zu wollen. Zudem heißt viele Frauen auch oft mehr Erfahrung. Daher ist es für Frauen oft gar nicht so unattraktiv, wenn man als Mann mit vielen Frauen geschlafen hat. Eher das prahlen mit der Vielzahl macht den Mann unattraktiv.
Bei einer Frau dagegen heißt es eher, dass diese Frau sich leicht auf Typen einlässt. Der große Unterschied ist, dass eine Frau fast jeden Typen ins Bett bekommen würde. Männer sind da einfach anders gepolt. Es ist keine große Kunst einen Typen rumzubekommen. Daher hat eine hohe Anzahl an Geschlechtspartnern für eine Frau auch eher das Gegenteil als Aufwertung zur Folge. Denn etwas, was du quasi umsonst bekommst, macht dich in der Menge leider nicht reicher.
Wir leben nun mal in einer hierarchischen Leistungsgesellschaft. Leistung wird anerkannt und Nicht-Leistung wird geächtet. Der Weg zu einer gleichberechtigten Gesellschaft fängt dort an, zu verstehen, dass Männer und Frauen nicht gleich sind, sich also unterscheiden, allerdings gleichwertig sind, man sie für ihre individuellen Eigenschaften also nicht degradieren kann und darf, egal was diese Eigenschaften auch sein mögen.
Dieses Verständnis setzt allerdings voraus, dass der Mensch ganz genau weiß, was er ist, wie er als menschliches Lebewesen tickt und verstanden hat, dass man selbst nicht das ist, was man denkt. Denn, dass man ein komisches Gefühl bekommt, wenn eine Frau mit vielen Männern geschlafen hat, kennen wahrscheinlich die meisten Männer, allerdings ist das der Punkt an dem man Mensch sein kann. Nämlich merkt, dass diese Gedanken zwar aufkommen, aber dass diese Gedanken ihren Ursprung auf der Originem-Ebene haben und man aktiv dagegen vorgehen kann.
Das ist nämlich einer der besonderen Fähigkeiten des Menschs-Seins. Seine Gedanken zu beobachten und nicht zuzulassen, dass sie sich physisch und emotional verfestigen und Teil deines Ichs werden.
Ich bedanke mich für deine Zeit und bin gespannt, wie du es siehst. Ich freue mich auf Anregungen und Ergänzungen oder sogar eine komplett andere Sicht auf das Thema.