Der geförderte Genosse

in envion •  6 years ago 

Handelsblatt print: Nr. 140 vom 24.07.2013 Seite 004 / Tagesthema
Der geförderte Genosse
Die Firmen von SPD-Wirtschaftsexperte Klaas Hübner bekamen 40 Millionen Euro Steuergeld, fand das Handelsblatt heraus. Wirtschaftsminister Möllring (CDU) will den Skandal um Fördermittel in seinem Land Sachsen-Anhalt aufklären.
-- Hübner ist Wirtschaftsberater von SPD-Chef Sigmar Gabriel.

-- Firmen sind oft trotz Steuergeldspritzen in schlechtem Zustand.

Er wohnt in einem Schloss, trägt gern dunkelblaue Anzüge und am Armgelenk eine Luxusuhr. Wenn Klaas Hübner (46) sich mit Journalisten unterhält, macht er aus seiner bürgerlichen Herkunft kein Geheimnis. Selbst als Hübner noch als SPD-Politiker um Wählerstimmen in seinem Wahlkreis in Bitterfeld buhlte, setzte er am liebsten auf den Charme seines Erfolgs - oder das, was Hübner als Erfolg ausgab. Denn jetzt gibt es ernste Zweifel - trotz der glänzenden Fassade.

Firmengruppe Schloss Neugattersleben. So nennt Hübner die Ansammlung von Unternehmen, die er in den vergangenen Jahren in Sachsen-Anhalt unter einem Dach zusammenführte. Das Wort "Schloss" ist dabei wörtlich zu nehmen. Denn gern erwähnt Hübner, wenn er über seinen Werdegang vom westdeutschen Studienabbrecher zum ostdeutschen Großunternehmer erzählt, dass er 1997 ganz zufällig Schlossherr wurde.

1990 sei er als Werksstudent für die Commerzbank über die innerdeutsche Grenze gegangen, um dort Filialen für die Bank aufzubauen, berichtet Hübner aus seinem Lebenslauf. Dann aber habe er sich kurzerhand selbstständig gemacht. Auf der Suche nach Büroräumen zwischen Halle und Magdeburg stieß er auf das Schloss Neugattersleben, das er 1997 schließlich komplett kaufte. Seitdem ist Hübner Schlossherr. Im unteren Gebäudetrakt ist die Verwaltung seiner Firmengruppe untergebracht. Im oberen Teil des herrschaftlichen Anwesens residiert Hübner mit seiner Familie.

Seinen Ruf als erfolgreicher Unternehmer wusste Hübner auch politisch umzumünzen. 2002 errang er ein Bundestagsmandat im Wahlkreis 72 bei Bitterfeld. 2004 wurde er stellvertretender Landesvorsitzender der SPD in Sachsen-Anhalt, 2007 avancierte er in Berlin zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig unter anderem für den Aufbau Ost.

2009 scheiterte Hübners Wiederwahl an internem Machtgerangel in der SPD, seinem Image als versierter Wirtschaftsmann aber schadete das nicht. Hübner sei "der letzte Unternehmer der SPD", ja einer der wenigen Genossen, die überhaupt eine Bilanz lesen können, stand in Medien landauf, landab zu lesen. Er war Sprecher des "rechten" Seeheimer Kreises. Und er ist Sprecher des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel lässt sich von Hübner beraten.

Doch was soll die Partei nun von dem Wirtschaftsexperten halten, der den Aufbau Ost zum Aufbau Hübner machte? Hinter der fürstlichen Fassade von Schloss Neugattersleben, so zeigen Recherchen des Handelsblatts, stecken Millionen von Steuergeldern. Zwölf Firmen zählen derzeit zur Hübner-Gruppe. Neun von ihnen wurden mit Geldern der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft IBG gepäppelt.

Damit nicht genug: Weitere fünf Firmen, die nicht mehr im Hübner-Portfolio stehen, erhielten ebenfalls öffentliche Gelder. Wie das Landeswirtschaftsministerium bestätigte, flossen über einen Zeitraum von acht Jahren 18 einzelne Zahlungen - von 500 000 Euro bis 8,75 Millionen Euro.

Wofür? Hübners Bilanz ist alles andere als glänzend. Bei nur drei Firmen erhielt das Land sein Geld zurück. Bei vielen anderen darf die IBG sich kaum noch Hoffnung auf Rückzahlungen machen. Das AWS Achslagerwerk in Staßfurt etwa erhielt 2008 IBG-Gelder in Höhe von 3,5 Millionen Euro. In der jüngsten Bilanz steht ein Jahresfehlbetrag von 4,8 Millionen Euro - bei 24,4 Millionen Umsatz.

Bei Hübners MAP Werkzeugmaschinen GmbH in Magdeburg zeigt die Bilanz einen "nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag" von 5,3 Millionen Euro. Hübners Luwatec Luft- und Wassertechnik GmbH in Egeln erhielt 2008 eine Steuergeldspritze von 1,25 Millionen Euro, 2011 legte die IBG noch einmal 933 000 Euro obendrauf. 2012 meldete Luwatec Insolvenz an.

Das Handelsblatt hat Hübner am Mittwoch vergangener Woche erstmals um eine Stellungnahme gebeten. Er schwieg.

Dabei gibt es viel zu klären. Die landeseigene IBG soll junge und aufstrebende Unternehmen fördern. Zwar ist laut Satzung auch die Unterstützung von in Not geratenen Firmen möglich - was also für die von Hübner zusammengekauften Betriebe ja Gültigkeit haben könnte.

Doch die Zahlen werfen viele Fragen auf. Rund 20 Prozent aller Gelder, die im fraglichen Zeitraum von der IBG verteilt wurden, flossen an Hübners Schlossgruppe. Warum? Gab es Nebenabsprachen? Wieso sind einige der Firmen, an die Steuergelder flossen, seltsam miteinander verschachtelt? Und warum wechselte eine Mitarbeiterin aus Hübners Schlossgruppe auf die Seite der IBG?

Dinnies Johannes von der Osten war von 1998 bis 2007 IBG-Geschäftsführer und verwaltete danach die IBG-Fonds über eine andere Gesellschaft. Er ließ ebenfalls alle Anfragen des Handelsblatts unbeantwortet. Auch seine Geschäftsführerkollegen blieben stumm.

Das Landeswirtschaftsministerium ist alarmiert. Erst vor einer Woche entzog Wirtschaftsminister Hartmut Möllring als IBG-Aufsichtsratsvorsitzender von der Osten das Vertrauen und beendete die Zusammenarbeit. Von der Osten hatte zugegeben, während seiner IBG-Geschäftsführertätigkeit verdeckt an solchen Unternehmen beteiligt gewesen zu sein, die mit Steuergeld in Millionenhöhe von der IBG gefördert wurden. Von der Osten erlöste für sich selbst durch günstige Aktienverkäufe zweistellige Millionenbeträge. Er selbst gibt an, sein Vertrag habe ihm dies nicht untersagt.

Nun gesellt sich zum Insiderskandal ein Politikum. Warum erhielten die defizitären Firmen des Sozialdemokraten Hübner so viel Steuergeld? Basiert der vermeintliche Erfolg des SPD-Vorzeigeunternehmers auf dauerhaftem Nachschenken aus Fördergeld-Krügen? Bislang verweigert Hübner jede Stellungnahme. "Herr Hübner hat Ihre Fragen erhalten", sagte seine Sekretärin am Montag auf die letzte Anfrage des Handelsblatts. Doch eine Antwort kam nicht.

Nun wird sich Hübner direkt mit dem Landeswirtschaftsminister und IBG-Aufsichtsratschef Hartmut Möllring auseinandersetzen müssen. "Die Thematik ist neu, aber wir nehmen sie ernst", sagt der Minister. "Das werden wir uns noch einmal genau ansehen."

Der politische Flurschaden lässt sich dabei kaum begrenzen. Die Gelder an Hübner flossen zwischen 2005 und 2013. Von der Osten wurde 1997 IBG-Geschäftsführer. Seitdem waren in Sachsen-Anhalt fast alle Parteien an der Macht, die das politische Spektrum überhaupt zu bieten hat - von Bündnis 90 Die Grünen über die PDS, die FDP, die SPD bis zur CDU.

Wirtschaftsminister und damit für die IBG zuständig waren seit 1997 Klaus Schucht (SPD), Matthias Gabriel (SPD), Katrin Budde (SPD), Horst Rehberger (FDP), Reiner Haseloff (CDU) und Birgitta Wolff (CDU). Der amtierende Minister Hartmut Möllring steht damit vor der unangenehmen Aufgabe, sich mit Politik-Freunden und Politik-Gegnern gleichzeitig anlegen zu müssen. Auf ihn warten große Herausforderungen.

Landesgesellschaft vergibt Steuermittel an marode Firmen.

20 Prozent aller Fördergelder fließen an Klaas Hübner.

Wirtschaftspolitik Sachsen-Anhalts muss auf den Prüfstand.
Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
Wir begleiten junge Unternehmen mit nachhaltigem und überdurch-
schnittlichem Wachstumspotenzial.
Selbstbeschreibung der IBG-Fonds.
Wirtschaftspolitiker werden in meiner Partei nicht immer geliebt.
Klaas Hübner,
Inhaber der Firmengruppe Schloss Neugattersleben, im Gespräch mit der "Welt"
Die Summe, mit denen die IBG an den Firmen von Herrn Hübner beteiligt ist, ist
außergewöhnlich hoch. Zumal die Firmen aus Branchen kommen, die eigentlich
nicht im Fokus der IBG stehen.
Hartmut Möllring,
Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalt.
Iwersen, Sönke
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Quelle:
Handelsblatt print: Nr. 140 vom 24.07.2013 Seite 004
Ressort:
Tagesthema
Serie:
Fördersumpf Sachsen-Anhalt (Handelsblatt-Beilage)
Dokumentnummer:
7318CA7D-9453-427F-A0BE-9AE5D3EE5CF4
Dauerhafte Adresse des Dokuments: https://archiv.handelsblatt.com/document/HB__7318CA7D-9453-427F-A0BE-9AE5D3EE5CF4%7CHBPM__7318CA7D-9453-427F-A0BE-9AE5D3EE5CF4
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