Insider-Praktiken beim Solarzellenhersteller Q-Cells schockieren die Aktionärsschützer.

in envion •  6 years ago 

Handelsblatt print: Nr. 135 vom 17.07.2013 Seite 020 / Unternehmen & Märkte
Das geheime Geschäft
Insider-Praktiken beim Solarzellenhersteller Q-Cells schockieren die Aktionärsschützer.
-- Land will Vorwürfe gegen Staatsmanager aufklären.

-- Handelnder zeigt kein Unrechtsbewusstsein.

Die seltsamen Aktiengeschäfte des ehemaligen stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden von Q-Cells haben den Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt auf den Plan gerufen. Hartmut Möllring ließ am Dienstag mitteilen, er habe einen unabhängigen Rechtsanwalt mit der Aufklärung des Vorgangs beauftragt. Dieser werde nun die Verträge prüfen, die der stellvertretende Aufsichtsratschef Dinnies Johannes von der Osten abschloss. Diese Verträge brachten ihm zweistellige Millionenerträge ein, ohne dass das Land Sachsen-Anhalt davon Kenntnis hatte.

Möllrings Eingreifen ist die Reaktion auf einen Bericht des Handelsblatts von Dienstag. Von der Osten hatte gegenüber dem Handelsblatt eingeräumt, dass er sich schon im Gründungsjahr von Q-Cells 1999 an dem Solarzellenhersteller beteiligte. Da er seine Anteile von einem Treuhänder verwalten ließ, blieb er als Aktionär unerkannt. Im Jahr 2000 flossen dann von der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft IBG 4,1 Millionen Euro Steuergelder an Q-Cells. Von der Osten war Geschäftsführer der IBG. Möllring will nun prüfen lassen, wie sich von der Osten praktisch selbst fördern konnte. In einer ersten Reaktion sagte Möllring zu dem Verhalten des Staatsmanagers von der Osten: "Das geht auf keinen Fall."

Von der Osten dagegen ist sich keiner Schuld bewusst. Gegenüber dem Handelsblatt sagte er, es sei ihm als Geschäftsführer der IBG weder verboten gewesen sich an Unternehmen zu beteiligen, noch sei er verpflichtet gewesen, solche Beteiligungen mitzuteilen.

Aktionärsschützer empfinden diesen Standpunkt als Hohn. "So eine Konstellation sollte bei keinem Unternehmen möglich sein", sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Es könne nicht angehen, dass das Land ein Unternehmen fördert, und dann der vom Land in den Aufsichtsrat entsandte Manager heimlich selbst Anteile hält. "Da stellen sich doch alle möglichen Insider-Fragen", sagt Kurz. "Unter Transparenzgesichtspunkten ist das eine Katastrophe."

Dabei hatte der betroffene Staatsmanager noch einen Helfer an exponierter Stelle. Ab 2001 war ausgerechnet der Mann treuhänderisch für von der Osten tätig, der selbst eine Kontrollfunktion bei Q-Cells ausüben sollte: Thomas van Aubel. Der Berliner Anwalt war Aufsichtsratsvorsitzender von Q-Cells und hielt die verdeckten Anteile für von der Osten. Gleichzeitig war van Aubel auch selbst Anteilseigner des Solarzellenherstellers. Beide Männer verkauften nur wenige Monate nach dem Börsengang von Q-Cells wesentliche Aktienpakete und verdienten jeweils hohe zweistellige Millionenbeträge. Von der Osten und van Aubel sind seit Jahren gut befreundet.

Compliance-Experten sind von den Verstrickungen im Q-Cells-Kontrollgremium schockiert. "Der Corporate-Governance-Kodex empfiehlt aus unserer Sicht völlig zu Recht, dass ein Aufsichtsratskandidat offenlegen soll, in welcher persönlichen oder geschäftlichen Beziehung er zu wesentlichen Aktionären steht", sagt Tobias Weitzel, Vorstand der Financial Experts Association, dem Berufsverband für Aufsichtsräte. "Sollte sich die Beteiligung von Herrn von der Osten bestätigen, läge selbstverständlich zusätzlich ein Interessenkonflikt als Geschäftsführer einer landeseigenen Beteiligungsgesellschaft vor."

Die Staatsanwaltschaft dagegen sieht die Abläufe bei Q-Cells weniger kritisch. Wie Staatsanwältin Silvia Niemann von der Staatsanwaltschaft Magdeburg bestätigte, erhielt die Behörde schon am 19. März eine anonyme Anzeige gegen von der Osten wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug. Das Ermittlungsverfahren wurde am 3. Mai aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Q-CELLS: AUFSTIEG UND FALL.
Q-Cells wurde 1999 als Vier-Mann-Firma in Bitterfeld gegründet und
entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zum größten Solarzellenhersteller der
Welt. Über die Jahre flossen rund 40 Millionen Euro als Fördergelder und
Kredite an das Unternehmen. Im Oktober 2005 ging Q-Cells an die Börse. 2007
war das Unternehmen elf Milliarden Euro wert und stand kurz vor dem Einstieg in
den Dax. Dann kam der Absturz. 2012 meldete Q-Cells Insolvenz an. Heute
gehört es zum südkoreanischen Mischkonzern Hanwha.
Iwersen, Sönke
Quelle:
Handelsblatt print: Nr. 135 vom 17.07.2013 Seite 020
Ressort:
Unternehmen & Märkte
WKN:
DE0005558662
Börsensegment:
gex
Dokumentnummer:
A2DB1A57-A01A-48FA-A893-3DCAED34472B
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