Gedankenverbrechen – Das Wichtigste auf Erden

in gedankenverbrechen •  6 years ago 

Es gibt Dinge in dieser Welt, die als universelle Wahrheit gelten und daher eigentlich von niemanden geistig gesunden Menschen wirklich ernsthaft in Frage gestellt werden sollten. Eben jene Form von Wahrheit bei der man verwirrt von seinem Mitmenschen angeblickt wird, wenn man sie eben doch in Frage stellt und sich somit gegen den gesamtheitlichen gesellschaftlichen Tenor stellt.

Aber ein Freigeist liebt es eben gerade bestehendes in Frage zu Stellen und nicht jedes vermeidliche Wahrheitsaxiom einfach nur hinzunehmen. Den so manches entpuppt sich am Ende eben doch nur als Fassade hinter der sich noch etwas mehr verbirgt als man es zunächst vermutet. Genau einer solchen widmen wir uns einmal in dem heutigem Gedankenverbrechen.

Nehme Dir ruhig einmal ein paar Minuten Zeit und mache ein Experiment für Dich selbst. Frage Dich einmal ganz offen und ehrlich, was Du für das Wichtigste hälst, dass es auf dieser Erde gibt. Greife nicht den ersten Gedanken auf, der Dir durch den Kopf schwirrt, sondern überlege wirklich einmal einen kurzen Moment nach, bevor Du Dich entscheidest.

Es wird einen Teil unter Euch gegeben, der etwas Materialistisches gewählt hat. Irgend eine Sache, die man besitzen will oder vielleicht sogar schon besitzt und nicht mehr verlieren möchte. Dies kann etwas abstraktes sein oder schon etwas ganz konkretes. Vielleicht ist es ja sogar bei dem einen oder anderen der Fernseher, der einem immer wieder mal den Abend versüsst. Viele solcher Ideen entpuppen sich im Nachhinein als lächerlich oder sogar primitiv. Das sind sie allerdings nicht, den sie zeigen nur auf, wie unser menschlicher Geist eben wirklich tickt. Und fast jeder der sich die Frage zunächst stellt wird zu irgend einem Zeitpunkt eine solche Sache durch seinen Geist rauschen gehabt haben.

Ein anderer Teil wird vielleicht eher an eine Person gedacht haben. Vielleicht die eigene Ehefrau, vielleicht einem Partner, guten Freunden oder der eigenen Familie. Eben etwas in dieser Welt, dass man persönlich für sich gesehen nicht verlieren möchte und zweifelfrei für viele von uns etwas sehr wertvolles darstellen wird. Aber eben meist nur für uns oder einem recht kleinen Teil an Menschen, da jeder zu jemand anderen einen Bezug hat. Wie kann also so eine Sache wirklich das wichtigste in der Welt sein? Mal ganz davon abgesehen, dass wir auch wieder hier sehr schön sehen, wie der menschliche Geist etwas besitzen will und selbst dann, wenn es ein anderer Mensch ist.

Je weiter und länger man gräbt, desto wahrscheinlicher wird es, dass man bei irgend einem Ideal landet. Ehrlichkeit, Freundschaft, Aufrichtigkeit... halt irgend eine Tugend, die man selbst besonders schätzt. Dies ist natürlich eine Sache, die man nicht nur selbst teilt, sondern eben auch viele Menschen auf dieser Welt ebenfalls. Es scheint also etwas zu sein, dass wesentlich universeller als alles bisherige zu sein. Das wirklich über das Individuum hinaus einen Wert besitzt.

Und meist fällt dann auch bald der Begriff „Liebe“. Den kaum jemand wird abstreiten wie wichtig diese ist. Auch wenn sich hier halt zeigt, dass wir Menschen eben gestraft sind mit einer verlustbehaften Sprache zu agieren. Den jeder von uns hat eine ganz andere Vorstellung dazu. Die Liebe einer Sache gegenüber. Die Liebe einer Person gegenüber. Ja, vielleicht sogar bei einigen die Liebe gegenüber Gott. Wie man es aber dreht und wendet, jeder von uns liebt irgend etwas. Entsprechend muss es ja etwas sehr Wichtiges in dieser Welt sein.

Zeit für uns auf Grund dieser Erkenntnis die Sektkorken zu zünden. Und gegenseitig auf die Schulter klopfen und uns zu feiern, dass wir einen solch wichtigen Konsenz gefunden haben, der jenseits jedlicher Zeit, Kultur oder Gesellschaftsordnung zu existieren zu scheint. Haben wir gut gemacht und können uns nun selbstzufrieden grunzend wieder in den Stuhl fallen lassen. Zig Leute im Netz werden zudem unsere Erkenntnis bestätigen und freudig verkünden, dass es wirklich absolut nichts Wichtigeres gibt.

Doch ich möchte dies in Frage stellen und dazu ein mir persönlich sehr wichtiges Zitat vom Schriftsteller „George Orwell“ vorstellen, dass im Gegensatz zu vielen anderen Textpassagen aus seinem Weltklassiker „1984“ nicht sonderlich bekannt ist und von vielen schlichtweg übersehen und vergessen wird:

GeoreOrwell.jpg

"Perhaps one did not want to be loved so much as to be understood"
(Vielleicht will man nicht so sehr geliebt als verstanden werden)

Da es immer noch Menschen gibt, die diesen Roman nicht kennen, ein paar Worte dazu. Es handelt sich um eine düstere Distropie, die im Jahr 1984 spielen soll und von Orwell 1948 verfasst wurde. Er beschreibt darin das Leben des Bürgers „Winston“, der in einem vollendeten totalitären Staat herrscht in dem die regierende Partei die absolute Macht inne hält. Die Macht der Partei geht dabei so weit, dass sie tief in das Leben eines jeden Bürgers hinein greift.

So hat jeder Bürger einen Televisor (stellt Euch ein Amazon Echo vor...) in seinem Wohnzimmer, der es erlaubt ihn permanent zu überwachen und ggf. bei Fehlverhalten zu maßregeln. Die Sprache der Menschen wurde solange angepasst und verändert bis sie nicht mehr in der Lage sind vernünftig Widerstand aufzubauen und feststellen müssen, dass es für vieles einfach keine Worte mehr gibt. Und zusammen mit den Worten verschwindet eben auch die Vorstellung, was diese einst bedeutet haben.

Als klassisches Beispiel von diesem „Neusprech“ dienen dabei Adjektive. Da Begriffe wie „schlecht“ negative Gefühle auslösen, wird von den Menschen daher mit dem Prefix „un“ der positive Aspekt verwendet. „Das Wetter ist heute wieder besonders ungut!“. Der Begriff schlecht ist verschwunden und nur noch durch seine positive Ausdrucksweise darstellbar.

Kurzum es zeigt den absoluten Sieg eines Staates über die Köpfe all seiner Bürger. Und da keine Einheit mehr existiert, kann jeder und alles entfernt werden, wenn er unbequem wird. Nur eine Sache gibt es, die wirklich über allem steht. Der „große Bruder“ der über einen wacht und aufpasst, dass man sich der Gesellschaft gegenüber vernünftig verhält. (Was für ein Hohn, dass man ausgerechnet eine TV-Überwachungsshow so nannte und auf diese Weise über Orwells düstere Warnung spottet).

Ohne nun den Roman zu spoilern sei nur soviel gesagt, dass sich der Protagonist Winson in einer misslichen Lage befindet als ihn der oben genannte Satz durch den Kopf schießt und er erkennt, dass das wichtigste auf der Welt ist verstanden zu werden. Und das dies selbst dann noch Bestand hat, wenn es sich um einen Feind handelt. Den selbst dann ist es immer noch viel Wert, wenn er die eigene Lage von einem Nachvollziehen kann. Es kann ein Anker in Mitten eines schwarzen unendlichen Universums sein – weit jenseits jedlicher Form von Liebe.

Was man über Orwell noch wissen muss ist, dass er ein ausgezeichneter Beobachter von menschichen Verhalten gewesen ist und sich durchaus stets bewusst war, was er mit oft noch so kleinen Sätzen auslöste. Somit ist auch hier davon auszugehen, dass er keineswegs wollte, dass man diesen Satz nur im Kontext mit seinem Roman sehen sollte.

Den ist es nicht tatsächlich so, dass einer der tiefsten Wünsche, die einem jeden Menschen innewohnt die Sehnsucht danach ist wirklich und ernsthaft in seinem Wesen verstanden zu werden? Ist nicht vielleicht sogar das, was wir hinter dem abstrakten Begriff „Liebe“ wirklich verstehen und genau jener Aspekt den wir daran so sehr schätzen. Das uns ein anderer Mensch kennt und man nur mit einem Blick bereits in der Lage ist sein Gegenüber zu verstehen und in der Lage ist dieses gemeinsame Gefühl miteinander zu teilen?

Und stellen wir uns nur einmal einen kurzen Augenblick eine ganze absurde Idee vor. Das wir uns als moderne Menschen vielleicht bereits in einem orwellschen Staat befinden, der uns der Vorstellungskraft beraubt hat mit Worten immer das ausdrücken zu können, was wir eigentlich sagen wollen. Könnte dies wirklich möglich sein?

Um dies abschließend zu beantworten muss man verstehen, dass wir Menschen eine verlustbehafte Sprache sprechen. Jede Information, die wir versuchen zwischen zwei Menschen auszutauschen erfolgt über eine Sprache, die bewusst Informationen bei der eigentlichen Übertragung verliert. Sagt ich „Tisch“, wird jeder von Euch eine Vorstellung von eben dem Konzept eines „Tisches“ haben. Und gleichzeitig wird einer jeder von uns vor seinem geistigen Auge eine ganz anderen Tisch sehen. Ein Teil der Information geht somit immer verloren und wird durch etwas falsches ersetzt.

Wir glauben meist, dass wir in der Lage sind miteinander zu reden und vernünftig Informationen auszutauschen. Tatsächlich ist dies aber eine riesige Illusion und vermutlich eine gute Erklärung dafür, dass es soviele Konflikte zwischen uns Menschen gibt. Wir verstehen uns einander nicht mehr richtig und selbst etwas gut gemeintes, kommt vielleicht beim Gegenüber boshaft an.

So auch beim Begriff der „Liebe“. Jemand aus der klassischen Antike in Griechenland würde uns bei dem Begriff wohl skeptisch anblicken und ein wenig irritiert sein. Den dieser Begriff war keineswegs stets immer nur ein einziger Begriff. Vielmehr unterteilen die Griechen ihn in insgesamt drei Begriffe:

  • Eros
  • Philia
  • Agape

Während Eros eine „erotische“ oder begiehrende Liebe ist, die wir vermutlich heutzutage am Besten mit „Lust“ beschreiben können, bei denen wir jemanden sexuell anziehend finden, ist die Philia ist eine freundschaftliche Liebe bei der wir jemanden sehr schätzen. Die Agape ist eine wohlwollende Liebe bei dem der Liebende nichts vom Geliebten begehrt. Eine Art Weltliebe oder gar göttliche Liebe.

All diese „Liebe“ kann unterschiedlich miteinander kombiniert werden. Wir können jemanden begehren ohne das wir auch nur das geringste für ihn empfinden. Wir können jemanden freundschaftlich von ganzen Herzen lieben ohne das wir etwas sexuelles von der Person wollen. Oder wir können auch beides gleichzeitig vorliegen haben.

Ist es nicht eigentlich bizarr, dass wir heutzutage für all diese Dinge die gleichen Begrifflichkeiten verwenden? Und das obwohl dies auf Grund seiner unpräzisen Natur stets zu merkwürdigen Situationen führen kann? So konnte ein Grieche früher durchaus zu einem guten Freund sagen: Ich liebe dich! Ohne das man ihn gleich als homosexuell verstanden hätte. Auch hätte ein Grieche einen One-Night-Stand vermutlich schlicht als Werke Eros abgetan. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Eine Zivilisation die vor tausenden von Jahren existierte, schafft es eine präzisere Sprache zu sprechen als wir es heute tun und uns ständig wundern, wieso wir einander nicht mehr verstehen.

Und so hängen wir als moderne Menschen in unseren Wohnungen zusammen mit einem Amazon Echo, dass uns nicht versteht oder verstehen will. Liegen wir neben Menschen, die wir lieben und fühlen uns doch missverstanden. Haben zig Dinge, die wir wir fühlen und doch nicht aussprechen können, weil uns einfach die Worte dafür fehlen dies vernünftig zu tun. Und hinter allem diesem hallt ein fernes Echo von George Orwells: „Perhaps one did not want to be loved so much as to be understood".

Vielleicht sollte man so manches mal von seinen Bekenntnissen zur Liebe absehen und statt dessen versuchen jemanden zu zeigen, dass man ihn wirklich versteht und sein Tun nachempfinden kann. Den eine solche Form von Ehrdarbietung ist am Ende doch etwas, wonach sich wirklich ein jeder von uns wirklich zutiefst sehnt.

Und im Gegensatz zur „Liebe“, kann man echtes Verständnis weder simulieren, noch Bedarf es eine Sprache. Ja, wir können sogar in die Augen eines Feindes blicken und erkennen, dass dieser einem wahrnimmt, selbst wenn er einem zutiefst hasst und verachtet. Denn all dies hat die Sprengkraft selbst eine finstere Dystrophie wie sie in 1984 beschrieben wird zu zerschlagen ohne Bedeutung dafür was jemand auch immer schon unserer Sprache angetan hat um zu verhindern, dass wir sie nutzen, um verstanden zu werden.


Ich hoffe sehr, dass ich in der Lage war dieses Gedankenverbrechen vernünftig darzulegen. Den es ist nicht wirklich ganz einfach zu verstehen. Trotzdem halte ich es für sehr wichtig es einmal für sich selbst zu verstehen. Den das Zitat gibt mir oft sehr viel Kraft, wenn man eine finstere Zeit durchlebt und gleichzeitig eine Anleitung, wie wir jemanden den wir wirklich Schätzen ein großes Geschenk machen können. Nicht durch die Liebe selbst, die in den meisten Fällen eher eine egoistische Darbietung ist, sondern in dem wir die Person wirklich so akzeptieren wie sie ist und uns die Mühe und die Zeit nehmen uns in ihre Lage und Gefühle hinein zu versetzen.

Den auf diesem Weg werden wir eine Antwort darauf erhalten, was das wichtigste in der Welt ist und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um unsere Welt oder eine düstere Dystrophie handelt. Gesehen zu werden und wirklich von anderen Menschen verstanden zu werden. Den ohne diesem sind wir nicht mehr als ein unruhiger Geist in einem weißen Raum voller Nichts, der unfähig jedlicher Reflektion seiner selbst auf der Suche nach etwas, dass er nicht in Worte fassen kann, sich verliert. Den es gibt Dinge an uns selbst, die wir nur durch die Augen eines anderen Menschen sehen können. Wer sich diesem verschließt wird auf Ewig blind sein.

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das ist der wahnsinn was du da geschrieben hast,

am anfangen wo ich angefangen habe es zu lesen musste ich nicht an ein gegenstand denken sondern ich habe direkt an das Leben gedacht.

Aber wo ich weiter gelesen habe war das so als ob du wusstest was für ein Problem ich habe...

Ja ich fühle mich echt nicht verstanden, auch wenn ich mit meiner Frau versuche darüber zu reden kommt es zum streit...

Und das verstehe ich nicht, will sie mich nicht verstehen oder versteht sie mich nicht.

Aber manchmal denke ich auch das sie denkt das ich sie nicht verstehe und deswegen sie nicht über alles mit mir spricht.

Wir Menschen sind eine Komische Spezies
Ich würde gerne mit jemanden reden der mich versteht aber so eine Person gibt es noch nicht

Vielen Dank zunächst einmal :) Es freut mich insbesondere sehr, wenn ich mit einem Thema auch bei jemanden einen Punkt getroffen habe, der einen auch wirklich umtreibt.

Viele Menschen ignorieren nämlich schlichtweg gerne, dass es solche Phänome gibt. Dabei halte ich die Verlustbehaftung der Sprache für das wirklich Urdilemma der menschlichen Spezis. Würden wir eine eindeutige, mathematische Sprache haben, würden wir uns vermutlich so einiges an Leid ersparen. Aber wie ich es mit dem Beispiel für den Tisch gebe, geht es eben nahezu ständig zu. Unser Geist zwingt uns dazu zu denken, dass wir stets mit Worten das ausdrücken können, was uns umtreibt und die Gegenseite es dann auch genauso verstehen würde. Dies ist aber eine Illusion, da wir durch jede Kommunikation sehr viele Informationen verlieren. Für simple Dinge wie: Gib mal das Futter rüber! Ist unsere Sprache wirklich mehr als ausreichend. In den Punkten funktioniert sie. Geht es aber um abstraktere Dinge wie z.B. auch Leid und Schmerz, sieht die Sache schon ganz anders aus. "Mir geht es heute nicht gut!" kann für den einen bedeuten, dass er kurz vor dem Zusammenbruch steht ... beim anderen einfach nur, dass man morgens einfach nur mit dem falschen Bein aufgestanden ist. Da ist Frust ja quasi schon vorprogrammiert.

Noch fataler wird dies in Beziehungen, wenn jede Seite bereits davon ausgeht, dass gewisse Dinge bereits "bekannt" sind, während die Gegenseite diese dann einfach bereits "herausgefiltert" hat und in einem früheren Gespräch als "unwichtig" angesehen wurde. Dann wirkt es eben manchmal nicht nur so als würde man ständig aneinander vorbei reden.

Ein Dilemma ist es, weil wir damit gefangen sind und uns dem nicht enziehen können. Ein geschriebener Text kann durchaus den Sachverhalt gegenüber einem Gespräch ein wenig lindern, da mehr Gedanken reingeflossen sind. Trotzdem bleibt der Informationsverlust erhalten. Ich versuche dies üblicherweise dadurch zu kompensieren, dass ich das Gegenüber explizit häufig nach Gefühlen oder Wünsche frage, da dies dann wesentlich einfacher auszudrücken ist als dieses irgendwo aus dem Gedankenbrei heraus zu fischen. Des weiteren akzeptiere ich, dass es immer diesen Informationsverlust gibt. Der ist natürlich auch immer beidseitig. Entsprechend räume ich engen Freunden auch mitunter ein eine Sache als "wichtig" zu markieren und erlaube sie frei nach Schnauze zu reden und nicht emotional darauf zu reagieren, selbst dann, wenn es gegen einen selbst geht.

Lebt man eine solche Form der Kommunikation, kann man tatsächlich so manches Missverständnis aus dem Weg räumen oder Kränkungen beenden, die einem vielleicht gar nicht bewusst waren. Dies geht aber eben doch immer ein recht langer Lernprozess vornweg.

Die gute Nachricht ist, dass die meisten Verletzungen wirklich eher ungewollt sind und der Mensch Grenzen meist nicht böswillig überschreitet. Dies muss man sich auch immer wieder vor Augen halten, die Anzahl echter Sozialsadisten ist wesentlich niedriger als man es zunächst annehmen mag.

Die schlechte Nachricht ist, dass es die Sache in sich nicht im geringsten einfacher macht :) Aber beschäftigt man sich nie damit, wird man auf Ewig ein Spielball dieser Kräfte sein ohne sie je zu verstehen.

Sehr viele interessante Gedankengänge in einem Artikel.

Ich möchte noch ergänzen: Es ist sicherlich lebensnotwendig, verstanden zu werden - genauso, wie geliebt zu werden. Wenn ich jemanden wirklich liebe (also ohne etwas zu wollen), dann kann ich das auch, wenn ich denjenigen nicht verstehe. Das Verstehen ist eine Momentaufnahme, weil sich dein Verständnis, deine Erkenntnisse und Erfahrungen wandeln. Vielleicht verstehen wir uns dann eben erst morgen wirklich... lieben kann ich immer ;-) Liebe braucht auch keine Sprache. Sprache ist enorm wichtig - allerdings auch enorm subjektiv (geprägt) und "manipulierbar". Deshalb bin ich grundsätzlich der Meinung, dass das FÜHLEN mit dem Herzen bei allem dabei sein sollte.

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. - Antoine de Saint-Exupéry

Mein Satz wäre: Wir Menschen wollen gesehen werden - mit allem, was uns ausmacht, und zwar ohne jegliche Bewertung.

Auch an Dich ein Danke schön für die netten Worte.

Mit dem Verstanden werden meinte ich hier auch wirklich in seinem Wesen. Ich habe hier als Beispiel eben auch viel über Sprache als solche geschrieben, um eben auch die Brücke zur Orwell zu kriegen und weil ich es faszinierend finde, dass unsere Sprache teilweise eben bereits verkümmert ist und die Kommunikation erschwert.

Das Verstanden werden des eigenen Wesens ist eben genau wie Du es beschreibst und bedarf keiner Worte. Ja, eben vermutlich funktioniert dies auch gegen Feinde, die man eigentlich gar nicht liebt. Auch wenn wir dieses Konzept vermutlich eher mit "Respekt" darstellen würden. Genau diese Fähigkeit ist eben ein Aspekt der uns vom Tier trennt und umso trauriger ist es, dass wir sie trotzdem so selten nutzen.

Dein Zitat von Antoine ist dazu übrigens wirklich vorzüglich gewählt und tatsächlich ein mir persönlich sehr wichtiger. Das Gespräch zwischen dem kleinen Prinzen und dem Fuchs über die Rose ist eine Stelle bei der es einem einfach die Tränen in die Augen treiben kann. Das fängt schon mit der Zähmung an und endet eben mit dem Zitat. Gerade auch auf französisch immer sehr schön:

On ne voit bien qu’avec le coeur. L’essentiel est invisible pour les yeux.
"Der kleine Prinz" ist ein Kinderbuch, dass man unbedingt als Erwachsener, der erzogen wurde mit den Augen zu sehen, noch einmal zu lesen. :)

Danke für deine ausführliche Antwort - wir halten hier Sprache lebendig ;-) Und Sprache gehört auch zur Identität. Wenn also Sprache "verkümmert"...

Du hast in diesen Artikel sehr viel gute Gedanken hineingepackt, so dass ich mit Freude ein 100% Upvote vergebe.

Auch Dir vielen Dank für deine Worte :)