Deutsche IT-Projekte

in german •  7 years ago 

Der folgende Text stammt aus einem Heise-Online-Kommentar zum Thema Digitalisierung an Schulen:

Staatliche Prestigeprojekte laufen in etwa so ab:

  • der staatliche Aufraggeber braucht ein Projekt XY. Naja, eigentlich braucht er es ja nicht wirklich. Er möchte nur mal wieder mal etwas haben, mit dem er zeigen kann: wir haben den Allerlängsten!
  • ein Expertengremium aus Soziologen und ambitionierten Telefondesinfizierern wird gegründet, und berät sich über den zu erzeugenden Bedarf: digital muss es sein, etwas Klaut muss rein, und ein paar recht cool klingende Schlagworte und Akronyme der Art HauMIBlau und DUMPFBACKe dürfen auch nicht fehlen.
  • Die Soziologen erklären, es sei schön, dass man mal darüber geredet hätte.
  • Ein Beratungsunternehmen wird beauftragt, um herauszufinden, was man basteln könnte, das die coolen Schlagworte enthält, und definiert möglichst kompliziert klingende Anforderungen, die möglichst schwammig formuliert sind, eine zur Anzahl der Anforderungen exponentielle Zahl von Deutungsmöglichkeiten zulassen, die garantiert am sinnvollen Bedarf vorbeigehen. Jetzt freuen sich auch die Telefondesinfizierer. (Diejenigen, die das ganze dann benutzen sollen, fragt man lieber nicht, um keine Missverständnisse zu riskieren)
  • Das Projekt wird öffentlich ausgeschrieben. In der Regel bekommen die billigsten Anbieter, die auch schon möglichst in der Vergangenheit die Projekte versiebt haben, den Zuschlag, denn: bewährt ist bewährt, da weiß man was man hat.
  • Viele Monde und Millionen später dümpelt das ganze vor sich hin. Am Tag der erwarteten Fertigstellung sind Theorie und Praxis vereint: nichts geht, und keiner weiß warum. Unklar ist noch immer, was eigentlich gehen sollte - aber das ist ein unwichtiges Detail.
  • Die Telefondesinfizierer sind sauer, und sogar die Soziologen ungewöhnlich gereizt.
  • Viele ungeplante Diskussionen, Monde und Millionen später wird dann das unausgegorene, kaum praxistaugliche und längst veraltete Armutszeugnis für fertig erklärt und als voller Erfolg gefeiert, um alsbaldigst in der Versenkung verschwinden zu dürfen (natürlich nicht, bevor die letzten Blutkonserven aufgebraucht sind, um im Rahmen des Investitionsschutzes das untote Dasein möglichst lange aufrecht zu halten. Gelegentlich werden noch ein paar zusätzliche Gliedmaßen angenäht, die den verwesenden Zombie etwas sympathischer rüberkommen lassen sollen).
  • Das nächste Prestigeprojekt scharrt jetzt bereits mit den gespaltenen Hufen, um endlich an die Töpfe ran zu dürfen, die sonst am Ende noch für so sinnlose Dinge wie: dichtes Dach und funktionierende Toiletten verwendet werden müssten.
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Haha genauso kommt es mir wirklich sehr oft vor. Perfekte beschrieben. Danke fürs posten!