Wechsel von einer D-A-CH-Region zur D-A-CH-S-Region - Die Sicht eines Südtirolers

in hive-121566 •  3 years ago 

Hi,
als deutschsprachiger Südtiroler komme ich mir immer etwas, nicht direkt diskriminiert, aber schon eher in die Richtung vor. Deshalb würde ich gerne einen Antrag stellen, dass die D-A-CH-Region in eine D-A-CH-S-Region umgewandelt wird.

Warum denn das? Ist doch Blödsinn...

Nein - ist es nicht, denn in Südtirol ist die Mehrheit der Bevölkerung deutschsprachig. Warum werden wir also nicht in die D-A-CH-Region aufgenommen und entwickeln eine D-A-CH-S-Region? Ich denke, das kann für alle vom Vorteil sein, denn Südtirol ist ein wunderschönes Touristengebiet.

Ich möchte nicht politisch werden, denn das bin ich nicht. Aber nichts desto trotz muss ich etwas zur Geschichte meines Landes erzählen, damit ihr das vielleicht nachvollziehen könnt...

Unsere Geschichte

Südtirol ist ein schönes, kleines Land im Norden Italiens. Es war lange Teil von Österreich, bis es nach dem ersten Weltkrieg im (meiner Meinung nach, unfairen) Pariser-Abkommen an Italien abgegeben wurde, als Belohnung für ihre Hilfe (nachdem sie die Seiten gewechselt hatten).
Was nachher geschah war unglaublich. Die Italiener wollten uns tatsächlich ihre Sprache aufzwingen, was an sich ja nicht schlecht ist, denn es ist die Sprache des States. Doch die Umsetzung ist das Problem am Ganzen: unter Benito Mussolini wurde die deutsche Sprache komplett verboten. Das ganze wurde von Ettore Tolomei beaufsichtigt. Wer deutsch sprach, wurde verhaftet. Die Namen wurden italianisiert: wer z.B. Schneider hieß, hieß von nun an Sartore. Wir durften unsere Landesfahne nicht hissen. Wer die Landesfahne hisste, wurde ebenfalls verhaftet. Im zweiten Weltkrieg mussten wir auf der Seite Italiens kämpfen, was niemand von uns wollte, denn wir wurden von den italienern unterdrückt und unserer Sprache beraubt.
Mussolini war ein guter Freund Hitlers und da Hitler die deutsche Sprache an einem Ort haben wollte gab es die sogenannte Optionszeit.

Die Optionszeit

Jeder Südtiroler hatte folgende Option: Entweder er entschied sich für Südtirol und musste mit der Italianisierung zurechtkommen, oder er hat sein Haus und Hof verloren und dafür wurde ihm ein Hof in einem "besseren Gebiet" in der Nähe von Deutschland versprochen. Dies entpuppte sich als Lüge: Man bekam einen Hof, oder zumindest ein Haus und durfte weiterhin die deutsche Sprache sprechen, jedoch befand sich dieser Hof nicht direkt in Deutschland, sondern in Polen, Ungarn, usw. Den sogenannten Optanten (also die, die auswanderten) ging es somit schlechter als früher, viele wurden arm. So konnte es nicht weitergehen, haben sich viele gedacht. Deshalb gründeten einige Südtiroler einen Bund namens BAS.

Der BAS

BAS steht für: Befreiungsausschuss Südtirol. Es war ein Bund von Sütirolern, welche sich dem italienischem Staat nicht unterwerfen wollte; anfgeführt von Sepp Kerschbaumer. Zusammen schmiedeten sie Pläne, wie sie dem italienischen Staat eines reinwürgen und auf das Problem, das im Land herrschte, aufmerksam machen konnten. Sie beschlossen Strommasten in die Luft zu sprengen, damit wichtige italienische Industriegebiete in Südtirol keinen Strom mehr bekamen. Dies soll als Feuernacht in die Geschichte eingehen.

Die Feuernacht

Am Herz-Jesu-Sonntag Anfang der 60er Jahre war es dann soweit: Dynamit wurde an vielen Strommasten befestigt und mit einem Zeitzünder versehen. In der Nacht flogen sie (fast alle) in die Luft, Einer nach dem Anderen. Die italiener waren aufgebracht. Die Carabinieri (italienische Militär-Polizei) bekamen den Auftrag alle Südtiroler, die daran beteiligt waren, festzunehmen, in die Kaserne zu schleppen und dort hatten sie dann Carta Biancha, also einen Blankoschein für alles. Die Südtiroler wurden gefoltert und gequält, bis sie mit der Sprache herausrückten. Sie wurden solange gefoltert, bis sie irgendwann nachgaben und ein, von den Carabinieri verfasstes, "Geständnis", welches nur in italienischer Sprache geschrieben wurde, die niemand verstand, unterzeichneten. Viele starben dabei an den Folgen der Folter und einige, die noch Leben, dürfen wegen ihrer "Straftat", die sie damals unterzeichnet hatten, auch heute noch nicht nach Südtirol zurückkehren. Wir kamen zwar nicht los von Italien, bekamen dafür aber die erste Autonomie.

Die Autonomie

Insegsamt gibt es 3 Autonomiestatute in Südtirol. Darin steht unter anderem, dass wir ein Recht auf unsere Muttersprache, also Deutsch, haben. Was super funktioniert... nicht! Es gibt immer noch viele Sachen, welche nicht auf Deutsch verfasst sind; Gesetze findet man zum Teil auch nur in italienischer Sprache.
Um ein kurzes Beispiel der Gegenwart zu machen: Für die Anfrage des Greenpass musste man auf einer Seite mehrere Daten eingeben. Es hat mich fuchsteufelswild gemacht, da ich es nicht geschafft habe, den Greenpass herunterzuladen, weil ich etwas falsch verstanden habe, da die Seite nur auf italienisch war. Den Greenpass konnte man dann in verschiedenen Sprachen herunterladen, Italienisch, Deutsch-Italienisch-Englisch und noch eine andere Sprache. Ich habe natürlich die mit Deutsch gewählt, aber auch auf dem Dokument wurde nicht alles übersetzt...

Wie fühlt man sich als "Deutscher" in Italien?

Es geht, es ist nicht mehr so schlimm wie damals, da wir jetzt ein Recht auf unsere Sprache haben. Aber ich fühle mich nicht wirklich als Italiener; eher Österreicher bzw. mehr sogar Deutscher, da ich eigentlich alles auf deutsch ansehe, lese usw. Besonders auf YouTube sehe ich mir nur deutsche Kanäle an. Was mich dann immer wieder ein bisschen ärgert, da z.B. Gesetze, die in den Videos erklärt werden, dann für Deutschland gelten und nicht für Südtirol...
Ich bin sehr an Finanzen interessiert und würde gerne investieren, deshalb schaue ich z.B. Finanztip und Finanzfluss, welche dann super Online-Broker vorschlagen, die ich gerne nutzen möchte, doch dann sind sie nicht in Italien verfügbar...

Ich hätte auch lieber, dass Südtirol wieder zu Österreich gehört. Nochmals, ich bin nicht politisch, doch ich habe schon so einiges durchgemacht hier und festgestellt, dass die italienischen Gesetze einfach für den A**** sind. Kinder dürfen z.B. ihre Väter fast nie sehen, da die Mutter vom Gesetz her automatisch das Sorgerecht erhält, obwohl sie oftmals viel lieber beim Vater wohnen würden -.-" Und, zumindest in meinem Fall, durfte ich meinen Vater nur einmal in der Woche und jedes zweite Wochenende sehen, was einfach viel zu wenig war... Die Carabinieri sind auch für den Müll, da sie sowieso nie etwas tun können, außer einem auf die Eier zu gehen (da habe ich auch schon so einiges erlebt...).

Schlusssatz

Ich finde wir Südtiroler haben das Recht auf eine D-A-CH-S-Region, da wir auch deutsch sprechen und eigentlich in der D-A-CH-Region mit inbegriffen wären, hätte es damals nicht dieses blöde Abkommen gegeben.

Bitte versteht mich nicht falsch, ich möchte hier nicht hetzten, oder irgendwas. Ich möchte euch nur meine Sichtweise etwas näher bringen und hoffe, dass mich zumindest einige von euch verstehen können. Am Ende kann jeder machen, was er will, deshalb werde ich auch nicht aufhören, mir deutschen Content reinzuziehen ;)

Schönen Tag noch,

  • dissi
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