Ein Wurmfortsatz / A vermiform appendix

in hive-146118 •  last year 

english below...

Guten Morgen zusammen!

Auf den gestrigen Peppermint-Post folgte ein Kommentarverlauf, in dem ich an einer bestimmten Stelle recht grob reagiert habe. Normalerweise mag ich es nun gar nicht, wenn auf Blubbereien zurückgeballert wird. Also: Tonfall und Wortwahl tun mir leid! Inhaltlich bleibe ich dagegen beim Gesagten...

Post - und noch viel mehr die sich entspinnenden Kommentare - haben mich deutlich getriggert und unsanft in die Seite geboxt. Warum, mag ich gerne loswerden:

Erinnert Ihr Euch an meine Berichte über Cira? Die Hannoveraner-Stute, die nach einer brutalen Karriere als Hochleistungssportgerät und entsprechendem Verschleiß zur Gebärmaschine gemacht werden sollte, was nicht besonders erfolgreich verlief... Die dann hoch tragend von Freundin Anke auf ihrem Tierschutzhof als Gouvernante für die halbwüchsigen Freiberger Pferde "eingestellt" wurde...? An das Drama um die Geburt ihres letzten Fohlens...?

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Seitdem wurde sie quasi ein anderes Pferd. Sie managte ihre (mittlerweile auf 12 Tiere angewachsene) Herde souverän, hat angefangen, ausgelassen und pferdetypisch zu spielen, baute insgesamt wunderbar auf. Eine Freude!

Vorgestern ist sie verstorben. Keine Sorge - nicht an Würmern... Aber an Zeug, das sie nicht hätte fressen dürfen.

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Alle Fotos: Anke Müller

Den Pferden bei Anke geht es gut. Sie leben so naturbelassen wie möglich, haben riesige Weideflächen, die umlaufend besetzt werden, um den Wurmzyklus natürlich zu brechen. Es gibt außer Weidegras und Heu kein Beifutter, außer im Krankheitsfall. Das Heu wird beim Bauern des Vertrauens, innerhalb einer Kooperative, bezogen.

Warum sage ich letzteres? Heu ist nicht gleich Heu. Heu wurde in den letzten Jahren sehr teuer. Rinderheu ist dabei preisgünstiger als welches für Pferde - weil mehr "Zeug" drin sein darf, das für Pferde fatal wäre. Beispielhaft genannt Herbstzeitlose oder Jakobskreuzkraut. Und ja, die Pferde fressen das! Vermutlich haben ursprüngliche Rassen, wie vielleicht Koniks oder Berber, ausreichend verbliebene Instinkte, um sie zu vermeiden. Überzüchtete, überwiegend falsch bzw. nicht artgerecht gehaltene, ganz falsch ernährte und zumeist von ahnungslosen bis ahnungsarmen Laien gehaltene Pferde (die dann aus Kostengründen gerne aus Fehlkreuzungen und katastrophaler Haltung stammen und gesundheitlich mindestens angeschlagen sind), die haben keine derartigen Instinkte mehr. Die fressen, was sie finden. Kriegen dann Koliken, weil es zu viel war oder zu hohen Glukosegehalt hatte. Kriegen Hufrehe davon oder equines Asthma. Das sind alles keine Themen für Länder, in denen viel archaischer und traditioneller mit Pferden, eigentlich allen Tieren, gelebt wird. Das ist hierzulande schon lange nicht mehr der Fall! Und ich verteidige das nicht. Ich sehe es aber als gegeben und muß mich also genau damit befassen. Und dabei geht es um die weitaus meisten Pferde in Deutschland. Bei den Leistungssportlern und in Landesgestüten fände man diese Probleme wahrscheinlich nicht (dafür ganz andere...)

Zusätzlich haben auch die robusteren, weil ursprünglicheren Rassen, keinen schützenden inneren Warner vor für sie gefährlichen Pflanzen, die nicht in ihrer natürlichen (angestammten) Umgebung vorkommen. Invasive Arten, hören wir häufiger... Sprich: wenn z.B. auf Chriddis Schafweide Engelstrompeten rumstehen würden (die im Gegensatz zu den Trompetenblumen wirklich richtig stark giftig sind), hätten die Böckchen kaum Hemmungen, sich daran zu laben.

Okay, zurück zu Freundin Anke. Die Pferd "kann" und jeden Heuballen durchinspiziert. Die vorgestern morgen die sterbende Cira auf der Koppel vorfindet. Der das keine Ruhe läßt und die nach der Todesursache suchen läßt. Die einen Laborbefund der entnommenen Blutproben erhält, der eindeutig auf einen anaphylaktischen Schock verweist. Eine hochallergische Reaktion. Auf durch und durch einheimisches Zeug.

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Auf der Koppel wurde bei intensiver Nachsuche nichts davon gefunden. Im Heu ebenfalls nicht. Den anderen Vierbeinern der Herde geht es gut. Meine Vermutung geht in die Richtung, daß Wanderer, die vielleicht ihren Kindern die Freude machen wollten, die hübschen Pferde zu füttern, so weit fit und achtsam waren, daß sie es nicht mit Leberwurstbroten versuchten (kein Scherz: passiert regelmäßig. Ja, die fressen das! Endet fies...), sondern sich dachten, Heu bekommen die sowieso, das paßt schon. Und extra leckeres Wiesenblumenheu für Kaninchen aus der Zoohandlung mitbrachten... Da gehören die aufgeführten "Killergräser" nämlich zum Portfolio. Cira als Leitstute wäre als erste an den Zaun gekommen. Und solange es um lecker Fressen geht, hätte sie niemand anders herangelassen...

Sie hat nur eine sehr kurze Zeit ihres Lebens einfach Pferd sein dürfen. Ich bin traurig. Und ich weiß dabei sicher, daß Peppermint für seine Lebenswirklichkeit recht haben dürfte mit dem, was er schreibt. Die hat nur mit meiner (hiesigen) vermutlich ganz wenig gemeinsam. Deshalb ist verallgemeinern und pauschalisieren eben nicht angesagt. Nie. Das noch ausführlicher in Sachen Würmer aufzubereiten, hatte ich vor (daher der Titel ;-)) - zieht sich aber gerade zu sehr in die Länge. Also bis demnächst...!

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english version:

Good morning everyone!

Yesterday's Peppermint post was followed by a comment thread in which I reacted rather rudely at a certain point. Now normally I don't like it at all when people fire back at blubbers. So: I'm sorry for the tone and choice of words! In terms of content, on the other hand, I stand by what I said....

The post - and even more so the comments that arose - clearly triggered me and knocked me roughly into the side. I would like to tell you why:

Do you remember my reports about Cira? The Hanoverian mare who, after a brutal career as a high-performance sports machine and corresponding wear and tear, was to be turned into a birthing machine, which was not particularly successful... Who was then "hired" by friend Anke as a governess for the adolescent Freiberger horses on her animal protection farm...? Remember the drama surrounding the birth of her last foal...?

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Since then she became a different horse, so to speak. She managed her herd (which had grown to 12 animals in the meantime) sovereignly, started to play exuberantly and in a horse-typical way, built up wonderfully overall. A joy!

The day before yesterday she passed away. Don't worry - not from worms... But from stuff she shouldn't have eaten.

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All photos by Anke Müller

The horses at Anke's are doing well. They live as natural as possible, have huge pastures that are stocked all around to break the worm cycle naturally. There is no supplementary feed apart from pasture grass and hay, except in case of illness. The hay is sourced from the trusted farmer, within a cooperative.

Why do I say the latter? Not all hay is the same. Hay has become very expensive in recent years. Cattle hay is cheaper than horse hay - because it contains more "stuff" that would be fatal for horses. Examples of this are meadow saffron and ragwort. And yes, the horses eat it! Presumably, original breeds, such as perhaps Koniks or Berbers, have sufficient remaining instincts to avoid them. Overbred horses, mostly kept in the wrong way or in a way that is not appropriate to the species, fed in the wrong way and mostly kept by clueless or cluepoor amateurs (who, for reasons of cost, often come from wrong crossbreeds and catastrophic husbandry and are at least in poor health), no longer have such instincts. They eat what they find. Then they get colic because it was too much or had too high a glucose content. They get laminitis or equine asthma from it. These are not issues for countries where people live in a much more archaic and traditional way with horses, in fact with all animals. That has not been the case in this country for a long time! And I am not defending this. But I see it as a given and so I have to deal with it precisely. And this concerns by far the majority of horses in Germany. These problems would probably not be found with competitive athletes and in national studs (but quite different ones...).

In addition, even the more robust breeds, because they are more pristine, do not have a protective inner warner against plants that are dangerous to them and do not occur in their natural (ancestral) environment. Invasive species, we hear more often... In other words: if, for example, there were angel's trumpets in Chriddi's sheep pasture (which, in contrast to trumpet flowers, are really very poisonous), the little rams would hardly have any inhibitions about feasting on them.

OK, back to friend Anke. She "can" horse and inspects every bale of hay. She found Cira dying in the paddock the morning before yesterday. She is not left in peace and has to look for the cause of death. She receives laboratory results from the blood samples taken, which clearly point to anaphylactic shock. A highly allergic reaction. To thoroughly indigenous stuff.

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Nothing of this was found in the paddock on intensive search. Nor in the hay. The other four-legged friends in the herd are fine. My guess is that hikers, who perhaps wanted to give their children the pleasure of feeding the pretty horses, were fit and mindful enough not to try liver sausage sandwiches (no joke: happens regularly. Yes, they eat that! Ends nastily...), but thought they'd get hay anyway, that'd be fine. And brought extra tasty meadow flower hay for rabbits from the pet shop... The listed "killer grasses" are part of its portfolio. Cira, as the lead mare, would have been the first to get to the fence. And as long as it was about tasty food, nobody else would have let her approach...

She was only allowed to be a horse for a very short time in her life. I am sad. And I know for sure that Peppermint is right in what he writes about the reality of his life. But it probably has very little in common with my (local) reality. That's why it's not right to generalise and make sweeping statements. Never. I had planned to elaborate on the worms (hence the title ;-)) - but it's getting too long in the tooth. So see you soon...!

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  ·  last year (edited)

Da hast du den Punkt gut getroffen, der auch mir im betreffenden Beitrag aufgefallen ist. Ich wollte, des lieben Friedens willen, nicht wieder in eine Diskussion mit Pfefferminz eintreten. Daher habe ich mich zurück gehalten und lieber nichts geantwortet.

All diese plakativen, einfachen „Wahrheiten“, denen man heute übrigens, ganz schmerzhaft, im AFD-Umfeld begegnet, fallen ihren Propheten immer wieder auf die Füße, leider nicht schnell genug. Deshalb steht heute so viel Unsinn zur Diskussion. Weil sich die angeblichen Wahrheiten nicht gerne an unbequemen Notwendigkeiten ausrichten, sondern von nostalgischen Wunschvorstellungen getrieben sind. Es genügt heute nicht mehr festzustellen, dass früher alles besser war und sich zu wünschen, dass es wieder so werden soll. Es war nicht alles besser aber auch heute ist nicht alles gut!

Im vorliegenden Fall gilt: Das Vieh hat Instinkte. Der Mensch verändert die Welt in einem Tempo, das den biologischen Prozessen keine Zeit mehr zur Anpassung lässt. Instinkt und Realität decken sich nicht mehr.

Das gefällt mir. Ist klarer dargestellt und weniger emotional. Konnte ich gestern gerade nicht. Danke ;-))

Oje, das tut mir sehr leid. Sie war so tapfer. Halt die Ohren steif!

Ja, die Invasiven sind schon ein Problem. Wobei die Schafe tatsächlich ganz genau schnuppern und gucken, sich dann eher abwenden. Wenn aber nichts anderes mehr wächst (so wie jetzt, denn der Regen lässt uns seit Wochen aus...), treibt's der Hunger schon mal rein. Davon sind die Böckchen nun definitiv nicht betroffen, bei den größeren Gruppen muss aber sehr aufmerksam kontrolliert werden, ob immer ausreichend gutes Heu als Ausweichessen bereit steht.
Na, und auf Jakobskreuzkrautjagd sind wir allein wegen der Insekten, der Nahrungskette, sowieso grundsätzlich. Sobald die ersten Blätter im Frühjahr das Licht suchen.

Genau so. Einzelhaltung ist noch 'ml ganz anders als Großbetrieb, Stadt anders als ländlicher Raum (also jetzt eher bei Hunden) und Profihalter anders als Liebhaber. Gesund anders als vorbelastet. Und, und, und... Da ein für alle geltendes RICHTIG zu verkünden, empört mich. Von beiden "Parteien". Weder Chemiefanatiker noch Kräuterverquirler haben's noch drauf, einfach mal im Einzelfall genau auf die Umstände zu schauen... Warte. Warum kommt mir das jetzt so verdammt bekannt vor...?

Hm, deine letzte rhetorische Frage könnte ich dir auf mehreren Ebenen beantworten... ;-)
Nur eine einzige davon ist die kleine Steemit-Blase. Da habe ich beschlossen, mich schön rauszuhalten. Gern teile ich dir aber meine Forschungsergebnisse nach jahrelanger Beobachtung von Fauna und Flora auf eben dieser Plattform mit: Krähenvögel und Minzgewächse sind in dieser Konstellation für eine Symbiose ungeeignet.

Dankeschön! Jetzt hab' ich mich beim Grinsen erwischt!

Heres a free vote on behalf of @se-witness.

Ja , mist , ja , aber Ich halte nix von der modernen Pferdehaltung , die Viecher gucken ausnahmslos traurig daher auf ihren kleinen Koppeln.
Hier gibt´s , gibt´s wohl auch noch , ein Gelände mit einer Wildpferdherde , denen !man auch begegnen kann.
Und die sind schon sehr ziemlich anders.
Also die hier , die "kenn´" ich , also mit denen hatte ich öfters ´mal "Kontakt" -> https://www.harrislee.de/Tourismus-Freizeit-Kultur/Rad-und-Wanderwege/Stiftungsland-Sch%C3%A4ferhaus.php

, und anscheinend gib´ts auch noch die ->
https://www.geltinger-birk.de/weidetiere/wildpferde/

Yo, im Saarland kennen wir welche und in Niedersachsen hat sich auch eine freiheitliche Haltung an der Elbe niedergelassen. Die werde ich mir selber 'mal anschauen...

Aber halte nicht automatisch Pferde mit gesenktem Kopf und halb hängenden Augenlidern für traurig. Die sind tatsächlich entspannt. Ich wüßte Trauer nicht an der Mimik abzulesen... Dafür Schmerz und Angst. Und Übermut ;-))