Mit dem Auto geht es los. Draußen ist es noch dunkel und es liegen noch knapp 1 1/2 Stunden Fahrt vor mir. Am Gelände der Kent School angekommen, warten schon andere Tourteilnehmer vor den Toren auf Einlass. Nach ein paar Minuten kommen die zwei Guides heraus und lassen uns auf das Gelände. Vorher müssen wir noch einen unterschriebenen Haftungsausschluss abgeben.
Schon vor der Buchung der Tour haben mir die Angaben auf der offiziellen Website etwas stutzig gemacht. So ziemlich alles ist dort verboten. Videos, Drohnen, Nebelkerzen, die Verwendung der Bilder für Instagram und Flickr. Ich war bisher immer deutlich entspanntere Touren gewohnt. Bisher kannte ich es so, dass man sich auf dem kompletten Gelände frei bewegen konnte und die Bilder auch überall, mit Ausnahme der kommerziellen Nutzung, verwenden durfte. Auch hatten die Guides bisher immer ein paar Heißgetränke mit dabei und auf dem Gelände befangen sich auch eigentlich immer ein paar Dixi Klos. Bei Touren von mindestens vier Stunden Länge, kann man das alles ganz gut gebrauchen. Nichtsdestotrotz wollte ich mir diesen Lost Place gerne einmal anschauen.
Die Guides versammeln und erklären uns noch einmal ausführlich, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Nach der Einführung kann es endlich losgehen. Ich bin wahnsinnig gespannt, was sich wohl noch hinter den alten Mauern verbergen mag. Zuerst werfe ich einen Blick in das Gebäude, das an die Kirche angeschlossen ist. Die ersten Räume sind mit Müll und Schutt zugestellt. Hier gibt es nichts zu entdecken und ein Betreten ist nicht möglich. Ich versuche mein Glück in der zweiten Etage. Hier warten lange Flure mit vielen leeren Zimmern auf mich. Auch hier gibt es leider nicht viel zu sehen. Ich habe aber Glück und das Wetter spielt wunderbar mit. Die Sonne ist erst vor einer guten Stunde aufgegangen und sorgt für ein tolles Lichtspiel in den Fluren. Die Leere zieht sich leider auch durch den Rest des Gebäudes.
Durch den Keller lässt sich ein Heizungsraum erreichen. Dieser sei von den Briten erst kurz vorm Verlassen der Kent School 1991 modernisiert worden und genau so sieht er auch aus. Es ist sehr aufgeräumt und es gibt nur wenige Lichtpunkte. Tatsächlich ist leider auch dieser Raum nicht sonderlich spannend, also laufe ich zurück in Richtung Haupteingang. Daran vorbei geht es in die angeschlossene Kirche.
Diese ist von innen tatsächlich ganz hübsch. Das sehen auch die anderen Teilnehmer der Tour so. Ich beschließe hier später noch einmal in Ruhe zu fotografieren. Im Moment würde ich entweder anderen im Weg stehen, oder andauernd jemanden mit auf mein Bild haben. Ich laufe wieder nach draußen und mache eine kurze Pause an der frischen Luft. Was mir beim Verlassen auffällt, ist, dass dieser typische Geruch von Lost Places fehlt. Das mag daran liegen, dass hier alles sehr ordentlich und gepflegt ist. Wirklich verlassen wirkt dieser Ort nicht.
Den zweiten Teil meines Ausflugs durch die ehemalige Kent School gibt es in den nächsten Tagen.
Geschichte der Kent School Hostert
Die ursprünglich Anlage wurde von 1913 bis 1937 von Franziskanern als Heim- und Arbeitsstätte erbaut und genutzt. Zu Betrieben wurde St. Josefsheim zu dieser Zeit von ungefähr 600 männlichen Personen. Schon zu dieser Zeit gab es eine Kirche, einen Verwaltungstrakt, eine Schule, Wohnblöcke, zahlreiche Werkstätten und einen Bauernhof zur Selbstversorgung. 1937 musste der ansässige Franziskaner Orden Konkurs anmelden und die Anlage verlassen.
Der Provinzialverband der Rheinprovinz kaufte die Anlage auf und betrieb sie als Teilanstalt der Heil- und Pflegeanstalt Süchteln-Johannistal mit 870 Betten weiter. Doch durch drastische Senkungen der Tagesverpflegungssätze und die daraus folgende Mangelernährung, sowie ungenügende Heizung und Hygienestandards stiegen die Sterbezahlen in allen Anstalten enorm an.
1941 beginnt dann das dunkelste Kapitel der Geschichte der Kent School. Die Heil- und Pflegeanstalt bekommt eine Kinderfachabteilung. Dort werden im Laufe der nächsten zwei Jahre etwa 100 Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen getötet. Mit der Auflösung der Einrichtung im Juli 1943 wurden die verbliebenen 183 Kinder in fünf andere „Fachabteilungen“ transportiert. Ein großer Teil der Verantwortlichen von Gesundheitsverwaltung und Kliniken wurden auch nach Kriegsende nicht belangt. Der Psychiater Hermann Wesse wurde 1948 im Düsseldorfer Euthanasieprozess wegen der Waldnieler Kindermorde verurteilt.
Ab 1943 bis zum 1. März 1945 wurden die Gebäude als Ausweichkrankenhaus für das städtische Krankenhaus Rheydt genutzt. In den folgenden Jahren dienten sie unter anderem als Erziehungsheim, Volksschule, oder auch als Caritas-Heim für schulentlassene Mädchen. Von 1950 bis 1955 war das Erziehungsheim Hostert ein Heim für etwa 50 schulpflichtige Jungen.
1951 beschlagnahmten die Briten den Großteil der Gebäude als Lazarett. 1952 konnten die Gebäude vom Orden der Franziskaner zurückerworben werden. Diese konnten aber weiterhin nur einen Teil des Geländes nutzen, da die meisten Gebäude von den Briten beschlagnahmt blieben.
Der Bund kaufte 1955 das Gelände vom Franziskanerorden für die Briten. In den folgenden 37 Jahren blieb das Areal vermietet, die in dieser Zeit das British Military Hospital Hostert einrichteten und ab September 1963 bis 1991 die Anlage als britische Kent-School nutzten. In der Kent-School wurden 1400 Jugendliche unterrichtet.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass unbefugtes Betreten des Geländes der Kent School strengstens verboten ist und wohl jeder Verstoß direkt zur Anzeige gebracht wird. Der Eigentümer hat, um dem unbefugten Betreten entgegenzuwirken, eine andere Möglichkeit geschaffen: Du kannst auf kent-school.de für 45 Euro pro Person eine viereinhalbstündige Fototour buchen. In der Tour enthalten sind zwei Gebäude und die Kirche der ehemaligen Kent School.
Jetzt bist du gefragt!
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Warst du schon mal bei diesen Lost Places?
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