Im Kreislauf der KränkungsteemCreated with Sketch.

in news •  7 years ago  (edited)

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Worte und Taten als Waffen

Es ist ein gemeiner Schmerz, wenn uns die Kehle zugeschnürt wird und wir kaum noch Luft bekommen während es im Ego sticht. Manche Menschen werden durch Kränkungen über einen längeren Zeitraum tatsächlich krank.

Die klassischen sieben Auslöser sind:

1. Gesichtsverlust

Durch Taten oder Worte initiiert fühlen wir uns ungerecht oder falsch behandelt. Beispiel: Eine Mitarbeiterin hat sich bereits auf die bevorstehende Dienstreise gefreut und vorbereitet. Es ist ihre erste und sie hat sich für das Come-Together der neuen Sales-Crew sogar einen chicen dunkelblauen Hosenanzug gekauft. Nun wartet sie noch auf die Flugtickets und fragt deshalb lieber in der Buchungsabteilung nach. Dort erfährt sie: „Frau Karal, wir haben die Tickets auf ihre Kollegin ausgestellt nach dem Mail letzten Freitag vom Chef.“ Frau Karal fällt aus allen Wolken und ruft beim Chef an, der erklärt lapidar. „Ja, das wurde in letzter Minute umentschieden. Wer uns bei den Kollegen im Außendienst vertritt ist doch egal, Hauptsache ein Repräsentant ist vor Ort und ihre Kollegin eignet sich hierfür gut.“

2. Statuskampf

Sobald Menschen zusammen kommen geht das Vergleichen los. Wer hat das bessere Leben, das vollere Konto, die erfolgreicheren Kinder, das leichtere Schicksal? Dabei geht es recht häufig nur ums „Haben“ (Geld haben, eine Yacht haben, Einfluss haben) und seltener ums „Sein“ (gebildet sein, sich mit Kunst auskennen, kultiviert oder gesund sein).
Habens-Aspekte sind schließlich leichter zu vermessen. Geld ist dafür eine entscheidende Größe. Was hat das Haus vom Kollegen gekostet? Wie viele Kinder hat der andere? Wie viel Budget hat der Kollege und wie viele Mitarbeiter sind ihm unterstellt?
Sogar auf der Zeile hört man diese Statuskämpfe immer wieder. Manchmal klingen sie, wie Prahlereien aus dem Kindergarten: „Na gut, da habe ich in meinem letzten Job schon mehr Budget verwaltet als Du.“ „Das mag sein, aber Du führst heute in direkter Linie nur drei Mitarbeiter, während an mich 12 reporten.“

3. Wunder Punkt

Wer auf den „wunden Punkt“ des andere zielt, der trifft häufig dessen seelische oder körperliche Schwachstelle. Simone weiß, dass sie kein makelloses Gebiss hat. Sie bekam schon als Kind eine Zahnspange. Mit den Jahren wurde ihre Zahnstellung dann wieder unregelmäßig. Heute Abend will sie ganz besonders hübsch aussehen, es ist schließlich ihr Geburtstag. Sie trägt ein schönes langes Kleid, tolles Make-Up und einen dunkelroten Lippenstift. Ihr Mann ist begeistert. Unter den Gästen befindet sich auch Simones missgünstige Schwägerin: „Hübsch, hübsch liebes Geburtstagskind. Nur der Lippenstift tut Dir wirklich keinen Gefallen, der lässt Deine Zähne gelb aussehen.“
Simones hat sich an diesem Abend gekränkt und ihr „Kinder-Ich“ wurde verletzt.

4. Gruppendruck

Auf andere Menschen Druck auszuüben in dem man Stimmung macht und das Team mobilisiert gegen einzelne führt zu Mobbing: „Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich finde Du Clemens solltest dich bei uns entschuldigen.“

Grundsätzlich ist es naheliegend sich durch Mehrheiten im Raum auch größeren Einfluss zu verschaffen. Lobbying und Parlamentsarbeit beispielsweise bauen auf diesem Mechanismus auf und auch bei Gericht sollten die Geschworenen einheitlich entscheiden. Die Gratwanderung zwischen sinnvolle Mehrheitsentscheidungen herbei zu führen und auf der anderen Seite Gruppendruck einzelnen gegenüber ausüben ist schmal.

5. „Wenn-/Dann“ – Schere

Das „entweder/oder“ – Spielchen kommt in der Erziehung immer wieder zum Einsatz. „Entweder Du machst jetzt Deine Hausaufgaben oder wir können nachher eben nicht mehr ins Schwimmbad gehen.“ Ebenso verhält es sich mit Sätzen, wie: „Wenn Sie heute keine Überstunden machen, dann werde ich beim nächsten Urlaubsgesuch auch nicht mehr so kulant sein.“
Zahnlos hingegen ist die subkutane Drohung – sobald der „Wenn-Satzteil“ inhaltlich stärker wiegt, als die „Dann-Konsequenz“: „Wenn Du jetzt nicht bald mit der Wahrheit rausrückst, dann weiß ich auch nicht.“ Oje, hier geht der Konsequenz die Puste aus.

Auch durch diese sanfte Form der Erpressung fühlen sich Menschen in die Enge getrieben und sie reagieren dann beleidigt. Zum einen wollen sie sich nicht bevormunden lassen und zum anderen schmeckt ihnen die in Aussicht gestellte „Quid pro quo- Taktik“ (lat. dies für das) nicht.

6. Brüskieren

Brüskieren und drauf lospoltern hat gerade Hochkonjunktur. Das erkennt man daran, dass sich an den Staatsspitzen gleich in mehreren Ländern zur gleichen Zeit martialische Redner tummeln: Donald Trump (USA), Kim Jon-Un (Nordkorea), Recep Erdogan (Türkei), Evo Morales (Bolivien) und Nicolas Maduro (Venezuela) sind hier nur einige Beispiele aus der ersten Reihe.
Wenn Trump sagt: „Der Raketenmann ist auf einer Selbstmordmission“ und dabei Nordkorea auf der Zeile mit einem Angriff droht, dann setzt er das Leben vieler Unschuldiger aufs Spiel.

Brüskierer beunruhigen Beobachter im In- und Ausland. Dabei werden von diesen lauten Gesellen einfach die Filter der Kommunikation ausgeblendet und unter dem Vorwand „Tacheles zu reden“ geht es recht diffamierend zur Sache. Diese Töner schaffen es aber auch in Unternehmen an die Spitze und nehmen auch dort wichtige Positionen ein. In Meetings erkennt man sie sofort an ihrer scharfen Zunge, verletzten Seelen rundherum und gelegentlichen Kurzschluss-Handlungen.

7. Herabwürdigung

Sobald wir vor anderen Menschen öffentlich bloßgestellt werden ist uns das peinlich. Warum geht man ausgerechnet mit mir so lieblos um? Auch diese Blamage gehört zur Hitparade von „Best of Böse“. Im Nachhinein können wir gar nicht mehr genau erklären, ob wir uns in erster Linie durch die Wahl der Worte gekränkt haben oder durch die Herabwürdigung selbst. Seelische Wunden entstehen und wir fühlen uns in unserer Ehre verletzt.
Kürzlich erzählte mir eine Führungskraft beispielsweise, dass sie vom ranghöheren Bereichsleiter vor ihren eigenen Mitarbeitern verbal attackiert wurde. Dabei handelte es sich nicht um ein Sachthema. Süffisante Witzeleien bei der Firmenfeier haben die Kränkung ausgelöst: „Na, liebe Frau Mag. L., wenn Sie weiterhin die Zügel so schleifen lassen, dann werden Ihnen die Mitarbeiter auf der Nase herumtanzen. Sie lassen sich wohl lieber von unten führen als umgekehrt die Linie vorzugeben?“
Es kann gut sein, dass der Bereichsleiter inhaltlich Recht hat und Frau Mag. L. tatsächlich mehr kontrollieren und führen sollte. Bestimmt wäre sie für diesen Hinweis beim Mitarbeitergespräch auch dankbar gewesen, aber vor ihren Mitarbeitern nützt die öffentliche Diffamierung wohl kaum, um den Führungsstil zu verbessern.

Bei Kränkungen kommen häufig mehrere Auslöser zum Einsatz. Statuskämpfe beispielsweise können wir überall beobachten: zwischen Geschwistern, in der Peergroup unter Müttern. Je älter wir werden, umso schneller erkennen wir die „wunden Punkte“ beim Gegenüber. Wer so einen absichtlich drückt, der kränkt. Wie in diesem erlebten Beispiel: Eine gut verheiratete Soccer-Mom sagt am Elternabend zu einer arbeitenden alleinerziehenden Mutter: „Du könntest Deine Kinder bestimmt konsequenter in der Schule unterstützen, wenn Du nicht arbeiten gehen müsstest! Vielleicht hätten sie dann auch bessere Noten. Für die meisten Mütter in unserer Klasse kommen unsere Kinder vor der eigenen Karriere.“
Was ist hier gemein? Diese Mutter präsentiert neben ihrem antiquierten Weltbild einen „wunden Punkt“. Sie wusste genau, dass die Alleinerzieherin arbeiten gehen muss, um sich und ihre Kinder durchzubringen. Sie kann sich die privilegierte Situation zu Hause zu bleiben schlicht nicht leisten. Die wenig subtile „Wenn-/ Dann“ – Schere gepaart mit dem Gruppendruck-Sager „die meisten Mütter“ schneidet hier sogar sozial. Außerdem wird suggeriert, wenn Du „eine von uns wärst, dann wären Deine Kinder besser erzogen und ihre Schulleistungen adäquat.“

Fazit: Im Kreislauf der Kränkung verhalten sich Menschen in der Live-Situation höchst unterschiedlich. Es ist wichtig erst einmal zu ergründen, ab man selbst immer schnippisch oder aggressiv oder rechtfertigend reagiert oder vielleicht völlig verstummen. Nur wenigen gelingt es über den Schatten des verletzten Egos zu springen und die situative Gemeinheit humorig aufzulösen. In vielen Fällen bleibt ein schaler Nachgeschmack, der bei sensibleren Wesen aufs Gemüt schlägt.

Ich arbeite seit 25 Jahren mit Stimmen und analysiere das Sprachmustern von Menschen. Bei einigen fällt schnell auf, dass sie tiefsitzende Kränkungen mit sich herumtragen, die bereits in ihrem Rededuktus hörbar sind. Vorauseilende Rechtfertigungen, sich selbst ins Wortfallen und Gedanken bewerten, ... das alles können Reste von unaufgelösten Kränkungen sein.

Wer gerade eine Scheidung hinter sich gebracht hat oder sich täglich mit Pubertierenden zuhause batteln muss, dem hört man die Anstrengung an. Kränkungen stärken uns nicht. Sie vergiften die Kommunikation und führen zu Reizthemen. In fast jeder Liebesbeziehung finden sich Altlasten, verborgene Giftfässer oder thematische Minenfelder, auf die man im Gespräch besser nicht tritt.

(all photos are taken by myself with my iphone 6s Plus)

Tatjana Lackner - www.sprechen.com

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Wer hat das bessere Leben, das vollere Konto, die erfolgreicheren Kinder, das leichtere Schicksal?

In Zukunft wird die erste zu klärende Standardfrage, wenn sich zwei Personen zum erstenmal begegnen, jedoch lauten:

"Wer hat mehr Steem power?" :-)

@jaki01 stimmt genau ;-)

Ein wirklich toller Artikel, ich habe diesbezüglich viel von den Asiaten gelehrt. Hier steht es ja an oberster Stelle das eigene Gesicht und das des Gegenübers jederzeit zu wahren. Finde ich sehr angenehm, da können wir Europäer noch viel von lernen.

@asperger-kids Stimmt genau :-)!

Vote & Resteem

Na das finde ich ja mal spannend!
Wie gehts du vor, wenn du Stimmen analysierst? Sprechen die Probanden auf Tonband / oder Live Analyse?

@asmr-austria Stimmt genau. Bei uns wird jede Stunde in Studioqualität auf Laptops aufgezeichnet, analysiert und dem Kunden nach Hause geschickt samt Übungen. Die Stimmanalyse mache ich seit 25 Jahren persönlich -
UND es wird auch aufgenommen, da ich die Frequenz brauche für die Analyse.

In der Zwischenzeit habe ich mich schon mal schlau gemacht auf deine HomePage. Wusste gar nicht das ich deine Stimme bereits kenne :-) Was es für tolle Sachen gibt ist schon fantastisch, man lernt eben nie aus

Guter Beitrag

@zaupelmann och, danke!