Seevölker, Spektrum & SZ

in palnet •  6 years ago  (edited)

In Science Advances erschien vor einigen Tagen eine neue Untersuchung zur Herkunft der Philister. Historisch interessiert, wie ich nunmal bin, habe ich die dazu erschienen Artikel zum Thema gelesen.
& bin entsetzt.

Naja, die englischen Texte zum Thema waren noch relativ in Ordnung. Am Originalartikel, "Ancient DNA sheds light on the genetic origins of early Iron Age Philistines", gibt es rein gar nichts auszusetzen. Aber dann las ich, was die SZ zum Thema hatte, & war schon recht deprimiert. Doch das war noch gar nix. Als ich vorhin schließlich den Spektrum-Artikel dazu las, da schlackerten mir die Ohren (oder die Augen, falls die schlackern können).

Ende der 80er, Anfang der 90er war ich Abonnent von Spektrum der Wissenschaft. Damals war es die beste populärwissenschaftliche Publikation in Deutschland. Da das Magazin aber ziemlich teuer war, & oft nur wenige Artikel enthielt, die mich wirklich interessierten, stornierte ich das Abo nach einigen Jahren.

In den letzten Jahren bekomme ich immerhin den Newsletter der Onlineausgabe. Viele Artikel habe ich aber nicht mehr gelesen, da die Qualität doch sehr nachgelassen hat ( &die Rechtschreibung ein Witz ist). Der Artikel zum Thema Seevölker ist der bisherige Tiefpunkt des Abstiegs.

Das ist nur noch Propaganda für Einwanderung & hat mit (populär-)wissenschaftlicher Berichterstattung nichts zu tun.
Die Kritikpunkte:

Das fängt schon mit dem Titel an.

"Einwanderung der »Seevölker«"

Die Seevölker haben jahrzehntelang die Küsten des Mittelmeers unsicher gemacht & mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere Großreiche in den Untergang getrieben. Erst die Ägypter scheinen die Seevölker in ihre Schranken gewiesen zu haben.

"Am Ende der Bronzezeit flohen europäische Migranten über das Mittelmeer in den Süden."

Hier wird klar, daß es dem Autor ganz offenbar darum geht, Migration schönzureden.

Keiner weiß, warum die Seevölker die Küstenstriche angriffen & teilweise eroberten. Da sich die Angriffe aber über Jahrzehnte hinzogen, kann man davon ausgehen, daß es nicht nur eine singuläre Fluchtursache gab.

"die in einer wohl aus klimatischen Gründen ausgelösten Krise am Ende der Bronzezeit aus Südeuropa eingewandert ,waren."

Ach ja, die Armen. Opfer einer Klimakatastrophe, die friedlich andernorts Schutz suchen. So muß es gewesen sein.
Wie erwähnt, die Gründe für die Angriffe sind unbekannt. Es kann sein, daß das Klima unangenehmer wurde & man deswegen (ähnlich wie die Wikinger) auf Raubzüge auswich, um den Lebensunterhalt zu sichern. & als es dann schlimmer wurde oder/& auch noch zu Vulkanausbrüchen kam, hat man dann Hab & Gut zusammengepackt & versucht, sich in Gegenden niederzulassen (sprich: diese wahrscheinlich zu erobern), die man von den Raubzügen her kannte.

"Offenbar haben sich Zuwanderer und Einwohner schnell vermischt. Das Zusammenleben scheint auch kulturell problemlos gewesen zu sein"

Puh...
Wenn es sich um Eroberer handelte, war der Anteil junger Männer an den "Einwanderern" vermutlich ziemlich hoch. Wenn diese dann lokale Mädels zur Frau nahmen, kam es natürlich quasi sofort zur Vermischung. Das heißt nicht, daß es keine kulturellen Probleme gab. (Die lokale männliche Population war z.B. vermutlich eher nicht begeistert.)
Wahrscheinlich hatten die Neuankömmlinge, da Eroberer, einen wesentlich höheren sozialen Status als die Alteingesessenen. Wodurch auch deren kulturelle Elemente übernommen wurden. Interessant hier ist eher, daß offenbar die Kultur der Seevölker übernommen wurde, aber nicht deren Sprache.

Interessant wäre hier übrigens auch, wieviel Seevölker-DNA sich in den Mitochondrien findet. Daraus läßt sich ablesen, ob vornehmlich Männer kamen oder auch Frauen/Familien.

"Nach weiteren rund zwei Jahrhunderten haben sich die eingewanderten Menschen mit den Alteingesessenen vor Ort bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt."

Hmm... Aus dem Original:

"the excess European affinity of the early Iron Age individuals does not persist in the later Iron Age population"

Kann sein, daß das DNA-Signal der Seevölker auf natürliche Weise verschwindet. Kann aber auch sein, daß man die Herrschaft nach ein paar Jahrhunderten abschüttelte, & dann jeden, der als Angehöriger der herrschenden Klasse identifizierbar war, abschlachtete.
Oder vielleicht sind die Israeliten "eingewandert" & haben dann auf höchst friedliche Weise die philistische Herrscherschicht beseitigt.

Wäre noch zu erwähnen, daß es neben der ach-so-friedlichen Einwanderung & der Eroberung noch eine weitere Möglichkeit gibt.
In ägyptischen Quellen heißt es, daß der Pharao die Angreifer nach ihrer Niederlage in Kanaan angesiedelt hat.

Was Spektrum da gebracht hat, ist jedenfalls ein ziemliches Armutszeugnis. Selbst in den USA sind Forscher inzwischen großteils zur Einsicht gekommen, daß "pots, not people" oft einfach nicht zu den Tatsachen paßt.
Daher meine Vermutung, daß der Autor anscheinend Einwanderung schönreden will. Mit Wissenschaft hat der Schrott jedenfalls wenig zu tun.

Weitere Quellen zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Seev%C3%B6lker
https://en.wikipedia.org/wiki/Sea_Peoples
https://en.wikipedia.org/wiki/Late_Bronze_Age_collapse

Aus der Wikipedia auch diese Darstellung von Ägyptern & einwandernden Seevölkern:
b9ft7vrxzf.png

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Schlimm ist wie sich solche Magazine/SZ etc. dem Zeitgeist ergeben, aber man muss den Schmarrn ja nicht kaufen, Zeit(Spektrum)/SZ/FAZ et. al??
Keine müden Euro geb ich für die mehr aus!
BGvB!

Naja, von der SZ kann man das ja erwarten.
Die Zeit war mal ganz gut zu lesen; ist aber auch schon eine Weile her.
Aber Spektrum hat doch einen ganz anderen Anspruch (& immerhin 2009 schrieb man dort noch von Seevölkerangriffen). Das tut schon ein bißchen weh.

Geld gebe ich dafür aber sowieso schon lange nicht mehr aus.

Spektrum gehört zur Springer Nature AG & Co. KGaA, die nun wiederum Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck als Mehrheitseigner und dem private Equity Unternehmen BC Partners Limited mit Sitz in London.
Von Unabhängigkeit/Anspruch sehe ich bei all diesen Konstrukten der großen Verlage nicht, Holtzbrink hat auch eine Agenda, sicher kein freies Medium, sondern alles ist den Unternehmenszielen und dem Intresses des Kapitals untergeordnet, nicht unbedingt verwerflich:), man muss es nur wissen.
S. Fischer Verlag, Rowohlt Verlag, Kiepenheuer & Witsch, Droemer Knaur, Argon Verlag gehören zum Beispiel dazu. Ich kauf oder bezieh nix von denen in Regel, aber schwierig das ganz zu vermeiden:).
Einen Überblick gibst hier bei https://de.wikipedia.org/wiki/Verlagsgruppe_Georg_von_Holtzbrinck
BGvB!

Naja, zum Glück gibt es aber auch noch eine gewisse redaktionelle Unabhängigkeit.
Nature gehört z.B. auch zu Springer Nature, ist aber trotzdem noch eine sehr gute Quelle für wissenschaftliche Artikel. Gibt zwar inzwischen auch da einzelne (Alibi-?)Beiträge, die der PC huldigen (Frauenanteil muß gesteigert werden, u.ä.), aber sowas ertrage ich noch.

Sehr interessanter Artikel. Eigentlich eine Schande, dass ich mich geschichtlich so verkrüppelt habe; auf jeden Fall ein wichtiges Thema. In der Zwischenzeit kenn ich mehr Geschichte von Frank Stoner, als ich selbst noch im Kopf habe. (Ja, mir ist klar dass er selbst gewisse Sichtweisen hat und die vielleicht nicht neutral sein mögen)

Muß leider zugeben, daß mir Frank Stoner kein Begriff war.
Seine Webseite scheint mir etwas videolastig zu sein. Nicht so mein Ding, denke ich.

  ·  6 years ago (edited)

Es ist gut wie es ist, finde ich. Wenn du selbst bereits in den Themen drinnen bist, und diese "erlesen" hast, dann kannst du Frank Stoner als ein Addon werten, der etwas Unterhaltung bietet, evtl auch eine neue Sicht einbringt, die du vllt. noch nicht gelesen hast. Ich selbst hatte irgendwie nie vernünftigen Zugang zur Geschichte und wurde zB über Stoner darauf wieder aufmerksamer. Dh. dafür lese ich hin und wieder einen Artikel der mit Geschichte zu tun hat, den ich sonst nie kennengelernt hätte.

PS: Ich sollte aber dazu sagen, dass Frank Stoner nur im Kontext immer mit Geschichte zu tun hat. Er greift einfach interessante Themen auf.

Ist halt auch Geschmackssache. Jeder muß die Quellen für sich finden, die am besten zu den eigenen Lese- oder Sehgewohnheiten passen.

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