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Die Psychologie der Persönlichkeit
Jeder Mensch verfügt über „ein System tradierter Überzeugungen über menschliches Erleben und Verhalten und deren Ursachen."(Asdenorpf, 2015) Hierbei handelt es sich um ein hochdifferenziertes, praxisnahes System, welches jedoch nicht den Kriterien moderner Wissenschaften entspricht. Die menschliche Persönlichkeit zu erfassen und zu beschreiben hat eine lange Tradition, welche ich im Folgenden grob darstellen möchte.
Die Begriffe Person und Persönlichkeit
Der Begriff ‚Person‘ stammt ursprünglich von dem lateinischen Wort ‚persona‘ ab. Dieses wurde hauptsächlich im Sinne von Maske, Rolle oder Charakter gebraucht. Bereits 1959 wurden vier Bedeutungen von ‚persona‘ im klassischen Latein aufgelistet:
Die Erscheinung gegenüber anderen Menschen, ohne dabei seine wirkliche Persönlichkeit zu repräsentieren. Diese Bedeutung findet sich im römischen Theater wieder. Dort trugen die Schauspieler Tonmasken um die gespielte Rolle von ihrer Persönlichkeit abzugrenzen. Das Hervorheben des Maskenhaften, der Täuschung und des äußeren Scheins betont dabei vor allem das Äußere einer Persönlichkeit. Innere Strukturen einer Persönlichkeit bleiben bei dieser Bedeutung unberücksichtigt.
Persönlichkeiten spielen im Leben eine Rolle. Die zweite Bedeutung bezieht sich auf eben jene Rollen, welche Schauspieler in einem Theaterstück spielen. Bis heute spricht man in der Theatersprache von den „dramatis personae“, sprich den „Personen der Handlung“. Das Tragen von Masken diente dem Publikum zum Erkennen der Eigenschaften der dargestellten Person. Es gab beispielsweise lachende, weinende oder wütende Gesichter auf Masken. Diese Bedeutung ist eine Weiterentwicklung basierend auf der Ersten. ‚Persona‘ beschreibt hier nicht mehr nur das Äußere, vielmehr dient es auch als übertragende Darstellung der inneren Werte einer Rolle.
Die dritte Bedeutung verlässt den Bereich des Äußeren und der Rolle. Erstmals bezeichnet ‚persona‘ persönliche und individuelle Eigenschaften der Schauspieler hinter der Maske. Hierbei handelt es sich um die Häufung persönlicher Eigenschaften, welche als Befähigung zu ihrer Arbeit dienen. Diese Bedeutung betrachtet sowohl die äußere Erscheinung, wie auch innere Strukturen.
Die vierte Bedeutung betont die Würde einer Person. ‚Personae‘ bezeichnet im juristischen Sinne freigeborene Bürger. Sie waren der Gegensatz zu Sklaven. Ihre Besonderheit machte sie zu den Trägern von Rechten und Pflichten.
Diese Wortbeschreibungen verdeutlichen die Gegensätzlichkeit des von dem Begriff ‚persona‘ Beschriebenen. Schon in der römischen Antike beschrieb er einerseits den äußeren Schein, andererseits innere Strukturen eines Menschen. Diese Gegensätzlichkeit blieb im Verlauf der späteren Geschichte erhalten, auch in der heutigen Zeit ist sie noch zu finden. Zwischenzeitlich prägte besonders der chrsitlich-theologische Sprachgebrauch die Begriffsentwicklung. Unter dem Begriff ‚personae‘ verstand man die Glieder der göttlichen Dreieinigkeit der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Persönlichkeit wurde zu dieser Zeit stark mit dem Unsterblichen assoziiert, zurückzuführen auf den starken Einfluss der Kirche. ‚Persönlichkeit‘ als nicht voll erfassbaren oder messbaren Teil des Menschen anzusehen blieb dabei erhalten. Dieser Bezug hat bis heute Einfluss auf die Persönlichkeitspsychologie.
Der Begriff ‚Persönlichkeit‘ findet in der Alltagssprache eine andere Anwendung, als in der Psychologie! Es stellen sich heute zwei unterscheidbare Möglichkeiten der Begriffsverwendung heraus: Bewertung und Beschreibung. Die Bewertung findet sich in der Alltagspsychologie wieder. Dort ist es von großer Bedeutung seine Persönlichkeit zu präsentieren und einen Eindruck zu hinterlassen. Im Gegensatz zu dem eher positiv wahrgenommenen Begriff der ‚Persönlichkeit‘ fiel das Ursprungswort ‚Person‘ an dieser Stelle in seinem Ansehen herab. Als Beispiel dafür enthält die Formulierung ‚diese Person‘ eine deutlich erkennbare Abwertung. Die Psychologie verwendet den Begriff ‚Persönlichkeit‘ gänzlich als Beschreibung.
Die Persönlichkeit als Forschungsgegenstand der Psychologie
Viele unzählige wissenschaftliche, wie auch philosophische, Entwicklungen ermöglichten die Entstehung der Persönlichkeitspsychologie. Den mit wichtigsten Einfluss hatte dabei die Evolutionstheorie. Sie ermöglichte das Befreien von der Annahme einer göttlichen Lenkung des Menschen. Die Auseinandersetzungen mit den Charakteren von Tieren nahm unmittelbar Einfluss auf den Drang menschliches Verhalten systematisch zu studieren.
1917 standen die Amerikaner vor einer Situation, welche sie sich möglichst perfekt zu lösen erhofften. Während des ersten Weltkriegs veranlasste die amerikanische Regierung einen Test, welcher an über einer Million junger Amerikaner angewendet wurde. Diese sogenannten ‚Armeetests‘ sollten dabei helfen unqualifizierte Rekruten auszusortieren. Solche Forschungsansätze haben zwar strategische Absichten, dennoch sind ihre Einflüsse auf die Persönlichkeitspsychologie bis heute prägend.
Die moderne Persönlichkeitstheorie begann 1930 ihre Gestalt anzunehmen. Gordon Allport, Kurt Lewin und Henry Murray entwickelten Ansätze, welche diese Gestaltung stark beeinflussen sollten. Allport beschäftigte sich mit der Einzigartigkeit von Individuen und suchte dabei die zugrunde liegenden Strukturen dessen. Er lehnt es ab den Menschen in Grundbausteine einzuteilen, beispielsweise in sein Triebverhalten. Lewin gehörte der Gestaltpsychologie an, welche Persönlichkeit als die Summe einer aktiven Wahrnehmung der Natur und des Denkens darstellt. Er betont dass eine Person von Zeit zu Zeit und von Situation zu Situation anderen Kräften der Beeinflussung unterliegt. Murray verbrachte sein Berufsleben mit der Untersuchung von Faktoren welche den Verlauf des Lebens eines Menschen beeinflussen. Er betont vor allem die Bedeutung von Bedürfnissen und Motivation. Alle diese Ansätze heben die ganzheitliche, dynamische Natur des Individuums hervor. Es handelt sich für sie um eine komplexe Reaktion auf eine spezifische Umwelt. Diese Gedankengänge erwiesen sich als äußerst einflussreich. Sie entwickelten Ansätze die verdeutlichten, dass die Forschung ihren Blick auf den gesamten Menschen richten muss, nicht nur auf bestimmte Auszüge seines Wesens.
Kurz erwähnen möchte ich Margaret Mead. Sie nahm wenig aufsehenerregenden Einfluss auf die Psychologie der Person, doch ihre Arbeit verdeutlichte wichtige Aspekte. Mit ihrem Werk "Geschlecht und Temperament in drei primitiven Gesellschaften", welches zu dem Gebiet der Anthropologie gehört, verweist sie auf die Wichtigkeit der Untersuchung von Persönlichkeit in unterschiedlichen Kulturen. Leider wurde die Bedeutung der Kultur für die Persönlichkeit von der Psychologie lange Zeit übersehen.
Definitionsgeschichte
Wie ich bereits darlegte, schrieb man den Begriffen „Person“ und „Persönlichkeit“ im Verlauf ihrer Wortgeschichte unterschiedliche, teilweise gegensätzliche Bedeutungen zu. Vor allem innerhalb der Psychologie traf man auf verschiedenste Definitionen von Persönlichkeit. Persönlichkeitsforscher wollten Unklarheiten vermeiden und definierten das Wort „Persönlichkeit“ stets für ihren eigenen Gebrauch. So entstand ein breites Spektrum an möglichen Definitionen. Bereits 1937 trifft man über 50 verschiedene Anwendungen des Begriffes an. Die moderne Persönlichkeitspsychologie kann als Wissenschaft verstanden werden, die jene psychologischen Kräfte untersucht, welche jeden Menschen zu einem Individuum machen. Dabei gelten acht Schlüsselaspekte, welche die Komplexität eines Individuums beschreiben, als Basis. Diese acht umfassen den Aspekt des Unbewussten, Ich-Kräfte, das biologische Wesen des Menschen, Konditionierungs- und Formungsaspekte der Umwelt, die kognitive Dimension, individuelle Eigenschaften, Dispositionen und Fertigkeiten, die spirituelle Dimension und zuletzt die Interaktion mit der Umwelt.
Aus diesen Aspekten resultiert folgende Definition, welche ich für meine Serie als Arbeitsdefinition angenommen habe:
„Unter der Persönlichkeit eines Menschen wird die Gesamtheit seiner Persönlichkeitseigenschaften verstanden: die individuellen Besonderheiten in der körperlichen Erscheinung und in Regelmäßigkeiten des Verhaltens und Erlebens.“
Kontroverse: Person versus Situation
In der Psychologie herrschte zusätzlich die Debatte um die Ursache menschlichen Verhaltens, bekannt als Kontroverse zwischen Anlage (Erbmaterial) und Umwelt. Dabei dreht es sich um die Frage, ob menschliches Verhalten und Erleben von den Merkmalen einer Person selbst beeinflusst oder durch den Einfluss von Situationen und der Umwelt bestimmt werden. Während Vertreter der Anlagen die Ursachen auf Eigenschaften eines Menschen zurückführen, verweisen Vertreter der Umwelt auf den großen Einfluss jeweiliger Situationen auf das Verhalten einer Person. Diese beiden Extrempositionen näherten sich im weiteren Verlauf der Diskussion einander an. Seit Anfang der 1980er Jahre traf sich ein wachsender Konsens im Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit.
Das Eigenschaftsparadigma - Entstehung des „Big-Five“-Modell
Eine Person weist sowohl charakteristische körperliche Merkmale, sowie Regelmäßigkeiten in ihrem Verhalten und Erleben auf. Anhand von wiederholten Beobachtungen lassen sich diese Regelmäßigkeiten erschließen. Dieses Menschenbild stellt die Basis für das Eigenschaftsparadigma dar. Im Mittelpunkt steht nicht eine Person alleine, vielmehr eine Population von Personen. Personen einer Population werden dann untereinander in ihrer Persönlichkeit verglichen. Die Unterschiede zwischen Personen rücken dabei in das Zentrum der Betrachtung.
Zu Beginn der 1980er Jahre litten die Persönlichkeitspsychologen unter dem Eindruck, ihre jahrzehntelange faktorenanalytische Forschung hätte noch immer kein klares Gebilde zustande gebracht. Es herrschte Verwirrung, ein allgemein akzeptiertes Ergebnis hatte bisher Niemand liefern können. Die englische Sprache enthielt bereits 500 mögliche Adjektive um einen Persönlichkeitswesenszug zu beschreiben und damit stand sie nicht alleine dar. In diesem Chaos eine Struktur auszuarbeiten führte zu heftigen Debatten. Mitte der 1980er Jahre begann sich ein Konsens zu bilden. Insgesamt fünf Persönlichkeitsfaktoren „Big Five“ wurden dabei herausgearbeitet. Zwei historische Entwicklungslinien führten zur Entwicklung dieses Modells, diese Entwicklungslinien sind eng miteinander verknüpft und demnach zusammenhängend zu betrachten. Entscheidend war die „lexikalische Hypothese“. Forscher versuchten mit Hilfe von Wortanalysen grundlegende Eigenschaften der Persönlichkeit herauszufinden. Da die fünf Dimensionen eine große Anzahl von Charakteristika der menschlichen Persönlichkeit umfassen, wurden sie mit „big“ gekennzeichnet.
Faktor 1 Extraversion: Extravertierte Menschen verhalten sich tendenziell gesellig und gesprächig. Extraversion wird daher mit Aufgeschlossenheit gleichgesetzt. Introvertierte Persön-lichkeiten verhalten sich gegensätzlich, sind eher schüchtern und zurückhaltend
Faktor 2 Verträglichkeit: Verträgliche Persönlichkeiten verhalten sich freundlich und ver-trauensvoll, während das gegenteilige Verhalten als unfreundlich und streitsüchtig beschrieben wird
Faktor 3 Gewissenhaftigkeit: Gewissenhaftes Verhalten zeigt sich über Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Das Gegenteil dazu ist die Unzuverlässigkeit
Faktor 4 Emotionale Stabilität versus Neurotizismus: Emotionale Stabilität zeichnet sich über Ruhe und Zufriedenheit aus. Neurotizismus stellt das Gegenteil dar. Neurotische Persönlichkeiten tendieren in Stresssituationen zu Ängstlichkeit, Verlegenheit und Nervosität
Faktor 5 Offenheit: Persönlichkeiten mit dieser Eigenschaft erscheinen geistreich und kreativ. Sie suchen neue Erfahrungen, Erlebnisse und Eindrücke. Ein geringes Ausmaß dieser Dimension führt zu Oberflächlichkeit und Einfachheit.
Die zweite Forschungstradition, welche neben der lexikalischen Hypothese zur Entwicklung der „Big Five“ beigetragen hat, stellt die Konzeption ausführlicher Fragebögen zur Analyse grundlegender Persönlichkeitsmerkmale dar. In den 1980er Jahren erarbeiteten Forscher einen mehrdimensionalen Persönlichkeitsfragebogen. Im Verlaufe von drei Phasen der Testentwicklung und Überarbeitung entwickelten Costa und McCrae das „NEO-Personality Inven-tory“(NEO-PI). Zu Beginn umfasste dieser Fragebogen die drei Faktoren Neurotizismus, Ext-raversion und Offenheit. Sie ergänzten diese Faktoren mit Liebenswürdigkeit und Gewissen-haftigkeit als Angleichung an die Big Five, zum „Revised NEO-Personality-Inventory“(NEO-PI-R). Seit 1992 liegt die überarbeitet Fassung des Fragebogens vor und dient als das elaborierteste Messinstrument zur Erfassung der Big Five. Costa und McCrae haben den fünf Faktoren hierarchisch jeweils sechs Facetten zugeordnet. Unter Facetten sind dabei spezifische Wesens-züge zu verstehen, aus denen sich die allgemeinen fünf Faktoren zusammensetzen. Diese Facetten werden jeweils mit acht Testaufgaben gemessen, so umfasst der Test insgesamt 240 Test-aufgaben. Beantwortet werden diese Testaufgaben anhand einer Likert Skala. Zur Auswahl ste-hen in diesem Fall fünf Antwortmöglichkeiten von starker Ablehnung bis hin zu starker Zustimmung. Neben der umfangreichen Version des Tests existieren einige Kurzformen, beispielsweise das NEO Five Factor Inventory (NEO-FFI) mit 6087 oder das Big Five Inventory (BFI) mit 44 Testaufgaben.
Für Interessierte eine kleine Hausaufgabe:
Hier könnt ihr einen sehr renomierten Persönlichkeitstest machen, welcher auf dem "Big-Five" Modell beruht. Schreibt mir oder uns euer Ergebnis und berichtet was ihr davon haltet!
Literatur
-Allport, Gordon. Persönlichkeit : Struktur, Entwicklung und Erfassung der menschlichen Eigenart . Meisenheim/Glan: Anton Hain KG, 1959
-Amelang, Manfred. Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Stuttgart: Kohlhammer, 1985
-Amirkhan, J. H. Risinger, R. T. Swicker, R. J. „Extraversion: A "hidden" personality factor in coping.“ Journal of Personality, 63(2), 1995: 189-212
-Asendorpf, Prof. Dr. Jens B. Persönlichkeitspsychologie. Berlin: Springer, 2015
-Borkenau, P. & Ostendorf, F. „NEO-Fünf-Faktoren Inventar (NEO-FFI) nach Costa und McCrae.“ Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 1. April 1999: 145-146
-Eysenck, H. J. Eysenck, M. W. Persönlichkeit und Individualität: ein naturwissenschaftliches Paradigma. München: Psychologie Verlags Union, 1987
-Koch, Manfred. „Die Begriffe Person, Persönlichkeit und Charakter.“ In Handbuch der Psychologie, von Prof. Lersch, 3-29. Verlag für Psychologie, 1960
- Bilder: Pixabay, imgflip, wikipedia
ich gestehe ich hab es noch nicht bis zu ende gelesen..... aber werd ich noch machen...bisher war es gut!!
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Ist auch sehr lang. Danke dir = )
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gerne....
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Wooow da hast du dir ja mal ne meeega Arbeit gemacht, klasse.
Da sind sehr viele tolle Aspekte dabei, finde ich richtig interessant.
Danke für deine Mühe.
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Sehr gerne! Daher habe ich auch etwas länger gebraucht :D
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gefiel mir aber den test habe ich jetzt nicht gemacht.
ich hoffe das ist nicht so schlimm :)
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=D Quatsch! Danke für das Lesen =)
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Qualitativ hochwertiger Artikel, danke!
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Vielen Dank :)
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