Ich habe ja bereits hier mehrfach mein Leid geklagt, dass ich oftmals leider mehr Möglichkeiten zum investieren sehe als Geld am Monatsende übrig ist. Immer wenn man halbwegs wieder auf Kurs ist, kommt etwas neues am Horizont. Ja, ich weiß, dass dies wirkliche First World Problems sind, aber eben auch unangenehme.
Bereits eine ganze Weile habe ich Estate Guru bei mir auf der Liste an Plattformen, die ich gerne einmal ausprobieren möchte. Hier werden P2P-Kredite vergeben, die vorwiegend mit Immobilien besichert sind. Jemand hat eine Immobilie und möchte dies gerne sanieren also nimmt er sich auf der Plattform ein Kredit auf und zahlt diesen dann am Ende ab.
Die Rendite hierbei liegt bei ca. 10-11% und ist damit natürlich niedriger als bei Konsumkrediten. Denn das man irgendwo ein Pfandobjekt stehen hat, ist natürlich eine nicht zu unterschätzender Bonus für den Kreditnehmer, da man als Kreditgeber weiß, dass es in einer möglichen Insolvenzmasse mehr zu holen gibt als bei einem Kreditnehmer, der sich Geld für einen unbestimmten Zweck genommen hat und im schlimmsten Fall versoffen hat.
Das große Hindernis bei Estate Guru war bisher immer, dass man mindestens 50€ in ein Objekt stecken musste. Gerade im Kreditgeschäft ist dies natürlich eine eher ärgerliche Größe, da man am liebsten eben möglichst hohen Verteilungsgrad erreichen möchte um das Risiko bei einem Ausfall zu begrenzen. Denn Kredite werden immer wieder einmal ausfallen. Entsprechend spare ich immer ein wenig darauf hin, mal eine größere Charge dort rein zu stecken.
Nun bin ich aber auf die Plattform Reinvest24 (https://www.reinvest24.com/) gestoßen. Hierbei handelt es sich um estische Plattform, die noch extrem jung ist und erst 2017 gegründet wurde und erst seit Ende des letzten Jahres überhaupt beginnt operationell zu starten. Grundsätzlich sollte hier also erst einmal bei jedem die Riskoglocke angehen, da junge Unternehmen immer einer ganz besonderen Gefärdung ausgesetzt sind. Dazu aber später mehr!
Anstatt hier in Kredite zu investieren, werden dort Objekte oder Wohnungen angeboten in die man mit mindestens 100€ investieren muss und dann entsprechend am Gesamtwert des Objektes Anteile erwirbt. Also nicht nur ein Schuldversprechen, sondern man wird wirklich Miteigentümer! Findet sich ein passender Mieter (!) für das Objekt, bekommt man dann eben seinen Anteil an der monatlichen Miete ausgeschüttet.
Gleichzeitig partizipiert man auch an der möglichen Wertsteigerung der Immobilie. Wächst der Wert in dem Stadtteil, kann man eben darauf hoffen in einigen Jahren seine Anteile zu einem größeren Wert wieder zu verkaufen. Ist man nur der Inhaber des Kredites, bekommt man eben nur die Zinsen, hat darüber hinaus aber keine Ansprüche.
Gerade in meiner persönlichen Peer-Group sind viele Leute dabei, die besonders aktiv im Bereich Immobilien unterwegs sind und sich gezielt alte Gebäude suchen, die sie dann sanieren und anschließend vermieten. Ich stehe dabei meist traurig an der Seite, da ich in diesem Bereich ein zu großer Angsthase bin. Fremdkapital auszugeben in eine baufällige Ruine, die dann renoviert werden muss und das dann alles ohne Fachkenntnisse der Materie? Und dann anschließend noch um die Verwaltung kümmern, dass ist eher nicht mein Metier und ich bleibe lieber bei Wertpapieren. Warum Reinvest24 für mich vielleicht trotzdem etwas ist?
Reinvest24 stellt also ein Projekt vor, sammelt dafür das Geld der Investoren ein und kommt genügend Geld für einen Kauf zusammen, wird die Immobilie gekauft und in eine vermögensverwaltende Gesellschaft übertragen. Eine solche Special Purpose Vehicle (SPV) übernimmt dann das Tagesgeschäft für diese Immobilie. Darunter fallen Versicherungen, Einkassieren der Miete, aber eben auch Wartungsarbeiten und die Hausmeisterei. D.h. man beauftragt jemanden mit dem Tagesgeschäft und bekommt nur noch Erlöse aus den Anteilen gut geschrieben.
Und das ganze funktioniert umsonst? Nein, natürlich nicht! Im Gegensatz zu vielen P2P-Plattformen, wo diese über die Provision durch die Vermittelung der Kredite ihr Geld machen, kann Reinvest24 dies nicht tun. Wer sollte den auch die Provision bezahlen? Der Verkäufer? Der Vermieter? Damit bleibt es hier also bei uns dem Investor hängen.
Von allen Beträgen die investiert werden, werden pauschal zu Beginn 2% eingehalten. Investieren wir also 100€, bleiben nur real 98€ für die Investition übrig und 2€ gehen an Reinvest24. Zusätzlich werden von den SPV 10% der Miete einbehalten. Dies ist dann das Geschäftsmodell hinter dieser Plattform. Natürlich sind Gebühren als Investor immer sehr ärgerlich, aber ich billige natürlich einer Plattform oder Bank eben auch immer ein Existenzrecht ein. Mir ist es sogar lieb, wenn ich weiß, dass die sich sinnvoll finanzieren können und damit das Risiko einer Pleite geringer ist. Gerade wenn es sich um prozentuale Gebühren handelt und nicht irgendwelchen fixen Werten, kann ich damit gut leben.
Eine Mindestinvestition von 100€ ist natürlich noch einmal eine Verschärfung und macht natürlich diese Form der Anlage wesentlich komplexer für Leute mit geringerem Vermögen. Zumindest dann, wenn diese das Risiko ausreichend streuen wollen! Dafür ist es aber eben recht erfrischend, dass man einmal eine andere Art von Investition hat und nicht nur so sehr im Kreditmarkt hängt, sondern eben im Immobilienmarkt.
Dieser hat natürlich auch seine Tücken und Risiken, die man keineswegs außer Acht lassen sollte. So denke ich persönlich, dass wir in vielen Teilen Europas bereits in einer Immobilienblase stecken, da über Jahre hinweg eine lockere Geldpoltik geführt wurde. Ob die gewünschten Mieten überall langfristig gehalten werden können, ist meiner Meinung nach fraglich. Aber gerade ein Fokus in einem Randbereich von Europa, der zusätzlich wirtschaftlich sehr stark am Wachsen ist, hat natürlich schon seine Reize.
Bleibt natürlich das Risiko mit dem jungen Unternehmen. Noch ist es viel zu früh zu sagen, ob die Leute dahinter auch wirklich professionell arbeiten und wirklich die versprochenen Ziele einreichen. Befindet sich ein Unternehmen bereits seit einigen Jahren am Markt, kann man dies zumeist an Berichten besser einschätzen. Und im Zweifel eben einfach davon ausgehen, wenn man es schafft sich mehrere Jahre über Wasser zu halten.
Doch ist man hier durchaus bemüht Vertrauen aufzubauen und nicht aus dem Anonymen heraus zu interagieren. Mehrere größere Blogger haben durchaus bereits Kontakt gehabt. Das Team reagiert schnell auf Anfragen per Mail. Die ganze Struktur mit separaten SPV macht Sinn und zeigt, dass man hier auch vernünftig gegeneinander absichern will. Selbst wenn Reinvest24 bleite geht, würde die SPV über einen separaten Insolvenzverwalter abgewickelt werden.
Besonders sympatisch eben auch, wenn der CEO eine Ortsbegehung der Objekte bei Youtube macht und man zumindest einen besseren Eindruck von der Gegend oder dem Objekt selbst bekommt. Ich habe zwar so meine Zweifel, dass man es schaffen wird dies langfristig zu halten, aber es wäre eine wirklich interessante Abgrenzung zum bisherigen Marketing bei Estate Guru, wo man zumeist nur einige Fotos zu Gesicht bekommt.
Reinvest24 hat zudem versprochen noch diesen Monat einen Sekundärmarkt zu starten, so dass man ggf. auch seine Anteile an andere Investoren wieder veräußern kann. Dies ist immer sehr attraktiv, da man weiß, dass man im Zweifel schneller raus kommt. Meine stille Hoffnung ist dabei noch, dass man hier nicht nur ganze Pakete, sondern einzelne Anteile erwerben kann. Hoffentlich auch eben unter 100€ und zu kleineren Chargen.
Die Anzahl der Projekte hält sich dabei momentan noch in Grenzen. Gerade einmal 2 Stück stehen momentan aktiv zur Verfügung, wenngleich es bereits schon einige finanzierte gibt. Die Seite selbst ist ein wenig zu spartanisch für meinen Geschmack und eher auf dem Niveau eines Grupeer als ein Mintos oder Bondora.
Eine interessante Frage ist zudem, wie das ganze steuerlich behandelt wird. Sind dies nun Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder eben doch eher Kapitalerträge? Diese Frage wird man wohl noch klären müssen. Meine Argumentation gegenüber dem Finanzamt wäre aber eben, dass man Anteile an einer Kapitalgesellschaft erwirbt und über diese ausgeschüttet wird, womit 25% der Einnahmen dann ans Finanzamt fallen würden.
Dadurch das dies keine Darlehn sind, würde aber vermutlich auch die Möglichkeit einer Abschreibung von Verlusten wegfallen. Eine Sache die man sich hier erst vor Gericht im letzten Jahr erstritten hat und vermutlich hier dann auch tun müsste. Präventiv würde ich daher erst einmal davon ausgehen, dass sie nicht gegen zu rechnen sind. Hier müsstet ihr aber dann wirklich den Steuerberater Eures Vertrauens genauer kontaktieren, da dies nur eine erste Einschätzung meinerseits ist und keine Beratung, die Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.
Klingt soweit noch alles sehr verlockend? Doch da wo Licht ist, ist auch immer Schatten und so ist das leider auch hier. Denn gerade bei einer Detailrecherche fällt das Unternehmen dann leider dadurch auf, dass es nicht immer genau mit der Wahrheit zu nehmen scheint. So verspricht man bei sich auf der Webseite bereits erfolgreich 10 Millionen vermittelt zu haben. Scheinbar bezieht sich dies aber eher auf die bisherige Arbeit des CEO, der bereits zuvor im Estate-Bereich unterwegs war.
Auch scheint das Team wesentlich kleiner zu sein und nur aus 2 Personen zu bestehen, wobei man sich auf der Webseite mit einer ganzen Gruppe ablichten lässt. Gerade dadurch, dass auch Berater mit dabei sind, wirkt das Team wesentlich solider als es tatsächlich zu sein scheint. Man kann dies natürlich auch positiv sehen, weil ich eben ein wenig skeptisch war, wie man mit der bisherigen Anzahl an Objekten ein solches Team überhaupt durch den Winter bringen kann. Rein rechnerisch ist dies nicht möglich! Man kann diesen Punkt natürlich auch als Vorteil sehen, weil es doch irgendwie die Chancen erhöht, dass man mit dem Eigenkapital länger auskommt.
Auch an anderer Stelle ist man nicht immer transparent. So werden viele Bilder bei den Objekten gezeigt, die einen positiveren Eindruck suggerieren. Beispiel gefälligst? So wird in einem aktuellen Projekt mit einem grauen Gebäude geworben, dass eine gewisse Eleganz ausstrahlt und man sich sicherlich vorstellen kann, dass dort jemand drin wohnen möchte. Wer aber etwas länger am Computer und auch dort im Bereich Grafik zu tun hat, sieht doch recht schnell, dass etwas mit dem Baum nicht stimmt und die Transparenzübergang zu brutal sind. Also geht man auf die Suche...
So sieht das Gebäude nämlich wirklich aus. Ein eher altes Gebäude mit einer bröckelnden Fassade in der man eher nicht Wohnen möchte. Man sieht, dass auf der alten Grundmauer noch eine Etage oben drauf gesetzt wurde.
Grundsätzlich stellt dies kein Problem dar, weil ja durchaus offen gesagt wird, dass man Geld für eine Sanierung des Objektes einsammelt und hier eben in einem Stadtgebiet investieren möchte, dass im Außenbezirk liegt auf Grund seiner günstigen Lage aber in den nächsten Jahren interessant werden könnte. Trotzdem sollte zum einen ein manipuliertes Bild stets als solches Gekennzeichnet werden. Denn erst beim zweiten Blick fällt dann auch auf, dass auch die Innenbilder reine „Projektbilder“ sind und sich das Objekt in einem ganz anderen Zustand befindet.
Hier muss einfach eine höhere Transparenz gegeben sein und nicht einfach ein Ikea-Bild zur Werbung genutzt werden. Als Investor will ich mir im klaren sein, wo rein ich am Ende wirklich mein Geld stecke und nicht irgendwelche Visionen von Leuten. Dazu gehört im Zweifel auch eben mal die bittere Wahrheit. Zur Verteidigung muss man sagen, dass das gesammelte Geld durchaus plausibel für eine derartige Renovierung zu sein scheint.
Somit hinterlässt diese Plattform einen arg zwiespaltigen Eindruck. Eine im Kern sehr interessante Idee in einem sehr interessanten Markt. Allerdings leider an vielen Stellen nicht die nötige Transparenzt, die man sich wünschen würde. Würde man es hier schaffen einen ähnlichen Informationsgrad wie bei Estate Guru zu schaffen und eine öffentliche Statistik über das bisherige Geschäft geben, könnt es sich um ein sehr interessantes Projekt handeln.
Im Netz scheint man dem ganzen grundsätzlich positiv gegenüber zu stehen und auch einen Vertrauensvorschuss zu geben. Ich selbst ringe sehr mit mir, ob ich es nicht irgendwo einmal ausprobieren sollte. Trotzdem wäre man dann eben mit einigen hundert Euro dabei, um auch nur halbwegs divers reingehen zu können.
Was mich bisher aber wirklich abschreckt ist, dass es nirgendwo einen Vertrag zu geben scheint den man dann mit der SPV eingeht. So sehr wie man im P2P-Bereich solche Verträge immer hasst und meist ungelesen wegklickt, umso mehr will ich schon wissen wie genau die Objekte dann eigentlich in meinen Besitz übergehen. So ist dies vermutlich am Ende dann doch der letzte Tropfen, der mich von einem Invest absehen lässt. Schade eigentlich!