Wir hatten die Gelegenheit mit dem bekannten Geldsystemkritiker Rico Albrecht ein Interview zu führen. Rico Albrecht wird neben dem ehemaligen ARD-Journalisten, Christoph Hörstel, und dem renommierten Professor für Rechnungswesen, Franz Hörmann, am 20.05.2017 Gast in Altenburg/Kosma zur Geldsystem-Veranstaltung des Bürgerforums Altenbuger Land sein.
MK: Herr Albrecht, wir leben in einer bewegten Zeit: EU-Finanzkrise, Bankenkrise, Rettungsschirme, Vertragsbrüche, Auflösungserscheinungen innerhalb der EU, kriegerische Konflikte und Flüchtlingskrise. Immer mehr verfestigt sich der Eindruck, dass Regierungen gegen die Interessen der Völker handeln. Sie sind Autor und Referent zu den Themen Geldsystem, Staat und Steuern. Können Sie uns kurz erläutern, was all diese Probleme mit unserem Geldsystem zu tun haben?
RA: Das Geldsystem braucht Wirtschaftswachstum. Wenn alle Kapitalanleger z.B. in einem Jahr 2,8 % mehr haben wollen, muss dies irgendwoher kommen, die Wirtschaftsleistung muss entsprechend wachsen. Alle 25 Jahre müsste sie sich verdoppeln, um derartige Ansprüche zu erfüllen. Da unendliches Wachstum nur in der Mathematik möglich ist, jedoch nicht in der realen Welt, kommt es zu Spannungen, die sich u.a. in den von Ihnen genannten Symptomen entladen.
MK: Wir erleben aber auch eine Zeit der geplanten Schuldenschnitte, Pleiten, Negativzinsen und Sparerenteignung – wird hier nicht wieder Kapital vernichtet? Wieso haben wir es dennoch mit einer zunehmenden Verschuldung der privaten und öffentlichen Haushalte zu tun?
RA: Im herrschenden System sind diese teils chaotischen Schritte und auch Rechtsbrüche nötig, um die beschriebenen Spannungen zeitweise abzubauen. Sie lösen das Problem der Zinseszinsfunktion aber nicht grundsätzlich, weshalb sich die Entwicklung auf lange Sicht fortsetzt und verschlimmert. Guthaben und Schulden stehen sich spiegelbildlich gegenüber. Wenn die Guthaben wachsen sollen, müssen die Schulden es auch. Will man Schulden abbauen, dann schrumpfen auch die Guthaben.
MK: Wären wir also schuldenfrei, gäbe es kein Geld mehr im Umlauf? Also liegt es gar nicht im Interesse der Regierungen, die Schulden jemals abzubauen?
RA: Das Interesse von Regierungen liegt ohnehin nicht im Geldsystem, sondern darin, die nächste Wahl wieder zu gewinnen. Bevor sie an die nominelle Macht kamen, war das Geldsystem schon da. Staaten nehmen bei privaten Banken Kredite auf, um eine Währung in Umlauf zu bringen. Würden sie sie zurückzahlen, wäre kein Geld mehr in Umlauf. Für diese Dienstleistung, das Betreiben einer Währung, bezahlt der Steuerzahler Zinsen an die Banken. Dementsprechend sieht man auch z.B. an der Skyline von Bankenvierteln den Unterschied zwischen Wertschöpfung und Wertabschöpfung.
MK: Staaten schöpfen also selbst kein Geld. Was haben Institutionen wie die Bundesbank oder europäische Zentralbank dann für eine Aufgabe?
RA: Wenn Staaten selbst Geld schöpfen könnten, wären sie nicht allesamt verschuldet. Zentralbanken wie die EZB oder Bundesbank erzeugen nur das Zentralbankgeld, wozu das Bargeld gehört. Und selbst dieses fließt nicht als Einnahme in den Staatshaushalt, sondern wird auch nur verliehen. Lediglich der Gewinn daraus fließt den Staaten zu. Doch der fällt wenig ins Gewicht, denn der mit Abstand größte Teil der Geldmenge ist Giralgeld. Dieses wird von privaten Banken bei der Kreditvergabe erzeugt. Die vielfach höheren Gewinne daraus fließen den Banken zu.
MK: War dies schon immer so? Gab es auch Zeiten, in denen die Hoheit über die Geldschöpfung nicht bei privaten Banken lag?
RA: Kam dieses Thema etwas bei Ihnen im Geschichtsunterricht nicht dran?
MK (lacht): Nein, ich kann mich nicht dran erinnern. Auch während meiner Lehre als Kaufmann war die Geldtheorie das einzige Thema bei dem ich auswendig lernen musste, weil mir die innere Logik bzgl. der Geldsteuerung durch Zentralbanken nicht aufging. Spaß beiseite. Welche Beispiele aus der Geschichte gibt es, in denen die Geldschöpfung die Aufgabe des Staates war?
RA: Merkwürdig. Das Thema scheint wohl in den Lehrplänen zu fehlen. Auch ich hatte erst lange nach meinem Wirtschaftsstudium Gelegenheit, viel darüber von den Professoren Bernd Senf und Wolfgang Berger zu lernen. Als Beispiel möchte ich die Brakteatenzeit (ca. 1150 – 1450) nennen. Als Geld nahm man damals Münzen, die nur ein Jahr gültig waren. Danach musste man sie gegen Münzen des neuen Jahres umtauschen. Dabei behielt der Herrscher eine Steuer ein, indem man z.B. für zehn alte Münzen acht neue bekam. So einfach und niedrig war das Geld- und Steuersystem in diesem Zeitalter, dem wir heute noch viele bedeutende Städte, Bauwerke und andere kulturelle Errungenschaften verdanken.
MK: Also war in diesem Fall der Staat der Emittent des Geldes und hat die Emissionsgewinne für sich beansprucht. Waren in einem solchen System Steuern nötig, wenn der Staat über derartige Einnahmen verfügte? Warum gibt es dieses Geld heute nicht mehr? Was führte zu dessen Abschaffung?
RA: Der einbehaltene Anteil des Münzgeldes, der sogenannte Schlagschatz, war die einzige Steuer. Diese war sehr einfach und transparent. Dadurch konnte das Volk allerdings sehen, wie viel die Herrscher jedes Jahr einzogen. Wurden diese zu gierig, wich man auf Alternativwährungen, Gold und Silber aus. Für eine Staatsquote und Abgabenlast wie die heutige braucht man ein wesentlich komplizierteres Geld- und Steuersystem, bei dem das Volk die Last seiner Abgaben nicht erkennen kann.
MK: Stichwort Alternativwährungen. Lassen Sie uns zu den Lösungsmöglichkeiten kommen. Stellen Regionalwährungen Ihrer Meinung nach eine Ausweichmöglichkeit aus diesem aktuellen Dilemma dar?
RA: Alternativwährungen sind ein erster wichtiger Schritt, weil sie das Bewusstsein für das Thema und die regionale Vernetzung sowie eine gewisse Unabhängigkeit vom Staat fördern. Leider entkommt man damit aber noch nicht dem herrschenden Steuersystem. Das kann sich vielleicht ändern, wenn eine kritische Masse erreicht wurde.
MK: Es gibt Initiativen, die die Hoheit über die Geldschöpfung wieder zurück in die staatliche Hand holen wollen, wie z.B. der Verein Monetative e.V.. Sie sind Vertreter der Wissensmanufaktur und haben mit an der Ausarbeitung des sogenannten Plan B gearbeitet. Gibt es Unterschiede zwischen den beiden Initiativen?
RA: Das Geldsystem ist wie das Straßennetz ein wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur einer Volkswirtschaft. Selbstverständlich gehört es mitsamt den damit verbundenen Erträgen in öffentliche Hand. Dies gilt insbesondere da der Staat mit seinem Gewaltmonopol ein gesetzliches Zahlungsmittel erzwingt. Es gibt viele Modelle, die eine öffentliche Geldschöpfung in unterschiedlichen Variationen umsetzen wollen. Monetative und Plan B sind nur zwei davon, und ich gehe davon aus, dass jede dieser Initiativen jeder anderen den Erfolg gönnen und unterstützen würde, käme eine der Umsetzung nahe.
MK: Es gibt noch eine weitere Kraft, die sich für eine Änderung des herrschenden Geldsystems ausspricht. Das ist die Deutsche Mitte. Denken Sie, dass es möglich ist, durch Parteien und Wahlen eine Änderung herbeizuführen?
RA: Prinzipiell kann das schon gelingen. Man braucht genügend Kapital, um die Medienkonzerne zu übernehmen, die die veröffentlichte Meinung gestalten und die breite Masse mit den vielseitigen Methoden der Manipulation und Propaganda steuern. Sollten die Eigentümer nicht verkaufen, müsste man selbst Konzerne mit entsprechenden Möglichkeiten und Reichweiten aufbauen. Das kostet viele Milliarden. Bisher habe ich noch in keinem Parteiprogramm ein schlüssiges Finanzierungskonzept dafür gesehen.
MK: Erleben wir nicht gerade eine mediale Revolution, bei der die Menschen selbst anfangen, ihre Nachrichten zu verbreiten? Die Glaubwürdigkeit der Medien lässt ja immer mehr nach, genauso wie die Glaubwürdigkeit in die Politik und in das Finanzsystem. Trauen Sie es den Menschen zu, dass diese in der Lage sind, ihr gemeinschaftliches Leben hin zu einer kooperativ aufgebauten Gesellschaft selbst zu organisieren?
RK: Ja, das Internet ändert natürlich vieles. Es kommt Transparenz in die Mechanismen, mit denen die Masse manipuliert und gesteuert wird. Medien, die damit nicht aufhören, verkaufen sich immer schlechter und werden schließlich vom Markt verdrängt. Ausgenommen davon sind leider die GEZ-Finanzierten, deren Einnahmen bei Verweigerung in letzter Konsequenz auch mit Gewalt gesichert werden. Aber noch wird man ja wenigstens nicht zum Hinschauen gezwungen. Das Internet ist die entscheidende Hilfe dabei, sich neu zu vernetzen, das alte Gesellschaftssystem als leere Hülle zu hinterlassen und eine neue Gesellschaftsordnung aufzubauen, in der die Wirtschaft wieder den Menschen dient und nicht die Menschen als Ressource der Wirtschaft. Ob dies gelingen wird, kann keiner prognostizieren. Ich versuche jedenfalls, meinen Teil dazu beizutragen.
MK: Herr Albrecht, Sie sind am 20.05. Gast auf der Geldsystemkonferenz hier in Altenburg/Kosma. Wir sind gespannt auf Ihren Vortrag und hoffen, dass wir mit diesem Interview viele Bürger auf dieses Thema neugierig machen konnten. Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
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