Digitalisierung ist seit Jahrzehnten in aller Munde. Es geht dabei um die Umwandlung von etwas Analogem wie einer Schallplatte in etwas Digitales, beispielsweise eine MP3 Datei oder das Negativ eines Fotos in eine Bild Datei. Das klingt normal und die meisten Menschen denken überhaupt nicht mehr darüber nach.
Aber warum will man etwas digitalisieren?
Wenn Töne und Bilder erstmal digital verfügbar sind, so kann man sie besser archivieren, durchsuchen, verteilen, bearbeiten und natürlich auch ohne Qualitätsverlust kopieren. Den Prozess der Digitalisierung gibt es schon länger. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Muster in Webstühlen digitalisiert. Die Braille Schrift wurde 1829 erfunden, Morsezeichen 1837.
Seit etwa 50 Jahren können Daten als Ergebnis der Digitalisierung auf "praktischen" Datenträgern gespeichert werden. Durch diese Art der Speicherung werden die Daten bei Bedarf geladen und elektronisch verarbeitet. Die Elektronische Datenverarbeitung (EDV) bestimmt daher immer mehr Bereiche des Lebens.
Vor ein paar Tagen tweetete Benjamin Grossing:
Today I'm launching http://remove.bg – a tool to automatically remove the background of any image (with a person in it). Built with python, ruby & deep learning with @davidfankhauser - AMA
https://twitter.com/begroe/status/1074587676207136768
Es geht dabei um einen Service, der völlig automatisiert Bilder bearbeitet. Das AMA am Ende steht für "Ask me anything". Benjamin beantwortet Fragen und knüpfte sogleich Geschäftskontakte. Interessant ist die Art und Weise der Geschäftsgründung und auch die Kommentare zu diesem Tweet. Interessant ist auch die Automatisierung von manueller Arbeit, die dieses Konzept ermöglicht. Heute sitzen vermutlich hunderttausende von Menschen vor ihrer Photoshop Software und stellen Personen auf Bildern frei. Die remove.bg Software macht das automatisch. Im Moment sogar kostenlos :). Wenn sich auf dem Bild eine Person befindet, so wird das erkannt und der Hintergrund wird entfernt.
Als Geschäftsmodell wird remove.bg diese Dienstleistung per Programmierschnittstelle anbieten! Momentan suchen sie Partner, die ihr System integrieren wollen.
Um das mal in den Kontext der Arbeitswelt zu bringen, ein kurzer Blick in die Vergangenheit. Das Volkswagenwerk in Wolfsburg in Deutschland benötigte bei seiner Gründung vor 80 Jahren in erster Linie viele Arbeiter, Wasser, Energie und Stahl. An Ort und Stelle wurden aus diesen Zutaten Autos gebaut.
Heute ist Volkswagen, bzw. die globale Automobilindustrie ein weit verzweigtes Netz von Firmen, die auf komplexe Weise miteinander verbunden sind und unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen.
Die Herausforderung ist nicht mehr die eigentliche Produktion, sondern die Koordinierung der Lieferketten und der Aufbau von verteilten Produktionskapazitäten. Es gibt in diesem Geflecht Firmen, die nur ein winziges Bauteil herstellen und das auch noch an unterschiedlichen Orten in der Welt. Dieses kleine Bauteil muss in einer definierten Qualität, zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort geliefert werden.
Am Anfang einer Entwicklung benötigt man meist eine grosse Fabrik mit vielen Arbeitern. Wenn ein Markt sich dann entwickelt und die Produktionsprozesse dabei optimiert werden, lohnt es sich plötzlich kleine Produkt Einheiten in voneinander unabhängigen Firmen zu fertigen und zu einem grossen Ganzen zusammen zu bauen.
Das Beispiel gilt natürlich nicht nur für die Automobilindustrie. Es passt auch auf viele andere Bereiche in einem gewachsenen, globalen Markt.
Computer
Wenn man sich die Geschichte der EDV ansieht, so ist die Entwicklung ähnlich verlaufen.
In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es Grossrechner, die in grossen Häusern standen, viel Energie verbrauchten und mit sehr viel Personal entwickelt und bedient wurden. Firmen wie IBM bauten alles selbst. Die Schränke, die Leiterplatten, die Chips, das Betriebssystem, die Anwendungs-Software, die Dokumentation, die Schulungen. Es war das Äquivalent einer Automobilproduktion um 1930.
In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts setzte sich die Trennung von Software und Hardware durch. Die gefertigten Einheiten wurden kleiner, es lohnte sich auch für kleinere Bereiche im System Firmen zu gründen. Die monolithische Computerindustrie teilte sich auf in Hard- und Software Unternehmen.
In den achtziger und neunziger Jahren ging diese Aufspaltung weiter. Die Software-Firmen teilten sich auf in Betriebssystem Hersteller und Anwendungssoftwarehäuser. Andere Firmen stellten Datenbanken und Programmiersprachen her, die universell verwendbar waren.
Hardware-Firmen wurden zu reinen Chip-Herstellern oder Erstausrüstern, die alle Teile unter eigenem Namen zusammenbauten und verkauften (Original Equipment Manufacturer, OEM).
Im neuen Jahrtausend wurde die Spezialisierung vertieft. Das geschah durch eine Modularisierung der Anwendungssoftware unter einem gemeinsamen Dach einer Firma (SAP, Oracle) oder eines Open Source Projektes (Apache, Drupal, WordPress, Joomla).
Die Modularisierung ging dabei soweit, dass einzelne Module nunmehr in eigenständigen Firmen entwickelt wurden. Plötzlich gab es Bezahldienste wie Stripe, E-Mail Versender wie SendGrid, SMS Versender wie Twilio. Auch im Open Source Bereich entwickelten sich aus Modulanbietern eigenständige Firmen wie beispielsweise JoomShaper.
Wenn man sich die Modulverzeichnisse von WordPress (54,000 Plugins), Joomla (8,000 Erweiterungen) und Drupal (42,000 Module) ansieht, so findet man schnell Gemeinsamkeiten, die förmlich danach rufen unabhängig ausgelagert zu werden. Und genau das passiert gerade. Ein Projekt, das viel Aufsehen in der WordPress Welt erhalten hat, ist der Gutenberg Editor. Diesen Gutenberg Editor wird es auch für Drupal geben (https://gutenbergcloud.org). Wenn der Editor dann nach und nach für weitere Systeme zur Verfügung steht, können auch systemübergreifende Erweiterungsblöcke für diesen Editor von unabhängigen Firmen entwickelt und verkauft werden. Beim Editor ist das ein grosses Thema, weil ihn wirklich jeder benutzt. Bei Aufgaben wie dem E-Mail Versand haben sich schon lange Firmen wie MailChimp durchgesetzt, die auf allen Content Management Systemen mit ihrem Service präsent sind.
WordPress, Drupal und Joomla werden damit immer mehr zu Plattformen, für die Services wie MailChimp genutzt werden können.
Programmierschnittstellen (API)
Um die Dienstleistungen von MailChimp auf der WordPress Plattform anbieten zu können, wird von einem beliebigen Anbieter ein Plugin, in diesem Fall eine Brücke zum MailChimp Service, programmiert. Das Plugin (unter Umständen kostenpflichtig) muss innerhalb von WordPress installiert werden und für seine korrekte Funktion benötigt es einen "geheimen" Schlüssel, der es gegenüber den MailChimp API identifiziert. Diesen Schlüssel kauft der Kunde ab einer bestimmten Nutzungshäufigkeit bei MailChimp.
Das gleiche Geschäftsmodell findet man bei Google APIs. Wer eine Karte auf seiner Website einbinden will, muss ab einer gewissen Menge an Zugriffen bezahlen.
APIfication
Programmierschnittstellen werden von Maschinen genutzt. Programme kommunizieren mit anderen Programmen. Programme, die kommunizieren, brauchen keine "schön gestalteten" Benutzeroberflächen, sie brauchen gut definierte Protokolle und sichere Datenübertragung.
Aber zurück zur Firma remove.bg. Der verwendete Algorithmus nutzt maschinelles Lernen und das Training auf Personenerkennung ist nicht so einfach kopierbar. Es stecken vermutlich viel Forschung und ein paar Patente darin. Das Beste ist allerdings, dass die Herstellerfirma durch das momentan kostenlose Angebot immer mehr Daten erhält, daraus lernt das Programm und wird dadurch immer besser.
Die Chance ist also hoch, dass Anwendungen, die Bilder bearbeiten, auf diesen Service zurückgreifen werden. Das Geschäftsmodell dieser Anbieter ist auch klar. Die Basis Variante ist kostenlos, "automatisches Hintergrund entfernen" kostet aber etwas pro Aktion oder ist erst in einer Pro Version enthalten.
Wenn du "morgen" also ein Bild in WordPress hochlädst, könnte dort durchaus ein Button stehen, der dir anbietet, den Hintergrund des Bildes zu entfernen.
Menschliche Arbeit
Vor noch 20 Jahren war es möglich, als Einzelner selbst ein Content Management System oder ein Computerspiel zu erstellen. Man musste eine Programmiersprache wie C lernen und dann von der Tastatureingabe bis zur Bildschirmausgabe alles manuell programmieren. Das wird heute schon sehr schwierig und in Zukunft vermutlich unmöglich, weil ein Einzelner weder die zunehmenden Datenmengen verarbeiten, noch die Komplexität der Anforderungen globaler Märkte überblicken kann.
So negativ wie das womöglich klingt, muss es aber gar nicht sein. Die von uns Menschen vorangetriebene Digitalisierung zwingt uns auch dazu, neue Bewältigungsmechanismen für Prozesse zu entwickeln und damit entdecken wir auch viele neue Möglichkeiten dieser selbst geschaffenen Komplexität Herr zu werden.
Auch können eintönige, sich wiederholende Arbeiten reibungs- und fehlerloser von Maschinen erledigt werden.
Etwas Ähnliches ist auch bei der Musik passiert, nachdem sie in den Neunziger Jahren digitalisiert wurde. Heute gibt viele kleine Loops und Tonschnipsel, aus denen wieder neue Songs erstellt werden. Bei Software wird das so ähnlich funktionieren. Es ist nicht immer notwendig alles bis ins kleinste Detail zu verstehen. Meistens reicht es hin, wenn das Problem gelöst ist oder ein gewisses Feature funktioniert. Mit der Nutzung unterschiedlicher APIs lässt sich Software ebenfalls remixen. Die technisch aufwendigen Teile, wie die Sache mit dem Hintergrund, kauft man sich als API Service dazu.
Wichtig ist es Verständnis für solche Abstraktionen zu haben um überhaupt einen eigenen Weg für den kreativen Umgang mit der Digitalisierung gehen zu können.
Fazit
Neue Techniken wie maschinelles Lernen und die Blockchain werden für viele neue Services und das Internet of Things für viele mehr oder weniger "smarte" Geräte sorgen, die automatisiert miteinander kommunizieren müssen.
Und alle machen das über Programmierschnittstellen!
tl:dr; Programmierschnittstellen sind ein sehr wichtiger Teil der Digitalisierung
Posted from my blog with SteemPress : https://blog.novatrend.ch/2019/01/07/wie-ist-das-eigentlich-mit-der-digitalisierung-im-jahr-2019/