Ich präsentiere einen weiteren Einblick in das Theater um die Alexanderfrage.
In der VI. Szene des I. Aktes erscheint Achilleus, nachdem Hektor seinen geliebten Freund und Milchbruder Hephaistion erschlug, während er selbst beleidigt bei den Schiffen saß und schmollte, anstatt ihm beizustehen. Als Achilleus nun von Hephaistion‘s Tod erfuhr, änderte er seine Einstellung und schwor fürchterliche Rache. Er war plötzlich bereit zum Kampf! All seine Waffen und Rüstzeug trug allerdings Hephaistion, da er in Achilleus‘ Namen in die feindlichen Gefilde ritt. Achilleus gesammte Kriegsausrüstung hatte jetzt Hektor, sein Mörder.
Pallas Athene kommt ihm zu göttlicher Hilfe und zaubert eine Flamme auf sein Haupt, mit der er den Troern Einhalt gebieten soll, um Zeit zu gewinnen, während seine Mutter Thetis beim Schmiedegott Hephaistos neues Rüstzeug für ihn in Auftrag gibt. Dafür muß sie erst einmal zum Olymp gehen und gute Schmiedekunst braucht auch nochmal seine Zeit.
Aristophanes ist ein griechischer Dichter und Dramatiker, der in der Theaterwelt vor allem als Komödiendichter bekannt ist. Zu einer seiner Vorlieben gehört es, die männlichen Schauspieler nur mit einem roten Lederphallus bekleidet auftreten zu lassen. Es war auf griechischen Bühnen im 4. Jahrhundert vor Erscheinung des heiligen Sohnes auch nicht unüblich, das Kopulieren während des Spiels tatsächlich auszuüben.
In diesem Stück ist er so etwas wie der Narr, der immer mal wieder auftaucht, und entweder irgendwelche Weisheiten hineinruft oder der Szene unterstützend Zusatz- oder Hinterinformationen gibt, die nicht aus dem Dialog hervorgehen.
In diesem Fall kreiert er auch die Stimmung für den folgenden Auftritt des rachelüsternen Halbgottes Achilleus:
Aristophanes von hinten zum Publikum:
„Seht, die goldene Wolke um sein Haupt,
gespendet von Pallas Athene,
und die hell leuchtende Flamme,
die aus ihr entspringt,
bis ins Himmelsgewölbe glänzend.
Seht wie er schreitet zum Graben,
die Nähe zu den Gefährten und den Kampf meidend,
wie seine Mutter es ihm befohlen.
Hört, wie er schreit, und Pallas Athene
seine eherne Stimme zu den Troern trägt.
Der Mut verlässt sie, sogar die schönhaarigen
Pferde ahnen Schlimmes und machen Halt.“
Achilleus:
„Kehret um, Wagenlenker! Seht! -
mein furchtbares Feuer unermüdlich
brennen auf meinem Haupt!
Pallas Athene selbst haucht
der Flamme den Atem ein!
Fürchtet meinen gewaltigen Zorn!“
Am Ende der VII. Szene des I. Aktes hat Thetis ihm die Waffen gebracht und er macht sich bereit für den Krieg gegen die Troer im Allgemeinen und Hektor im Einzelnen.
Achilleus kleidet sich mit Beinschienen, Knöchelplatten, einem Brustpanzer, setzt den Helm auf und nimmt Schild und Lanze. Am Rücken trägt er kleine Flügel, und, nicht zu vergessen, den obligatorischen roten Lederphallus, den die Schauspieler der Alexanderfrage natürlich nur zu gern in ihr Stück mit hinein gearbeitet haben. Nachdem er fertig mit Ankleiden ist, tritt Professor als Xanthos verkleidet zu ihm. Professor ist der Hund von Elvis, dem antisozial eingestellten Schriftsteller.
Komplett ausgerüstet und fertig eingekleidet kümmert Achilleus sich als nächstes um sein Fortkommen.
Achilleus:
„Xanthos! Weltberühmter mit den beweglichen Hufen,
diesmal führe mich hinaus aus der Schlacht und
lass mich nicht liegen, wie Patroklos, den Toten!“
Xanthos:
„Gewiss werde ich dich noch einmal retten,
doch dein Ende wird kommen wie der große Gott
und das übermächtige Schicksal es bestimmen,
und nicht ich bin Schuld an deinem Verderben.
Es war weder meine Langsamkeit noch meine Trägheit schuld,
dass dem Patroklos genommen wurden die Waffen;
der größte aller Menschen und Götter selbst tötete ihn
und gab dem Hektor Prunk und Prangen.
Selbst wenn wir mit den Wehen
des Westwindes laufen könnten,
der doch wohl der schnellste ist,
bleibt es dir bestimmt, bezwungen zu werden
mit Kraft von einem Gott und einem Mann.“
Achilleus:
„Xanthos! Du weissagst mir nichts,
was ich nicht schon selber weiß!
Hier werde ich zugrunde gehen,
fern von Vater und Mutter.
Trotzdem lasse ich nicht ab vom Krieg,
bis ich Hektor und die Troer getötet habe!“
Was haben Homers Göttergeschichten um Achilleus und Troja aber mit Alexander dem Großen von Makedonien zu tun und warum wechselt das Stück immer zwischen den beiden Figuren und Welten?
Alexander glaubt, ein Halbgott und direkter Nachfahre von Achilleus zu sein. Wo bei Achilleus der göttliche Teil von der Meeresgöttin Thetis kommt, ist er bei Alexander väterlicherseits. Hierbei ist es möglicherweise kein anderer als Zeus selbst, der seine Mutter einst beglückte. Olympias ist jedenfalls davon überzeugt, die Mutter eines Halbgottes zu sein und hat seit Alexander's Geburt dafür gesorgt, daß er dieser Rolle einst gerecht werde.
Alexander ist ein großer Fan der Heldengeschichten in der Odyssee und der Ilias und er identifiziert sich gern mit Achilleus, dem tragischen Helden von Troja.
Die beiden gegenüber zu stellen ergibt sich quasi von selbst, wenn man daran interessiert ist, an das Wesen der Dinge zu kommen, an die inneren menschlichen Triebe und Abgründe. Das menschliche Wesen ändert sich in seinem Kern nie, und die Figuren in Theaterstücken, Romanen und Märchen zu studieren bedeutet, den Menschen zu studieren, wie er ist. Mythologie ist ewige Wirklichkeit und die Geschichte der menschlichen, inneren Entwicklung und Vorgänge. Wenn man das menschliche Wesen in seinem Kern erkannt hat, kann man auch die Welten verstehen, die es erschafft.
Kaiser Augustus aus der Sammlung des General Boneparte (die Engländer haben Napoléon seinen Kaisertitel aberkannt, bevor sie ihn auf St. Helena entsorgten) im Garten des Waliser Architekten Clough Williams-Ellis
Das ist es, was mich am Theater und der Literatur so fasziniert. Das Hineinschauen in die Dunkelheit und Abgründe.
Auf der Suche nach dem Warum. Auf der Suche nach dem ersten Ton. Auf der Suche nach dem Licht.
Auf das Drama und die Halbgötter, Prost!
That looks like a very interesting post but unfortunately I don't read German... Ever thought of publishing in English? I'm sure it would have success!
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Thank you. I do post poetry in English sometimes. Feel free to visit my blog and look for "picture poetry", cheers ;)
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