Herzlichen Dank für deinen Kommentar und dein Upvote.
Eine gute Diskussion finde ich sehr anregend und entspannend. Und ich freue mich immer wieder, wenn ich meinen Horizont erweitern kann und natürlich auch, wenn ich den Horizont von anderen erweitern kann.
Da ich durch mein Soziologie-Studiem langatmiges Schreiben gewohnt bin, bin ich leider noch nicht so geübt im kurzhalten, aber ich arbeite daran. ;)
Deshalb kommt hier auch gleich eine Vorwarnung, dass dieser Kommentar etwas mehr Zeit und aufmerksames Lesen beansprucht.
Aber jetzt zum Thema zurück:
Die Mehrheit entscheidet zwar über alle, jedoch nicht über alles. Denn auch Gesetze können gekippt werden, wenn diese verfassungswidrig sind. Und in der Verfassung stehen die liberalen Grundrechte eines jeden, welche, auch wenn es die Mehrheit entscheidet, nicht jemanden weggenommen werden können.
Ich habe nicht behauptet, dass es keine Normen (Bsp.: Muss-Normen wie beispielsweise Gesetze > in der Soziologie unterscheidet man zwischen Soll-, Kann- und muss-Normen. Bei Interesse bitte selbst recherchieren. Da es hier nicht um unterschiedliche Normen geht, werde ich hier nicht näher darauf eingehen, obwohl das ein sehr interessantes Thema ist.) dafür gibt, welche Wahlmöglichkeiten in welcher Form dargestellt werden können/dürfen. Ich habe also nicht behauptet, dass die Mehrheit über alles entscheidet. Auch hier gibt es Regelungen, welche es zu beachten gilt.
Max Weber (ein Klassiker der Soziologie) beispielsweise unterscheidet 3 Herrschaftsformen: 1. Charismatische Herrschaft, 2. Traditionelle Herrschaft und 3. legale bzw. rationale Herrschaft.
(Unsere heutige Herrschaftsform könnte man unter legale bzw. rationale Herrschaft eingliedern.)
Die dritte Form der Herrschaft bezeichnet die legale oder rationale Herrschaft kraft Satzung, welche darauf beruht, dass durch formal korrekte Prozeduren Recht geschaffen oder auch bestehendes Recht verändert werden kann. Die Quelle der Legitimität ist bei dieser Herrschaftsform im Verfahren, welches Rechtsnormen bekräftigt oder neu setzt, vorzufinden. Im Grunde findet hier der Gehorsam nicht gegenüber einer Person statt, sondern vielmehr der gesetzten Regel, welche wiederum angibt, wem in welchen Bereichen und in welcher Hinsicht zu gehorchen ist. (Vgl. Bayer, Michael/ Mordt, Gabriele (2008): Einführung in das Werk Max Webers. 1. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 38).
Die Grundkategorien einer rationalen Herrschaft sind nach Weber also ein kontinuierlicher regelgebundener Betrieb von Amtsgeschäften, innerhalb einer Kompetenz, also Zuständigkeit. Dies bedeutet, dass eine kraft Leistungsverteilung eines sachlich abgegrenzten Bereichs von leistungspflichten mit Zuordnung der dafür erforderlichen Befehlsgewalten und mit fester Abgrenzung der eventuell zulässigen Zwangsmittel und ihrer Anwendung vorzufinden ist. Zudem kommt allerdings noch die Amtshierarchie hinzu. (Vgl. Weber, Max (1984): Soziologische Grundbegriffe. 6. erneut durchgesehene Auflage mit einer Einführung von Johannes Winckelmann. Tübingen: Mohr, S. 161)
So schreibt Weber: „Dazu tritt 3. das Prinzip der Amtshierarchie, d.h. die Ordnung fester Kontroll- und Aufsichtsbehörden für jede Behörde mit dem Recht der Berufung oder Beschwerde von den nachgeordneten an die Vorgesetzten. Verschieden ist dabei die Frage geregelt, ob und wann die Beschwerdeinstanz die abzuändernde Anordnung selbst durch eine >>richtige<< ersetzt oder dies dem ihr untergeordneten Amt, über welches Beschwerde geführt wird, aufträgt.“ (Weber, Max (1984): Soziologische Grundbegriffe. 6. erneut durchgesehene Auflage mit einer Einführung von Johannes Winckelmann. Tübingen: Mohr, S.161)
Bei dieser Form ist also auch der Herrscher an Regelungen und an einen Geltungsbereich gebunden. So wird beispielsweise geregelt, wer in welchem Bereich wem gegenüber welche Forderungen stellen darf und wie Jemand zu dieser Position kommt, beispielsweise durch bestimmte Ausbildungen, Fähigkeiten oder Kenntnisse. Im Gegensatz zur traditionellen Herrschaft können die Regelungen allerdings verändert werden, wenn sich dies wiederum an bestimmte als legitim geltende Verfahrensregeln orientiert. Zum reinsten Typus legaler bzw. rationaler Herrschaft kann demnach die legale bzw. rationale Herrschaft mit bürokratischem Verwaltungsstab gezählt werden.
Ob man diese Regelungen als gut oder schlecht empfindet, füllt wieder ein ganz eigenes Thema/eine ganz eigene Diskussion. Da wird man auf beiden Seiten interessante Argumente und Perspektiven finden. (Zumindest wenn beide Seiten sich um konstruktive Argumente bemühen.)
Auch hier bitte nicht falsch verstehen. Das heißt nicht, dass ich unsere Gesetzgebung damit kritisieren möchte. Ich bemühe mich eben mein Wissen aus meinem Studium auch praktisch umzusetzen. Das heißt in diesem Fall, dass ich mich um eine objektive und wertfreie Betrachtung bemühe.
Also wertfrei und objektiv betrachtet, gibt es Regelungen für Wahlmöglichkeiten. Wie auch immer dies (wertend - also positiv oder negativ) empfunden wird.
Unterdrückung hat also eher den Charakter, dass man nicht seine liberalen Grundrechte zugesprochen bekommt. Deswegen stimme ich nicht damit überein, dass man (auch nicht provokant) sagen kann, dass Demokratie Minderheiten unterdrückt.
An sich finde ich es schwierig Wikipedia als Quelle zu nehmen um ein Argument allgemein zu bekräftigen. Wikipedia ist sehr praktisch, um einen ersten Eindruck zu bekommen, was in der Alltagssprache unter einem Begriff verstanden wird. Das hilft einem oft, um sich mit weiteren Themen auseinander zu setzen.
Aber da zeigt sich schon die Schwierigkeit der Kommunikation. Ein Begriff kann in unterschiedlichen sozialen Kreisen eine unterschiedliche Bedeutung haben. So ist es, um Missverständnisse zu vermeiden, gut, wenn man sich darum bemüht, eine gemeinsame Definition eines Begriffs zu erarbeiten, damit ein besseres gegenseitiges Verständnis und eine anregende Diskussion gewährleistet wird.
Es ist meiner Ansicht etwas schwierig, wenn man einen Satz aus dem Zusammenhang reisst und dann nur Teile von diesem Satz verwendet. Bitte nicht persönlich nehmen, denn ich gehe davon aus, dass das nicht mit böswilliger Absicht passiert ist. Ich sehe das eher so, dass ich daran arbeite mich genauer auszudrücken. Aber wenn etwas falsch verstanden wird, dann bemühe ich mich dies aufzuklären.
Also genau genommen habe ich folgendes geschrieben:
Eine Mehrheit entscheidet also über eine Minderheit.
Das ist eben so und das muss man auch nicht verschleiern.
In dem Sinne ist (überspitzt und provokant ausgedrückt) die Demokratie eine Unterdrückung der Minderheit.
Ich habe dies nicht wertend gemeint. Ich habe mich NICHT auf liberale Grundwerte bezogen, sondern nur auf eine Entscheidung bezogen, welche auf eine bestimmte Anzahl von Menschen/Meinungen bezogen ist.
Die Meinung einer größeren Anzahl von Menschen wird umgesetzt. Ob diese Meinung der Mehrheit gut oder schlecht ist, ist eine Wertung. Und auch hier wird es immer 2 Seiten geben. Die einen, die das als gut empfinden und die anderen, die das als negativ empfinden.
Das Ganze pauschal wertend zu sehen ist schwierig, da es ja immer auf die Inhalte ankommt. Deshalb kann und soll man das meiner Ansicht nicht automatisch als gut oder schlecht betrachten.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich jetzt nicht über aktuelle politische Wahlversprechen/Wahlprogramme eingehen möchte, auch wenn dies wieder einmal ein interessantes Diskussionsthema wäre. Auch das würde wieder sehr umfangreich ausfallen.
Ich habe mich, wie bereits erwähnt, nur auf das Prinzip der Mehrheitsentscheidung bezogen und habe in diesen von dir indirekt zitierten Satz eigentlich extra "in diesem Sinne" als auch "ÜBERSPITZT und provokant ausgedrückt" (das "In diesem Sinne" und "überspitzt" ist in deinem indirekten Zitat von mir leider nicht aufgetaucht) verwendet.
Du verweist mich dann auf Wikipedia und Duden, greifst dir dann aber nur einen bestimmten Aspekt heraus, was ich als etwas schwierig für eine objektive Diskussion empfinde.
Ersteinmal zum Duden:
Was bedeutet Unterdrückung überhaupt ?Der Duden gibt diese Synonyme für Unterdrückung an:
Bei der Bedeutungsübersicht heißt es in diesem Zusammenhang nur Widerstand gegen politische Unterdrückung
Behinderung, Fesseln, Knebelung, Knechtschaft, Unfreiheit, Unterjochung, Versklavung, Zwang, Repression, Tyrannisierung
Hier zeigt sich wieder einmal die Schwierigkeit der Kommunikation.
Unterdrückung kann eben unterschiedlich verwendet und verstanden werden, ist also kein eindeutig definierter Begriff. Diesen Begriff dann "nur" auf ein bestimmtes Teilverständnis zu reduzieren ist schwierig. Es wird bei deiner Quellenangabe auch mit Zwang und Repression gleichgesetzt. Ob Zwang oder Repression gute oder schlechte Auswirkungen hat, ist wieder wertend und kann auch wieder diskutiert werden. Auch hier wird es auf beiden Seiten interessante Argumente und Perspektiven geben.
Und zur Erinnerung: Ich habe mich ausdrücklich auf die Mehrheitsentscheidung bezogen. Die eine Seite fühlt sich erhört und die andere Seite hat halt eben nicht das bekommen, was sie wollte. Ob das jetzt gut ist oder nicht, auf beiden Seiten gibt es positive als auch negative Empfindungen dazu.
Zu sagen, dass die Personen, welche nicht das bekommen haben was sie eigentlich wollten, nicht ein Gefühl von Unterdrückung haben, ist mit Vorsicht zu genießen. (Wieder unabhängig von einer wertenden Betrachtung der geforderten Inhalte betrachtet.)
Unterdrückung ist die einem Individuum, einer Gesellschaft oder Menschengruppe leidvoll zugefügte Erfahrung gezielter Willkür, Gewalt und des Machtmissbrauchs.
Die Wikipedia Definition ist meiner Ansicht nach eine sehr enge Definition, welche viele Schwierigkeiten mit sich bringt.
Als Beispiel um die Problematik zu verdeutlichen:
Was genau bedeutet Machtmissbrauch? (Ich habe meine Bachelorarbeit über Macht und Herrschaft geschrieben. Diese umfasst ca. 50 Seiten. In dieser Arbeit habe ich mich mit unterschiedlichen Definitionen allein zum Thema "Macht" beschäftigt.) Da es zum Thema Macht bereits viele verschiedene Definitionen gibt und somit natürlich auch Machtmissbrauch unterschiedlich betrachtet werden kann, ist eine Diskussion ohne Abgleich der verwendeten Definition schwierig.
Genauso muss Manipulation nicht mit Gewalt einher gehen, kann aber auch zu einer Unterdrückung führen. Unterdrückung in dem Sinne, dass eigene Wünsche und Vorstellungen (ob nun positive oder negative Auswirkungen auf irgendwen oder irgendetwas- wertfrei betrachten!) eben unterdrückt, also nicht umgesetzt werden.
Derjenige, dessen Wünsche nicht umgesetzt wurden hat eben negative Empfindungen dazu. Ob das gut oder schlecht ist, kommt auf die Perspektive des Betrachters an.
Unterdrückung hat also eher den Charakter, dass man nicht seine liberalen Grundrechte zugesprochen bekommt.
Hierzu einmal die Frage: Gab es bevor Menschenrechte schriftlich festgehalten worden sind keine Unterdrückung?
Das ist eine rhetorische Frage und soll nur darauf aufmerksam machen, dass Definitionen ebenso hinterfragt werden sollen, damit sie konstruktiv zur Erarbeitung eines bestimmten Themas und einer anregenden Diskussion beitragen.
Ich stimme dir zu, wenn es heißt, die Mehrheit entscheidet, aber man muss eben dazu sagen, dass die Mehrheit nur in einem gewissen Rahmen entscheiden kann und dieser Rahmen lässt keine Unterdrückung zu.
Wie bereits erwähnt, stimme ich zu, dass es Normen gibt, welche ein Wahlprogramm regeln. Ich habe nie behauptet, dass das nicht so ist.
Aber dass dieser Rahmen keine Unterdrückung zu lässt ist eine Behauptung, welche mit Vorsicht zu genießen ist. Wie gesagt, ist hier schon einmal das finden einer gemeinsamen Definition sehr schwierig.
Aber wie gesagt, ich möchte hier nicht weiter auf den Begriff "Unterdrückung" eingehen, da ich diesen Begriff, wie bereits erwähnt, in einem anderen Sinn verwendet habe, als diese enge Definition von Wikipedia und ich hoffe, dass ich dies jetzt verständlich machen konnte.
Und das beantwortet dann auch mehr oder minder diese Frage. Negative Auswirkungen gegen eine bestimmte Gruppe sind verfassungsrechtlich problematisch. ^^
Ja, es ist verfassungsrechtlich problematisch. Das heißt aber nicht, dass es unmöglich ist.
Es ging mir mit meinem Kommentar hauptsächlich darum, dass jeder sich KRITISCHE Gedanken über Grundstrukturen der Gesellschaft machen soll und man eben nicht immer nur die Verantwortung dafür anderen überlässt.
Blindes Vertrauen/blinder Glaube/Blinder Gehorsam kann nämlich problematische Folgen haben, leider auch in unserer heuteigen Zeit.
Und es sollte sich jeder Mensch um Verbesserungen bemühen und das fängt mit objektiven Betrachtungen an. Nach einer objektiven Betrachtung kann man ja die Werte (Werte im Sinne einer Soziologischen Definition - Bei Interesse bitte selbst recherchieren, da dies wieder einmal den Diskussionsrahmen sprengen würde) dahinter hinterfragen und am besten aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Daraus sollte man dann eine Lösung bzw. eine Handlungsalternative formulieren.
Und nur weil etwas besser ist als früher, heißt das nicht automatisch, dass es nichts besseres gibt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf den Unterschied zwischen unserer Demokratie und diverse Formen der direkten Demokratie verweisen.
Und nochmal in diesem Zusammenhang die Frage:
Wie frei oder nicht unterdrückt sind wir, wenn wir nur die Wahl von Ideenbündel haben anstatt direkt über einzelne Ideen/Vorschläge abzustimmen?
Und hier auch gleich der Hinweis, dass die Forderung nach direkter Demokratie vor allem bei der praktischen Umsetzung auf viele Hürden stoßen kann. Auch das ist also nicht so einfach umzusetzen. Die Theorie klingt ja ganz einfach, die Probleme tauchen aber in der praktischen Umsetzung auf.
Aber auch darüber könnte man wieder ewig diskutieren.
Um zu dem Kontext zurück zu kommen.
Es geht mir oder ging mir bei meinem Kommentar darum, kritisches Denken anzuregen und auch zum Hinterfragen eines blinden Gehorsams anzuregen. Auch über unser verwendetes Domokratie-System.
Und vielleicht können wir durch kritisches und objektives Denken und Argumentieren dazu beitragen gesellschaftliche Lösungen zu formulieren.
Wichtig ist es ja, dass man Probleme sieht und benennen kann. Noch wichtiger ist es Lösungen und Handlungsalternativen zu entwerfen und anzubieten.
Und wir sollten nicht vergessen, dass wir doch alle nur Menschen sind und alle eigentlich nur glücklich sein wollen.
Und wenn unsere politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme so gut funktionieren und nicht verbessert werden sollen, dann frage ich mich, warum es noch so viele unglückliche Menschen gibt, warum es Armut gibt und warum unsere Gefängnisse voll sind.
So... Ich hoffe, ich konnte meine Motivation verständlicher machen.
Bleibt kritisch, hinterfragt vieles, aber seid konstruktiv dabei!
LG eure Chaotin
Dem habe ich nicht wirklich viel hinzuzufügen.
Danke für die ausführliche Antwort.
Bei einer solchen Diskussion besteht eben stets die Schwierigkeit, was wie genau definiert ist, denn Unterdrückung hat keine eindeutige Definition.
Deswegen habe ich mich in meiner Argumentation an die Bedeutung gehalten, welche Unterdrückung in unserer Gesellschaft am ehesten zugewiesen wird.
Dies sind alles Tatsachen, an denen wir arbeiten müssen. Ich gehe hier davon aus, dass es sinnvoll ist, durch eine Mehrheit Änderungen herbeizuführen, schließlich sind das Themen, an denen jeder direkt oder indirekt Interesse hat.
Gruß Naturicia
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