Die Rolle der Market Maker bei einem Börsencrash/Boom

in deutsch •  7 years ago 

Hallo liebe Steemit community,

in meinem letzten Artikel zum jüngsten Börsengeschehen (https://steemit.com/deutsch/@stehaller/was-ist-nur-am-montag-an-den-boersen-passiert) habe ich ja schon einige Gründe für den Sell-Off genannt.
Es gibt aber noch andere Gründe, die ich hier noch beleuchten möchte.

Die Market Maker:
Den Market Makern haben wir es zu verdanken, dass es überhaupt einen Markt gibt.
Auf youtube gibt es hierzu eine wunderschöne Doku, die ich nur jedem empfehlen kann:


Die Market Maker führen jede Order an der Börse aus. Noch vor Jahren waren das Menschen, heute sind es hauptsächlich Computeralgorithmen, die um den Orderflow konkurrieren.
Wer schon mal Aktien, Futures, Optionen oder Cryptos gekauft hat, ist sicher aufgefallen, dass es immer zwei Preise gibt.
Den Bid-Preis und Ask-Preis.
Hier ein Beispiel des S&P 500 Futures (Börsenkürzel: /ES)

Der Market Maker ist also bereit den S&P 500 Futures für 2621 zu kaufen und für 2622 zu verkaufen. Von der Spanne, die dazwischen liegt, dem sogenannten bid/ask-spread, lebt er.

Die Market Maker in den Aktien- und Futures-Märkten sind kein großes Problem.
Anders sieht es aber in den Optionsmärkten aus, hier können die Market Maker jede größere Bewegung an den Börsen noch beschleunigen.
Das liegt am sogenannten Delta-Hedging.

Das Delta ist eine Komponente in der Optionspreisformel.
Es erfüllt drei wichtige Funktionen:

1. Es zeigt an, wie groß das Risiko in meiner Optionsposition im Verlgleich zum Basiswert der dazugehörigen Aktie ist.
Dazu ein Beispiel:
Aktien haben immer ein Delta von 1.
Hundert Stück des Indexfonds SPY, der den Kurs des S&P 500 Index nachbildet, haben also 100 Deltas.
Das heißt steigt SPY um $1, gewinne ich $100. Fällt SPY um $1, verliere ich $100.
Optionen können von 0 bis 100 jedes Delta haben. Das Delta von long Calls ist immer positiv und von long Puts negativ.
Hier wieder ein Beispiel:
Der ETF SPY hat am Freitag bei 261.50 geschlossen.
Der SPY März 252 Put hat ein Delta von 30.
Bewegt sich also der Preis von SPY um $1, bewegt sich der Preis der Put Option um 30 Cent.
(Das Delta einer Option kann sich aber mit der Zeit verändern, je nachdem in welche Richtung sich die dazugehörige Aktie bewegt).

2. Es zeigt die Wahrscheinlichkeit an, ob eine Option in the money schließt oder nicht
Die oben genannte SPY 252 Put Option mit einem Delta von 30 hat eine Wahrscheinlichkeit von 30% in the money zu schließen. Da der Preis von SPY bei 261.50 liegt, handelt es sich bei dem 252 um eine out of the money option. Fällt der Preis bis zum Verfallstag im März nicht unter 252, verfällt die Option wertlos (ca. 90% aller Optionen verfallen wertlos)
Aber wieso 30% Wahrscheinlichkeit? Nun zu diesem 252 Put gibt es auch einen gegenüberliegen 252 Call.
Der Put ist momentan out of the money, also ist der call in the money. Beide zusammen haben eine 100% Wahrscheinlichkeit, dass eine der beiden in the money schließt, entweder der Put oder der Call. Der Call hat ein Delta von 70 also muss der Put ein Delta von 30 haben und umgekehrt.

3. Das Delta zeigt an, wie viele Aktien ein Market Maker kaufen/verkaufen muss, um seine Position zu hedgen:
Die Market Maker im Optionsmarkt leben nicht von der Auf-und Abbewegung der Aktienmärkte, sondern vom Verfall des sogenannten Theta.
Schon wieder ein griechischer Buchstabe ich weiß, aber es wird für heute der letzte sein.
Der oben genannte 30 delta SPY 252 Put ist eine out of the money option. Diese Option hat keinerlei inneren Wert.
Ihr Preis ist momentan $4.30 (mal 100 pro contract). Bewegt sich der Preis, von SPY nicht schnell in die richtige Richtung, also unter 252, verfällt sie wertlos. Ihr ganzer Wert besteht also aus dem Zeitwert (Theta).
Die meisten Privatinvestoren kaufen Optionen (was dumm ist) und die Market Maker verkaufen ihnen diese Optionen.
Im Deutschen nennt man denjenigen, der eine Option zur Eröffnung verkauft auch Schreiber oder Stillhalter.
(Man muss aber nicht unbedingt Market Maker sein um Optionen verkaufen zu können, das kann jeder).
Die Market Maker leben also vom Verfall der Optionen, also vom Theta.
Um jetzt aber nicht dem Auf und Ab an der Börse ausgeliefert zu sein, versuchen die Market Maker ihre Position so Delta neutral wie möglich zu halten (das sollte jeder Optiontrader tun).
Verkauft jetzt ein Market Maker den oben genannten 30 Delta Put, dann zeigt seine Position 30 long Deltas an, da der Put ein negatives Delta von 30 hat, er aber den Put short ist. Ein short Put wird im Portfolio mit -1 angezeigt.
Minus 1 mal minus 30 Delta gibt plus 30 Delta.
Seine Position ist also die gleiche, als hätte er 30 SPY Aktien in seinem Portfolio.
Er will aber ein Delta von Null haben, deshalb muss er um die Position zu hedgen 30 Stück SPY leer verkaufen.

Was hat das ganze nun mit dem Sell-Off von dieser Woche zu tun?
Wie ich oben gesagt habe, verändert sich das delta einer Option, je nachdem wie sich der Kurs der dazugehörigen Aktie bewegt. Aus unserem 30 Delta out of the money Put kann bei einem weiteren Sell-Off sehr schnell eine 50, 70 oder 100 Delta in the money Option werden.
Das heißt, der Market Maker, der vorher seine Position mit 30 short SPY Aktien gehedged hat, muss auf dem Weg nach unten immer mehr SPY Aktien shorten, je größer sein Delta in der 252 Put Option wird, die er short ist. Er gießt also noch Öl ins Feuer. Da die meisten Market Maker ähnliche Positionen haben, müssen das alle machen und der Sell-Off beschleunigt sich immer mehr. Das Ganze kann natürlich auch bei starken Kursanstiegen in die andere Richtung passieren. Market Maker sind ja nicht nur Puts Short sondern auch Calls.
Short Calls geben ihnen ein negatives Delta, das sie mit long Aktien versuchen zu hedgen. Da aber die Aufwärtsbewegung meist viel langsamer von statten geht als die Abwärtsbewegung, ist das in der Regel kein großes Problem.

So, ich hoffe ich konnte wieder mal etwas Licht ins Dunkle bringen.
Wer noch Fragen hat bitte in der Kommentarspalte stellen.

Bis bald,
Stephan Haller

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In den Jahren 1998 bis 2003 hatten die Market-Maker Ihren Namen noch verdient. Da wurde der Sinn und Zweck ordentlich erfüllt: geringe Spreads und hohes Volumen, auch bei kleinen AG's. Heute sind die Market-Maker meines Erachtens den Namen nicht mehr wert.

@specialaffairs wie ich gerade gesehen habe, schreibst Du auch viel über Gold, Geld und Märkte.
Ich folge Dir gleich mal.

Da gebe ich Dir recht @specialaffairs ,leider gibt es ja kaum noch trading floors und echte Menschen im Market Making. Die Algos, die das Market Making übernehmen sind reine Schönwetter-Market-Maker. So lange alles ruhig verläuft machen sie einen guten Job, aber wenn es stark runter geht, schalten die sich ab. Die Spreads in den liquid underlyings wie SPY, QQQ, IWM sind schon in Ordnung aber z.B. bei TLT, GLD, XLE sieht es schon schlechter aus. Selbst bei AAPL und FB findet man kaum penny wide spreads in den Optionen.
Du musst Dir mal nächste Woche dieses Tool, welches die Liquidität im /ES anzeigt, anschaun:
http://www.nanex.net/NxResearch/NxLiquidity/
Furchtbar.

Es fehlt noch der Hinweis auf den Einfluss der impliziten Volalität - ansonsten aber ein sehr guter Arttikel.

Das lesen dicker Schwarten kann man sich dank solcher Beiträge inzwischen sparen. Was hab ich nicht alles an Büchern durchgearbeitet das alles zu verstehen - dann kommst du mit solch einem Beitrag und zeigst wie man das ganze Thema auf den Punkt bringen und erklären kann. Sehr guter Beitrag!

Danke! Über Optionen hab ich schon mehr geschrieben: https://steemit.com/money/@stehaller/introduction-into-option-trading-lesson-1
Und es kommt noch viel mehr dazu.

Danke! Ist eine sehr gute Auffrischung und ich freue mich schon auf die nächsten Beiträge.

Ich dachte der Market Maker würde neutral den Markt am laufen halten. So jetzt mag ich die Typen nicht mehr so.

Das machen die ja auch. Das Delta hedging müssen sie machen um sich selbst zu schützen, da dann meist alle durch die gleiche Tür wollen, wird es nur noch schlimmer.
Ein weiteres Problem sind die High Frequency Trader. Deren Algorithmen halten in normalen Zeiten den Markt sehr liquide. Wenn es aber sehr wild zu geht, schalten die sich einfach ab. Dann ist die Liquidität weg und es geht noch weiter runter.

Als weiteren Grund für den Sell-Off kann man noch das Fehlen von Short Sellern nennen. In den Medien werden die immer als die Schuldigen präsentiert, aber es ist genau umgekehrt. Alle option premium seller und market maker traden zwar relativ delta neutral, die meisten haben aber als hedge auch immer short Positinen in ihrem Portfolio. Short Deltas waren in den letzten Monaten eine Katastrophe. Deshalb haben irgendwann die letzten shorts aufgegeben. Wenn es runtergeht, bremsen die Short Seller den Kursverfall, weil sie ja ihre Short Positionen irgenwann zurückkaufen müssen.